Weltweit wichtiges Erbe

Weltweit wichtiges landwirtschaftliches Erbe

Die FAO (UN Food and Agriculture Organization) setzt sich für weltweit wichtige traditionelle Agrarsysteme (GIAHS – Globally Important Agricul­tural Heritage Systems) ein.
Philippinische Reisterrassen. Philippinische Reisterrassen.

Das sind ländliche Ökosysteme, in denen lokale Gemeinschaften in enger Verbindung mit der Natur leben. Bislang wurden fast 70 solcher Gebiete in 22 Ländern offiziell anerkannt. Sie zeichnen sich durch besondere Kulturen, Agrarbiodiversität und Landschaften sowie uraltes, überlieferten Wissen aus.

Jahrhundertelang haben Generationen von Menschen, die Feldbau, Fischfang, Herdenhaltung und Forstwirtschaft betrieben, komplexe Produktionsweisen gepflegt, die den örtlichen Umweltbedingungen entsprechen und für basale Lebensgrundlagen sorgen. Sie erhielten zugleich die natürlichen Ressourcen, einschließlich der genetischen Vielfalt.

Anerkennung und der Schutz solcher Gebiete sind der Zweck des GIAHS-Programms. Das entspricht verschiedenen internationalen Abkommen wie der UN-Konvention über die biologische Vielfalt (CBD – Convention on Biological Diversity) oder dem internationalen Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Nahrung und Landwirtschaft (ITPGRFA – International Treaty on Plant Genetic Ressources for Food and Agricutlure). Auch nationalstaatliche Institutionen und internationale Organisationen müssen Verantwortung übernehmen.

Felder, Herden, Fische und Wälder

Ein GIAHS darf nicht als Museum missverstanden werden. Es ist kein unveränderliches UNESCO-Weltkulturerbe. Die örtlichen Gemeinschaften haben ihre Traditionen in kleinen Schritten immer weiter verbessert und müssen das auch weiter tun, wenn ihre Gebiete nicht ökologisch und ökonomisch verarmen sollen. Die Lebensfähigkeit ihrer Ökosysteme beruht auf der Fähigkeit der Menschen, sich neuen Herausforderungen zu stellen ohne natürliche Ressourcen, kulturelle Werte oder Produktionspotenzial zu opfern. Sie verdienen Unterstützung bei der Steigerung der Erträge von Feldern, Herden, Fischfang und Wäldern.

Es geht darum, Entwicklung und Bewahrung zu verbinden, was aber nicht immer kompatibel ist. Deshalb muss geprüft werden, was die biologische Vielfalt und das traditionelle Wissen beeinträchtigen kann. Die Produktivität muss wachsen, ohne dass eines von beidem leidet. Derweil sollten die Menschen bei der nachhaltigen Ressourcennutzung auch für den Erhalt von Ökosystemdienstleistungen bezahlt werden. Auch Ökotourismus und Ökolabel können sich finanziell auszahlen.

Auf nationaler und internationaler Ebene hat sich die Politik allzu lang auf industriell betriebene Landwirtschaft konzentriert (siehe Hauptessay). Tatsächlich überlebt ein GIAHS heute typischerweise in einer schwierigen Umwelt, in der diese gar nicht möglich ist. Allerdings stehen die ländlichen Gemeinschaften wegen Weltmarkttrends, Armut und Bevölkerungswachstum unter großem Druck. Schädlich ist auch fehlgeleitete Gesetzgebung – etwa durch gemeinschaftsschädliche Eigentumsrechte.

Das Ziel muss menschliche Entwicklung sein. Das traditionelle Wissen ist wichtig, weil Resilienz und Nachhaltigkeit auf ihm beruhen. Allzu oft bekommen aber traditionelle Institutionen nicht den Respekt, den sie verdienen.

Es geht um die Zukunft, nicht um die Vergangenheit. Die Resilienz und Nachhaltigkeit jedes Agrarsystems hängen von seiner Vielfalt und der Anpassung an die Umwelt ab. Jedes GIAHS hat eine reiche und besondere biologische Vielfalt, und auch die genetische Diversität der einzelnen Spezies ist hoch. Die traditionellen Kulturen haben ganze Landschaften geprägt, gehen oft auf antike Zivilisationen zurück und sind mit den Ursprungsorten verbunden, wo bestimmte Pflanzen- und Tierarten zuerst gezüchtet wurden. Es ist wichtig, dass dies in der lebendigen Umwelt weiter geschieht, denn was in Genbanken gelagert ist, nimmt an der fortlaufenden Evolution nicht teil (siehe hierzu Melaku Worede auf www.dandc.eu).

Es gibt keine vorgestanzten Lösungen. Interventionen müssen den örtlichen Gegebenheiten entsprechen, und die dortigen Menschen müssen an den Entscheidungen beteiligt sein. Sie zu unterstützen, erfordert also viel Zeit, Geld und Pläne für dynamische Konservierung. Eingriffe müssen flexibel und experimentell angelegt sein.

Leider hat sich die FAO bisher mehr darauf konzentriert, die Zahl der registrierten GIAHS zu steigern, als die örtlichen Gemeinschaften zu fördern und für Aktionspläne zu sorgen. Wichtig ist zudem, der Weltöffentlichkeit klarzumachen, dass jedes GIAHS wegen seines Beitrags zum globalen Gemeinwohl geschützt werden muss.


Link
FAO: Das GIAHS-Programm.
https://www.fao.org/giahs/en/


Parviz Koohafkan ist Gründer und Vorsitzender der World Agricultural Heritage Foundation. Als Direktor der FAO (UN Food and Agriculture Organization) startete er vor 20 Jahren das Programm GIAHS (Globally Important Agricultural Heritage Systems).
parvizkoohafkan@gmail.com
https://worldagriculturalheritage.org/

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