Traditionelle Landwirtschaft
Traditionelle landwirtschaftliche Ökosysteme bieten eine bemerkenswerte Artenvielfalt
In manchen ländlichen Gebieten Chinas bauen die Menschen heute noch traditionell Reis auf gefluteten Terrassen an und halten in dem Wasser zugleich Fische. Solche besonderen Formen der Landnutzung haben sich über Jahrhunderte entwickelt, in enger Verbindung zur Natur. Auf der Basis uralten Wissens sind auf diese Weise nachhaltige Ökosysteme entstanden. Sie ermöglichen es den Menschen vor Ort, sich mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Zugleich werden die natürlichen Ressourcen erhalten.
Die UN-Agrarorganisation FAO (Food and Agriculture Organization) würdigt solche besonderen Ökosysteme, indem sie sie als GIAHS auszeichnet. GIAHS steht für Globally Important Agricultural Heritage Systems, also für Agrarerbe-Systeme mit international herausragender Bedeutung.
Die FAO listet 74 solcher GIAHS in 24 Ländern (Stand Juni 2023). In China liegen 19 davon. Darunter befindet sich der erwähnte traditionelle Reisanbau mit Fischhaltung, etwa im Kreis Qingtian in der östlich gelegenen Provinz Zhejiang. Andere GIAHS in China sind beispielsweise Pilzzucht in Verbindung mit nachhaltiger Forstkultur in Bergwäldern, ebenfalls in Zhejiang, und der Anbau von Jasmin und Tee in der Stadt Fuzhou.
GIAHS sind komplexe Systeme. Sie bestehen aus verschiedenen Teilen, die miteinander verwoben sind und interagieren. Ein zentrales Merkmal für GIAHS ist deshalb Vielfalt in verschiedener Hinsicht, insbesondere:
- landwirtschaftliche Artenvielfalt ,
- Vielfalt der Agrarökosysteme und Landschaften und
- landwirtschaftlich-kulturelle Vielfalt.
Artenvielfalt stärkt Ökosysteme
Landwirtschaftliche Artenvielfalt kann durch verschiedene Methoden verbessert werden. Beispielsweise können mehrere unterschiedliche Nutzpflanzen nebeneinander auf derselben Fläche angebaut werden (Mischkulturen) . Oder eine Feldfrucht folgt auf derselben Fläche auf die andere, sobald diese geerntet ist (Zwischenfruchtanbau) (Zhang et al., 2016). Auch die Einführung anderer Arten ist eine Möglichkeit. So wurden im oben genannten Beispiel Fische – und mancherorts auch Enten – in Reisfelder eingeführt.
Wo verschiedene Arten die vorhandenen Ressourcen auf je andere Weise nutzen, kann das zu positiven Wechselwirkungen führen. Im erwähnten Beispiel stellen die Reispflanzen für die Fische Futter und Schatten bereit. Die Fische dagegen fressen Schädlinge, verbessern den Boden und düngen die Pflanzen mit ihren Ausscheidungen.
Eine höhere Artenvielfalt kann so die Funktionen eines Ökosystems verbessern – und auch dessen Leistungsfähigkeit und Stabilität. Eine Studie in der Provinz Zhejiang hat beispielsweise gezeigt, dass die Reiserträge in einer Kultur mit Fischen – ohne Einsatz von Pestiziden – deutlich höher ausfallen als in einer reinen Reiskultur ohne Fische. Zudem gab es in der Kultur mit Fischen weniger Unkräuter und Schädlinge (Xie et al., 2011). Andere Studien kamen zu ähnlichen Ergebnissen.
Vielfalt der Agrarökosysteme und Landschaften
Im Zusammenspiel von Mensch und Natur sind in vielen GIAHS einzigartige Agrarlandschaften entstanden. Manche bestehen aus Waldgebieten, Grasflächen oder Ackerland, andere sind geprägt von Flüssen und Seen. Die Wohnorte der Einheimischen, die diese Landschaft seit langer Zeit prägen, sind typischerweise ebenfalls Teil der Landschaft.
Ein Beispiel dafür stammt aus Shexian, einer bergigen Region im Norden Chinas. An steilen Hängen haben die Bewohner*innen dort im Laufe der Jahrhunderte großflächige Trockenlandterrassen angelegt. So gelingt es ihnen, Wasser und Erdreich – beides knappe Ressourcen – effizienter zu nutzen. Auf den Terrassen bauen sie unter anderem Pfeffer, Walnüsse, Hirse und Mais an. Die so geschaffene Kulturlandschaft ist eine Mischung aus Steinterrassen, Wäldern, Sträuchern und Wasserläufen – und den Ortschaften im Tal. Die einzelnen Elemente sind eng miteinander verbunden und existieren harmonisch neben- und miteinander.
