Meinungen unserer Leser
Leserbriefe
Verfall ländlicher Gegenden
Hans Dembowski: „Integrierte ländliche Entwicklung wird immer wichtiger“ (E+Z/D+C Digitale Monatsausgabe 2023/11, Editorial, S. 3)
Integrierte ländliche Entwicklung war auch in Nepal ein beliebtes Schlagwort – in den 1980er-Jahren, wie von Ihnen erwähnt. Mittlerweile ist sie das nicht mehr.
Die Situation hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verschlechtert. Mehrere politische Umwälzungen und ein allgemeiner wirtschaftlicher Abschwung führten dazu, dass die Mehrheit der Landbevölkerung aus Gründen der persönlichen Sicherheit und auf der Suche nach Beschäftigungsmöglichkeiten in urbane Gegenden zog. Die maoistische Rebellion (von 1996 bis 2006) verschärfte die Situation zusätzlich. Nach dem Waffenstillstand von 2006 begannen junge Männer und Frauen, das Land auf der Suche nach Arbeit zu verlassen, in Richtung der Arbeitsmärkte in den Golfstaaten und Malaysia.
Die Abwanderung hält auch heute noch an – täglich verlassen 1500 bis 2000 Menschen Nepal. Obwohl die meisten von ihnen Überweisungen schicken und für eine kurze Atempause von ein paar Monaten zurückkehren, ziehen sie nicht zurück in ihre Dörfer, um ihr eigenes Land zu bestellen oder zu pflegen (einige wurden von den maoistischen Rebellen enteignet).
Das Ergebnis: Nepals fruchtbares Land liegt weiterhin brach. Die Dörfer sind praktisch zu einem Zufluchtsort für ältere Eltern und Großeltern geworden. Es gibt keine staatliche Politik, die den Menschen Anreize gibt, ihr Land zu bewirtschaften und Getreide und Früchte anzubauen. In Ermangelung junger Leute sterben die Alten ohne angemessene Pflege und ohne Beerdigung oder Einäscherung.
Dhruba Adhikary, Nepal
euz.editor@dandc.eu
Ökosysteme und Artenvielfalt
Min Qingwen und Gua Xuan: „Natur plus Kultur“ / Interview mit Melissa de Kock: „Die Grundlage unserer Existenz“ (E+Z/D+C Digitale Monatsausgabe 2023/08, S. 23 / S. 27).
Die Beiträge habe ich mit großem Interesse gelesen. Allerdings ist Mehrfachnutzung in Reisfeldern (Reis, Geflügel, Fisch) keine chinesische Singularität. Sie ist etwa für Java dokumentiert. Alle Beispiele werden ökologisch idealisiert und harmonisiert dargestellt. Nirgends wird die Frage gestellt, warum diese Systeme geschaffen wurden und welche Arbeit zur Erhaltung notwendig ist. Es ist ja kein Zufall, dass viele dieser traditionellen Agrarökosysteme vom Verfall bedroht sind, obgleich sie eigentlich hocheffizient sind.
Es reicht zudem nicht, Globally Important Agricultural Heritage Systems (GIAHS) unter rein ökologischen Gesichtspunkten zu betrachten, es müssen auch die ökonomischen Rahmenbedingungen und besonders die Arbeitsbedingungen erörtert werden. Diese Frage ist zum Beispiel wichtig, um zu beurteilen, wie und ob die Terrassenlandschaft in Shexian erhalten werden kann oder soll.
Zum Interview mit Melissa de Kock: Ökosysteme dürfen nicht mit Artenvielfalt gleichgesetzt werden. In der Natur gibt es zahlreiche funktionierende artenarme Ökosysteme. Bei ganzjährig vorhandenen optimalen Wachstumsbedingungen entstehen Ökosysteme, die zwar artenreich aber individuenarm sind, wie der tropische Regenwald. Bei extremen Wachstumsbedingungen können sich dagegen Ökosysteme entwickeln, die zwar artenarm, aber individuenreich sind, wie die Lärchentaiga.
Artenreiche natürliche Ökosysteme sind nicht der einzige Weg, um Sauerstoff zu erzeugen. Ersetzte man beispielsweise den artenreichen tropischen Regenwald durch eine artenarme, aber individuenreiche Monokultur aus Ölpalmen, wäre dies natürlich eine ökologische Katastrophe. Aber auch die Ölpalmen würden durch Photosynthese reichlich Sauerstoff erzeugen. Allerdings steht uns Sauerstoff aus der Photosynthese nur dann zum Atmen zur Verfügung, wenn das Kohlenstoffäquivalent dauerhaft dem Naturkreislauf entzogen und in kohlenstoffhaltigen Sedimenten festgelegt wurde. Sonst wird der Sauerstoff aus der Photosynthese bei der Zersetzung der Biomasse wieder verbraucht.
Dr. Artur Behr, Hermannsburg
euz.editor@dandc.eu