Unsere Sicht
Zerstörung der Ökosysteme aufhalten
Die Biodiversitätskrise bekommt derzeit deutlich weniger Aufmerksamkeit als die Klimakrise. Dabei ist sie nicht weniger wichtig: Der Global Risks Report des Weltwirtschaftsforums führt den Verlust an Biodiversität unter den Top-fünf-Risiken weltweit.
Tatsächlich zerstören wir die Natur mit unfassbarer Geschwindigkeit. Laut Weltbiodiversitätsrat (Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services – IPBES) ist die weltweite Aussterberate für Arten zehn- bis hundertmal höher als im Durchschnitt der vergangenen zehn Millionen Jahre. Von geschätzten acht Millionen Arten auf der Erde gilt etwa eine Million als gefährdet.
Biodiversität meint weit mehr als nur Artenvielfalt. Sie bezeichnet zum Beispiel auch die Vielfalt von Ökosystemen. Diese leisten uns überlebenswichtige Dienste, etwa die Bestäubung von Nutzpflanzen oder die Reinigung von Gewässern. Unsere Ernährungssicherheit hängt maßgeblich von ihnen ab, aber auch unser Klima, beispielsweise binden Wälder und Moore Kohlendioxid.
Um die Zerstörung von Ökosystemen aufzuhalten, müssen wir viel mehr tun als bisher. Es ist höchste Zeit, die Art, wie wir Land und Meere nutzen, grundlegend zu ändern. Wir müssen unsere Umweltverschmutzung in den Griff bekommen und dafür den Eintrag von Plastik, Pestiziden, Antibiotika und anderen Stoffen stark reduzieren (siehe Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Paper 2021/03). Da sich Biodiversität und Klimakrise gegenseitig verstärken, brauchen wir auch stärkeren Klimaschutz (siehe mein Kommentar in der Debatte im E+Z/D+C e-Paper 2021/11).
Die bisherigen UN-Vereinbarungen zur Biodiversität wurden nur mangelhaft umgesetzt. Es besteht aber noch Hoffnung. Im Oktober einigten sich die Staaten im Rahmen des ersten Teils der 15. UN-Biodiversitätskonferenz auf die – leider unverbindliche – „Erklärung von Kunming“. Die Unterzeichnenden verpflichten sich darin, dafür zu sorgen, dass sich die Biodiversität bis 2030 erholt. Verbindliche Ziele und Maßnahmen könnten im Mai kommenden Jahres folgen, wenn die Delegierten den zweiten Teil der Konferenz abhalten.
Die Erwartungen sind hoch. Mehr als 70 Länder haben sich im Vorfeld zu einer Naturschutz-Koalition („High Ambition Coalition for Nature and People“) zusammengeschlossen. Sie fordern, mindestens 30 Prozent der Landes- und Meeresfläche bis 2030 unter Schutz zu stellen.
In Kunming muss die internationale Staatengemeinschaft sich auf ambitionierte und verbindliche Biodiversitätsziele einigen. Die Umsetzung dieser Ziele muss überwachbar und der Fortschritt messbar sein. Es kommt dabei auf die konkreten Ziele der einzelnen Staaten an – und auf deren Umsetzung. Außerdem muss die Finanzierung stimmen. Reiche Staaten müssen stärker als bisher ärmere Staaten unterstützen, in denen die artenreichsten Ökosysteme liegen. Auch gilt es, den Privatsektor stärker in die Finanzierung einzubinden.
Sowohl die Klimakrise als auch die der Biodiversität erfordern entschiedenes Handeln: Wir müssen dem UN-Übereinkommen über die biologische Vielfalt ebenso gerecht werden wie der UN-Klimarahmenkonvention. Beides kann gelingen. Es braucht dafür allerdings endlich den nötigen politischen Willen.
Jörg Döbereiner ist Redakteur von E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit/D+C Development and Cooperation.
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