Musik

Das Bündnis der Wüste

Tamikrest vereint die Musik der Tuareg mit Elementen westlicher Rockmusik. Die Band will mit Gitarren statt Waffen für die Anliegen ihrer Gemeinschaft kämpfen, die seit Jahrzehnten in der Sahara unterdrückt wird. Dieser Beitrag ist der siebte unseres diesjährigen Kultur-Spezialprogramms mit Rezensionen künstlerischer Werke mit entwicklungspolitischer Relevanz.
Tamikrest in Hamburg. picture-alliance/Jazz Archiv/Christian Fischer Tamikrest in Hamburg.

„Tamikrest“ bedeutet „Knotenpunkt“ oder „Bündnis“ auf Tamaschek, der Sprache der Tuareg. Ousmane Ag Mossa, Bandleader, Songschreiber und Sprecher der Gruppe, gründete sie 2006 zusammen mit Freund*innen in der Wüstenstadt Kidal im Norden Malis. Seit Jahren flammten dort immer wieder Kämpfe zwischen Tuareg-Rebellen und der malischen Regierung auf. Diese gipfelten darin, dass die Rebellen 2012 die Unabhängigkeit der Azawad-Region erklärten. Ein vielschichtiger Konflikt mit zahlreichen Akteuren folgte. Der zunächst als religiös neutral deklarierte unabhängige Staat zerbrach schließlich an der Einmischung islamistischer Gruppen im Azawad.

Die Geschichte der Tuareg ist bestimmt vom Kampf, als freies Volk anerkannt zu werden. Insbesondere die Regierungen Nigers und Malis unterdrücken die Gemeinschaft nach wie vor. Zunehmend wird versucht, die Tuareg mit dem globalen Dschihad, dem militärischen Kampf für die Ausbreitung des Islam, in Verbindung zu bringen, dabei ist ihr Freiheitskampf mindestens 30 Jahre älter als Gruppen wie Al-Qaida. Erst im vergangenen Jahr entbrannte der Konflikt zwischen Tuareg-Rebellen und Malis Armee erneut.

Musik statt Militär

Kindheit und Jugend der Bandmitglieder waren von den Kämpfen geprägt. Viele verloren Angehörige. In der Gründung von Tamikrest manifestierte sich ihr Entschluss, sich diesen Kämpfen nicht anzuschließen und sich stattdessen mit Musik für die Tuareg einzusetzen.

In einem Interview mit der Zeitung The Guardian erzählte Mossa, dass er eigentlich Anwalt hatte werden wollen – ein Anwalt für seine Gemeinschaft. Dass er stattdessen Musiker geworden ist, sei letztlich dasselbe.

Die Themen, die Tamikrest in ihren Liedern ausschließlich auf Tamaschek behandeln, entsprechen dieser Haltung. Es sind Weckrufe an ihre Gemeinde, sich zusammenzuschließen und über die eigene Zukunft zu bestimmen. Aber es geht auch um das Beklagen von Verlusten und um Heimatlosigkeit bei gleichzeitiger Bewunderung für die Schönheit ihres Zuhauses, der Sahara.

Ihre Musik hat Tamikrest immer wieder nach Europa geführt, wo sie mit vielen Künstler*innen zusammengearbeitet haben. Mittlerweile gibt es auch französische Bandmitglieder.

Das Leiden meiner Schwestern

Ein weiteres Thema beschäftigt Tamikrest so sehr, dass die Band ihm ein ganzes Album gewidmet hat. „Chatma“ („Schwestern“) heißt das dritte von sechs Alben, ihr bislang stärkstes Werk. Die Lieder sind in den Worten der Band inspiriert vom „Mut der Tuareg-Frauen, die sowohl das Überleben ihrer Kinder als auch die Moral ihrer Väter und Brüder gesichert haben“.

Es sind die Frauen, die in den Flüchtlingscamps der Sahara für ihre Familien kämpften, nachdem viele Tuareg aus Nordmali und anderen Gegenden fliehen mussten. Es sind aber auch die Frauen, die am stärksten unter der strengen Scharia, dem islamischen Gesetz, leiden, das islamistische Gruppen mittlerweile im Azawad durchgesetzt haben.

Der Eröffnungssong „Tisnant an Chatma“ („Das Leiden meiner Schwestern“) beschreibt diese Erfahrungen in stolzer und zugleich bitterer Poesie: „Wer kann das Leid ermessen, das die Seele empfindet / einer, die ihre Schwestern erschöpft sieht vom Warten / einer, die ihre Schwestern erschöpft sieht vom Warten zwischen Ländern, in tiefer Not / und täglicher Unterdrückung?“

Durch das Album hindurch trägt die gespenstische Stimme der Sängerin Wonou Walet Sidati im Tandem mit Mossa – zusammen mit mehreren meist elektrischen Gitarren. Im Hintergrund trommelt Schlagzeug gegen Djembé an.

Die Mitglieder von Tamikrest kombinieren Rockmusik mit Elementen der musikalischen Tradition der Tuareg. Sie folgen damit ihrem Vorbild Tinariwen, einer Tuareg-Band, die diesen „Wüsten-Blues“ bereits in den 1980er-Jahren prägte, entwickelten aber ihren eigenen, moderneren Sound. Das merkt man bei Liedern wie „Imanin bas zihoun“ oder „Djanegh etoumast“, deren vorwärtsdrängende Gitarren nicht zum Bild der ruhigen, weiten Sahara passen wollen.

„Tamikrest“ kann auch „Wegkreuzung“ oder „Zukunft“ bedeuten. Mossa sagte im Guardian, dass das einzige Anliegen seiner Musik das Anliegen der Tuareg sei – und der Traum von der Unabhängigkeit seines Volkes kompromisslos.

Link
https://www.tamikrest.net/

Katharina Wilhelm Otieno ist Redakteurin bei E+Z/D+C.
euz.editor@dandc.eu