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Ökosysteme

Landwirtschaft braucht Mehrgewinnstrategien

Landflächen dienen üblicherweise fest definierten Zwecken. Wichtig sind Ernährungssicherung, Klimaschutz und Erhalt der Artenvielfalt. Im Zuge des wachsenden Flächenbedarfs nimmt die Konkurrenz zwischen diesen Verwendungsarten zu.
Würmer gedeihen in humusreichen Böden. picture-alliance/blickwinkel/R. Koenig Würmer gedeihen in humusreichen Böden.

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderung (WBGU) spricht deshalb von einem „Trilemma der Landnutzung“. Allerdings steigt der Gesamtnutzen einer Fläche, wenn sie gleichzeitig mehreren Zielen dient. Beispiele dafür sind Windanlagen über Waldflächen oder Landwirtschaft unter hoch gebauten Photovoltaikanlagen. Der WBGU empfiehlt solche „Mehrgewinnstrategien“.

Wichtiger Humus

Ein wichtiges, aber wenig sichtbares Beispiel ist die Anreicherung von Humus in landwirtschaftlichen Böden. Humus besteht aus Kohlenstoffketten, die durch den biologischen Abbau von Pflanzenresten entstehen und Jahrzehnte bestehen bleiben können, wenn nicht gepflügt wird. So werden große CO2-Mengen gespeichert. Zudem haben solche Böden viele Mikroorganismen, sodass sie auch dem Artenschutz dienen. Weil sie nur langsam austrocken und ertragreicher sind als die heute üblichen stark mineralisierten Böden, sind sie auch für die Agrarproduktion gut.

Es gibt zahlreiche Mehrgewinnstrategien, die Nutzungen verbinden. Beispiele sind Reisanbau mit kombinierter Fischzucht und stickstofffixierenden Algen (Azolla) oder auch die Kombination von Fischzucht mit Gemüseanbau (Aquaponik). Zu den vielen Möglichkeiten gehören auch Hecken an Ackerrändern, weil sie Winderosion reduzieren und zugleich schädlingsfressenden Tieren Lebensraum bieten. Typischerweise ist der Gebrauch von Pestiziden auf solchen Mehrnutzungsflächen kontraproduktiv.

Betriebswirtschaftlicher versus volkswirtschaftlicher Ertrag 

Mehrgewinnstrategien vervielfachen den Nutzen einer Fläche, aber nicht unbedingt den betriebswirtschaftlichen Ertrag. Bauernhöfe werden beispielsweise für Bodenorganismen oder die Prävention von Dürreschäden nicht bezahlt. Vorsorgemaßnahmen zahlen sich zwar langfristig aus, aber im Einzelfall kann das buchhalterisch oft nicht nachgewiesen werden. Der volkswirtschaftliche Nutzen von Mehrgewinnstrategien ist jedoch unstrittig, denn sie lohnen sich für die Gesellschaft insgesamt.

Es ist deshalb gerechtfertigt, Agrarsubventionen künftig an Mehrgewinnstrategien und ökologische Intensivierung zu knüpfen. Statt ihrer bisherigen Agrarpolitik, die Ackerflächen subventioniert, sollte die EU eine Ökosystempolitik betreiben, die diversifizierte Flächennutzungen fördert. 

Eine erfolgreiche Realisierung von Mehrgewinnstrategien erfordert jedoch auch mehr Wissen und ist arbeitsintensiver als konventioneller Landbau. Künstliche Intelligenz (KI) könnte bei der Informationsverarbeitung nützlich sein, wenn sie Synergien erkennt und optimiert. Intelligente Technisierung von Prozessen auf den jeweiligen Flächen könnte derweil die Arbeitsproduktivität steigern. 

Aber nicht nur landwirtschaftliche Betriebe im hoch mechanisierten Landbau können von Mehrgewinnstrategien profitieren. Auch Subsistenzbauern in Ländern mit niedrigen Einkommen können solche Strategien gewinnbringend einsetzen. In feuchten Regionen lohnen sich Reis-Fisch-Azolla-Felder auch finanziell. Conservation Agriculture ist in aller Munde, insbesondere in der Sudanzone Afrikas. Im trockenen Sahel dagegen können Agro-Silvo-Pastorale Systeme sowohl für kleinbäuerliche Landwirte als auch für Viehhalter sehr interessant sein. 

Link
WGBU, 2020: Landwende im Anthropozän.
https://www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/landwende 

Susanne Neubert ist ehemalige Direktorin des Zentrums für ländliche Entwicklung der Humboldt-Universität in Berlin und seit letztem Jahr im Ruhestand. 
susanne.neubert@agrar.hu-berlin.de 

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