Landnutzungskonflikte
Ugandas Wildnis unter Druck
Quer durch Uganda zieht sich ein Streifen von fruchtbarem Land, auf dem Viehhirten traditionell ihre Rinder grasen lassen – der sogenannte Cattle Corridor („Viehkorridor“). Es handelt sich um eine Savannenlandschaft, in der Grasbewuchs und Gebüsch dominieren, gespickt mit verstreuten Baumgruppen. Seit jeher leben Hirten und ihre Tiere in dieser Landschaft neben Wildtieren – sowohl Pflanzenfresser wie Zebras, Giraffen und Antilopen als auch Fleischfresser wie Löwen und Leoparden. Das Ökosystem ist geprägt von Buschfeuern, unregelmäßigen Niederschlägen und Dürreperioden.
Insbesondere in den vergangenen 30 bis 40 Jahren hat sich der Druck auf den Cattle Corridor erhöht. Die Einwohnerzahl von Uganda hat sich in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt, auf mehr als 45 Millionen. Wenn Menschen der Armut und Raumnot entfliehen möchten, ziehen sie häufig in dünn besiedelte Gebiete, wo sie relativ günstig Land erwerben können, um es nutzbar zu machen, etwa für Landwirtschaft oder informelle Siedlungen.
So hat sich auch die Landnutzung im Cattle Corridor verändert. Landwirtschaft hat Einzug gehalten. Angebaut werden vor allem Mais, Bohnen und Bananen, aber auch andere Feldfrüchte. Wo Nutz- und Wildtiere zuvor durchgehend ziehen und grasen konnten, befinden sich jetzt Flicken von Ackerland. Wildtiere sind von diesen Unterbrechungen besonders betroffen. Ihr Habitat schrumpft.
Konflikte zwischen Mensch und Tier
Treffen Wildtiere auf Nutzflächen, kommt es zu Konflikten: Raubtiere attackieren Nutztiere, und Pflanzenfresser dezimieren Ernten. Im Gegenzug töten die Bewohner*innen die Wildtiere, um ihr Vieh oder ihr Land zu schützen. Teils wurden auch Menschen und Haustiere von Löwen und anderen Raubtieren getötet.
Zwar wurden auch entlang des Cattle Corridor mehrere Nationalparks und andere Schutzgebiete eingerichtet, in denen sich ein erheblicher Teil der Wildtiere aufhält. Beseitigt sind die Konflikte dadurch aber nicht. In Zeiten anhaltender Dürre verlassen viele Tiere die Schutzzonen und gelangen in Siedlungsgebiete und auf Ackerland. Andersherum führen Viehhirten ihre Herden bisweilen auf der Suche nach Futter und Wasser durch Schutzgebiete.
So bergen Dürreperioden erhöhtes Konfliktpotenzial: auf der einen Seite Wildtiere und Naturschützer*innen; auf der anderen die Anwohner*innen. Sie betreiben teils Wilderei und Brandstiftung in Schutzgebieten.
Naturschutz mit der Bevölkerung
Als in Uganda damit begonnen wurde, die wilde Flora und Fauna bewusst zu erhalten, waren die Gründe eher externer Natur, wie etwa Tourismus oder Jagd – insbesondere in der Kolonialzeit. Naturschutz war nicht unbedingt darauf angelegt, der Bevölkerung vor Ort zugutezukommen. Das hat sich geändert: Es besteht ein Bewusstsein dafür, dass nachhaltiger Naturschutz nur mit der Bevölkerung stattfinden kann, nicht ohne oder gar gegen sie.
Im Cattle Corridor laufen Kampagnen, um die Bevölkerung zu sensibilisieren und in das Wildtiermanagement einzubeziehen. Dieser Ansatz namens „Community Conservation“ zielt darauf ab, die Beziehungen zwischen Wildhüter*innen und den Anwohner*innen zu verbessern. Er ermöglicht der Bevölkerung Zugang zu Ressourcen in den Schutzgebieten und fördert den Dialog und die Beteiligung an der Planung und Verwaltung dieser Ressourcen. Wildhüter*innen engagieren sich für die Entwicklung der Gemeinden und unterstützen sie dabei, direkt und indirekt vom Tourismus zu profitieren.
So wird beispielsweise Tourist*innen angeboten, die Gemeinden zu besuchen, um ihre Kultur kennenzulernen und die regionale Wirtschaft zu unterstützen. Darüber hinaus teilt die Uganda Wildlife Authority (UWA) 20 Prozent ihrer jährlichen Einnahmen mit den Anwohner*innen von Nationalparks und Reservaten, bekannt als „Revenue Sharing“. Das Geld ist für Projekte auf Haushalts- oder Gemeindeebene gedacht, die sich um Konflikte mit Wildtieren kümmern oder die Lebensgrundlagen der Menschen verbessern.
Auf Haushaltsebene werden etwa Zuchtstätten für Ziegen, Schweineställe, Baumpflanzungen und Imkereien finanziert. Auf Gemeindeebene fördert die UWA den Bau von Schulen, Gesundheitszentren, Straßen und Wassertanks. Andere Projekte zielen auf das Vermeiden von Ernteschäden durch Wildtiere ab. Dieser Ansatz hat die Akzeptanz erhöht. Die finanziellen Vorteile motivieren die Bevölkerung, mit Behörden zusammenzuarbeiten.
