Gesellschaftliche Interessen
Gemeinwohl nicht mächtigen Milliardären überlassen
Einer aktuellen Studie von UBS und PwC zufolge stieg die Zahl der Milliardäre weltweit von Ende 2017 bis Juli 2020 um 31 auf 2189 – und ihr Gesamtvermögen um 12,7 Prozent auf 10,2 Billionen Dollar. Die Covid-19-Pandemie habe den Trend beschleunigt, heißt es in dem Dokument mit dem Titel „Riding the Storm“.
Wie die Autoren festhalten, profitierten Milliardäre besonders von Investitionen in High-Tech-Branchen. Die Pandemie beschleunige Digitalisierung und Vernetzung. Das Jahr 2020 werde als ein entscheidendes Jahr in die Geschichte eingehen.
Probleme lösen
Die Studie weist andererseits darauf hin, dass die Pandemie Millionen Menschen weltweit Armut, Obdachlosigkeit, Hunger und Not erleiden lässt. UBS und PwC appellieren an die Superreichen, sich intensiv mit Philanthropie und Nachhaltigkeit zu beschäftigen, um immer deutlicher werdende ökologische und gesellschaftliche Probleme zu lösen. Innovationen könnten dabei helfen.
Mit Bezug auf das PwC Technology Team heißt es in der Studie, es komme in den nächsten drei bis fünf Jahren auf acht spezifische Technologiefelder an:
- künstliche Intelligenz,
- augmented Reality,
- Blockchain,
- virtual Reality,
- Drohnen,
- Internet der Dinge,
- 3D-Druck und
- Robotik.
Die Studie stützt sich auf das Narrativ, dass Philanthropie komplexe soziale Probleme löst. Die Studie erläutert aber nicht, wie solche Innovationen zu Klima- oder Umweltschutz beitragen sollen. Sie geht auch nicht darauf ein, dass es Interessengegensätze und Machtgefälle gibt. Lösungen, die Milliardäre gut finden, entsprechen nicht unbedingt dem Gemeinwohl – zumal unterschiedliche Interessengruppen unterschiedliche Vorstellungen vom Gemeinwohl haben (siehe Barbara Unmüßig in E+Z/D+C e-Paper 2017/12, Schwerpunkt). Aus Sicht von Leuten wie Silicon-Valley-Milliardär Peter Thiel sind Demokratie und Freiheit unvereinbar, weil Mehrheiten den Handlungsrahmen der Finanzelite begrenzten. Auf solche Fragen gehen UBS und PwC jedoch nicht ein.
Rechtspopulisten
Derweil nehmen in den Sozialwissenschaften die Stimmen zu, die warnen, Rechtspopulismus wende sich zunehmend zugunsten der Superreichen gegen demokratische Strukturen (siehe zum Beispiel Hans Dembowski in E+Z/D+C e-Paper 2019/09, Monitor). Ein aktuelles Beispiel bietet das neue Buch (2020) von Jacob S. Hacker von der Yale University und Paul Pierson von der University of California.
Es behandelt den allmählichen Wandel der Republikaner in den USA zu einer Partei, die Machtausübung ohne Zustimmung der Wählermehrheit anstrebt, indem sie systematisch Regeln und Institutionen ausnutzen, die ihnen Kontrolle dennoch ermöglichen. Dazu zählen die Autoren das Electoral College, den Supreme Court, aber auch den Kongress, in dem ländliche Regionen über- und Ballungsgebiete unterrepräsentiert sind.
Ausgangspunkt der Überlegungen ist, was Hacker und Pierson das „konservative Dilemma“ nennen. Wer den Status quo verteidige, diene tendenziell den Interessen wohlhabender Eliten und tue sich folglich schwer, Mehrheiten zu gewinnen. Typischerweise verbinden konservative Volksparteien deshalb Identitätspolitik mit der Betonung von Werten und versuchten so, eine möglichst breite Basis zu erreichen.
Reiche werden reicher
Hacker und Pierson zufolge verfolgen die Republikaner eine andere Strategie. Ihre Politik (Steuersenkung und Kürzung von Staatsausgaben) mache die Reichen noch reicher. Den meisten Amerikanern gefalle das nicht, aber aggressiv spaltende republikanische Propaganda lenkte sie von solchen Tatsachen ab. Die Gegenpartei werde als korrupt und unverantwortlich angegriffen, wobei die Rhetorik oft rassistische Untertöne habe. Typisch sei etwa die permanente Klage über Wahlbetrug, für den Republikaner aber seit Jahren Belege schuldig bleiben. Sie werde schon so lange geführt, dass viele Menschen den Lügen des Wahlverlierers Donald Trump, er habe eigentlich gewonnen, Glauben schenken. Die beiden Wissenschaftler erinnern daran, dass die Republikaner in vielen Bundesstaaten das Wahlgesetz so verschärft haben, dass es ärmeren Bevölkerungsgruppen schwerer falle, ihre Stimme abzugeben, weil etwa Ausweise verlangt würden, die diese Menschen oft nicht besitzen.
Andererseits bieten die Republikaner keine Konzepte für echte Probleme wie Klimawandel oder das neue Coronavirus an. Sie entsprechen mithin Jan Werner Müllers Definition einer populistischen Partei (siehe Hans Dembowski in E+ Z/D+ C e-Paper 2017/02, Schwerpunkt). Diesem Politikprofessor von der US-Universität Princeton zufolge bezeichnen sich diese als unmittelbare Vertreter eines als homogen verstandenen Volkes, zu dem niemand gehöre, der sich gegen sie stelle. Sie bestritten die Legitimität aller anderen politischen Kräfte und versuchten, sobald sie an die Macht kämen, Regeln und Institutionen so zu verändern, dass sie nicht mehr abgewählt werden können.
Trump hat die Wahlen im November verloren und dann im Januar Krawalle in Washington mit angestiftet. Die Republikaner sind nun gespalten, denn einige wollen sich von ihm lösen, aber alle hoffen weiterhin, seine Wähler anzusprechen. Die neue Kluft wird es ihnen vielleicht schwerer machen, Regeln und Institutionen, die laut Hecker und Pierson eigentlich für Minderheitenschutz gedacht sind, für Minderheitenherrschaft zu nutzen. Die beiden Autoren lassen keinen Zweifel daran, dass die Republikaner ein großes Geschick entwickelt haben, ihre Politik gegen den Mehrheitswillen durchzusetzen. Als Beispiele dienen Entscheidungen des Supreme Court, Wahlkampfspenden von Großunternehmen nicht zu begrenzen, es aber Gewerkschaften schwerer zu machen, Belegschaften wirkungsvoll zu vertreten.
Quellen
Hacker, J. S., und P. Pierson, 2020: Let them eat tweets – How the right rules in an age of extreme inequality. New York, Liveright/London, W.W. Norton.
UBS and PwC, 2020: Riding the storm – Market turbulence accelerates diverging fortunes.
https://www.ubs.com/content/dam/static/noindex/wealth-management/ubs-billionaires-report-2020-spread.pdf