Landwirtschaftlich-kulturelle Vielfalt
Biodiversität ist auch eng verbunden mit kultureller Vielfalt. In den als GIAHS ausgezeichneten Gebieten haben sich die Bewohner*innen über lange Zeit hinweg an ihre natürliche Umgebung angepasst. Dieser enorme Erfahrungsschatz verschiedenster ethnischer Gruppen spiegelt sich in ihrer jeweiligen Kultur wider, die ein wichtiger Teil des GIAHS ist.
Die Dong im Süden Chinas halten beispielsweise nicht nur Fische in ihren Reisfeldern, sondern auch Enten. Diese Vielfalt in der Landwirtschaft ist eng verwoben mit der traditionellen Kultur der Dong – beispielsweise ihrer Ernährungsweise, Kleidung, Architektur oder Medizin. Auch immaterielle Aspekte wie Religion, Brauchtum und Gewohnheitsrecht in Form lokal angewandter Regeln tragen dazu bei, die landwirtschaftliche Vielfalt zu erhalten (Min et al., 2008, Zhang et al., 2016).
Schutz wertvoller Agrarlandschaften
Um besondere Agrar-Ökosysteme effizient zu schützen, sind drei Schritte wesentlich. Erstens ist es wichtig, zu verstehen, weshalb die Bewohner*innen sie überhaupt aufrechterhalten. Dafür braucht es eine tiefergehende Beschäftigung mit dem Thema – und Respekt vor den Menschen vor Ort.
Zweitens braucht es eine breite Beteiligung an Schutzmaßnahmen. China hat dafür schrittweise einen fünfstufigen Mechanismus eingeführt – für Regierungen, Unternehmen, die Wissenschaft, soziale Organisationen sowie Bauern und Bäuerinnen (Min et al., 2022). Letztere spielen eine besonders wichtige Rolle beim Schutz der Biodiversität von GIAHS.
Drittens gilt es, multidisziplinäre Forschung zu fördern (Zhang et al., 2016). Wissenschaftler*innen, Bauern und Bäuerinnen sowie andere Beteiligte sollten dabei unterstützt werden, herauszufinden, welche Leistungen bestimmte Ökosysteme für uns Menschen erbringen. Der Fokus sollte dabei auf den Beziehungen zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und dem Erhalt der Agrobiodiversität liegen. Dazu gehört auch, landwirtschaftliche Produktionsmethoden zu unterstützen, die helfen, diese Vielfalt zu erhalten.
Schutz und Produktivität
Für den Schutz der Biodiversität ist es hilfreich, wenn die GIAHS-Gebiete wirtschaftlich produktiv sind. Tatsächlich birgt das besondere ökologische Umfeld der GIAHS gute Voraussetzungen für die Produktion qualitativ hochwertiger (Bio-)Produkte. Sie lassen sich angesichts der auch in China steigenden Nachfrage nach gesünderen Lebensmitteln durchaus vermarkten.
Mancherorts ist es so gelungen, Marken zu etablieren – zum Beispiel im eingangs erwähnten Kreis Qingtian in der Provinz Zhejiang, wo Reisanbau mit Fischzucht kombiniert wird. Das GIAHS-Projekt hat die Bekanntheit von sowohl Reis als auch Fisch enorm erhöht. Das hat zur Folge, dass so produzierter Reis zu deutlich höheren Preisen verkauft werden kann als gewöhnlicher. Der Preis von Fisch ist seit Beginn des Projekts ebenfalls stark gestiegen (Zhang et al., 2016). Auch andere GIAHS in China schaffen es, ihre Produkte beachtlich zu vermarkten (Zhang et al., 2016).
Die GIAHS verbinden überliefertes Wissen um Anbautechniken mit modernen Ansätzen von Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz. Sie stehen dafür, nachhaltig und in Einklang mit der Natur zu leben und zu wirtschaften. Wir sollten sie zum Vorbild nehmen, wenn es darum geht, die großen globalen Herausforderungen anzugehen: egal ob Klimakrise, Katastrophenschutz, Ernährungssicherheit oder Biodiversitätsverlust.
Literatur
GIAHS bei der FAO:
https://www.fao.org/giahs
Min, Q., Zhang, D., 2008: Ecological connotation of some Dong Minority’s taboos. Geographical Research. (06), 1437-1443.
Xie, J, Hu, L, Tang, J, et al., 2011: Ecological mechanisms underlying the sustainability of the agricultural heritage rice-fish coculture system. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. 108(50), E1381-E1387.
Zhang, D, Min, Q, He, L, et al., 2016: Agrobiodiversity features, conservation and utilization of China’s Globally Important Agricultural Heritage Systems. Chinese Journal of Eco-Agriculture. 24(04), 451-459.
Min, Q, Luo, S, Cao, X, et al., 2022: Agri-cultural heritage: A bridge between past and the future. Journal of Agricultural Resources and Environment. 39(05), 856-868.
Min Qingwen ist Professor am Institute of Geographic Sciences and Natural Resources Research an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking.
minqw@igsnrr.ac.cn
Guo Xuan ist Doktorandin am Institute of Geographic Sciences and Natural Resources Research an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking.
guoxuan18@mails.ucas.ac.cn