Umsetzung der Gesetze überwachen
Auch gibt es bereits Regelungen, die den Schutz wilder Tiere ausweiten – über die Grenzen von Schutzzonen hinweg. Sie besagen etwa, dass Wildtiere zu respektieren sind, egal wo sie sich befinden. Bei Verstößen droht Haft. Die Behörden arbeiten mit Verantwortlichen vor Ort zusammen, die darauf achten, dass die Gesetze eingehalten werden. Auch das ist eine Form der Einbindung der Bevölkerung.
Wie oben beschrieben, wird mehr und mehr Land außerhalb der Schutzzonen bewirtschaftet. Bäume und Sträucher werden gerodet, um Holzkohle zu gewinnen oder Fläche für Siedlungen, Ackerland und Plantagen. Die Artenvielfalt und wichtige Leistungen von Ökosystemen gehen dabei zurück.
Verschlimmert wird die Situation dadurch, dass die meisten Viehhirten sesshaft geworden sind. Reiche Privatpersonen haben Landrechte für große Gebiete erworben und damit sowohl wilde Tiere verdrängt als auch Wanderhirten. Dies ist eine häufige Ursache für Landnutzungskonflikte.
Verschärfend wirkt auch die Klimakrise. Zwar fällt Regen im Cattle Corridor seit jeher unregelmäßig, starke Dürren und lange Trockenzeiten sind keine Seltenheit. Aber die Klimakrise intensiviert extremes Wetter. Das kann zu Ernteausfällen führen. Folglich suchen sich Bauern und Bäuerinnen weiteres Land, um ihre Erträge mit extensiver Landwirtschaft zu maximieren. Das wiederum erhöht den Druck auf die Wildnis.
Integrierte Planung ist nötig
Um Druck von der ursprünglichen Natur zu nehmen, müssen die verschiedenen Formen der Landnutzung in Uganda integriert geplant werden. Es gilt, Interessen auszugleichen – und es ist an der Regierung, hier Verantwortung zu übernehmen. Derzeit konzentriert sie sich auf Schutzgebiete. Viel Land außerhalb dieser Gebiete liegt in der Hand von Privatpersonen, die es nach Belieben nutzen, oft ohne Rücksicht auf Menschen oder Umwelt in ihrer Nachbarschaft. Da viele Konflikte auf geltenden Regelungen zum Grundbesitz beruhen, braucht es Reformen.
Außerdem gilt es, durch Naturschutz erzielte Profite anders zu verteilen. Statt 20 Prozent für umliegende Gemeinden zu verwenden, sollte sich das Verhältnis umdrehen: 80 Prozent sollten an die Bevölkerung gehen. Wenn die Menschen Naturschutz als verlässliche Einnahmequelle wahrnehmen, werden sie sich stärker dafür engagieren und auch selbst in ihn investieren.
Die Ärmsten einbinden
Das Geld sollte außerdem besser eingesetzt werden, zum Beispiel zur gezielten Armutsbekämpfung. Bisher profitieren die Ärmsten kaum so, dass es ihren Bedürfnissen gerecht wird. Wenn etwa eine Schule mit Geldern aus Naturschutzprojekten finanziert wird, kommt dies oft nicht den ärmsten Kindern zugute. Sie können teils gar nicht in die Schule gehen, weil sie arbeiten müssen oder es ihnen an grundsätzlichen Voraussetzungen fehlt. Armut ist eine erhebliche Bedrohung für den Naturschutz und seine Akzeptanz.
Zudem gilt es, die Produktionsmethoden der Landwirtschaft zu optimieren – das Land muss schlicht besser genutzt werden. Bäuerliche Betriebe sollten etwa stärker auf Bewässerung setzen, um durch Dürreperioden zu kommen, statt Land extensiv zu nutzen. In Uganda regnet es über das Jahr gesehen eigentlich genug. Das Wasser wird allerdings nicht effizient genug genutzt beziehungsweise ist ungleich verteilt.
Holistische Entwicklungsplanung
Uganda hat die Ambition, sich von einem Land mit niedrigen Einkommen zu einem Land mit mittleren Einkommen weiterzuentwickeln. Eine wesentliche Herausforderung besteht darin, eine holistische Entwicklungsplanung zu entwickeln, die den Naturschutz als untrennbaren Bestandteil nachhaltiger Entwicklung einbezieht. Denn der erhöhte Druck durch steigende Bevölkerungszahlen und veränderte Landnutzung trifft bei Weitem nicht nur den Cattle Corridor, sondern auch andere vormals dünn besiedelte Gebiete, die wertvolle Ökosysteme beinhalten, etwa Sümpfe und Wälder. Wenn es so weitergeht wie bisher, besteht die Gefahr, dass sie so beeinträchtigt werden, dass ihre Artenvielfalt verloren geht – und mit ihr die verschiedenen Leistungen, die diese Ökosysteme der Gesellschaft bereitstellen.
Solche besonderen Ökosysteme sollten daher im Rahmen des Planungsprozesses einen besonderen Status erhalten. Das bedeutet nicht zwangsläufig, sie als Schutzgebiete auszuweisen. Allerdings sollte ihre Besiedelung kontrolliert erfolgen und auf eine Weise, die ihren besonderen Funktionen gerecht wird. Die ökonomische und soziale Entwicklung Ugandas darf nicht auf Kosten der Natur gehen.
David Mfitumukiza ist Associate Professor an der Fakultät für Geographie, Geoinformatik und Klimaforschung der Makerere-Universität in Ugandas Hauptstadt Kampala.
dmfitumukiza@gmail.com