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Covid-19

In Afrika sind Strategien zur Corona-Eindämmung gescheitert

In Afrika sind Corona-Todesraten niedrig, die Impfquoten allerdings auch. Künftige Viruswellen könnten den Kontinent härter treffen – dabei hat der Einbruch der Wirtschaft schon jetzt viel Leid verursacht.
Krankenpflegerin in Kenia bereitet eine AstraZeneca-Impfung vor, Januar 2022. picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Brian Inganga Krankenpflegerin in Kenia bereitet eine AstraZeneca-Impfung vor, Januar 2022.

Nachdem die Corona-Fallzahlen in Afrika in der zweiten Januarwoche 2022 die 10-Millionen-Marke rissen, sehen sich Gesundheitsbehörden gezwungen, die Strategie zu wechseln. Bis zum 12. Januar waren 10,2 Millionen Fälle erfasst, darunter 232 770 Tote und 9,2 Millionen Genesene, wie das Africa Centre for Disease Control (Africa CDC) berichtet. Spitzenreiter unter den Ländern ist Südafrika mit 3,5 Millionen Fällen, gefolgt von Marokko und Äthiopien mit einer Million beziehungsweise 450 000 Fällen.

Da die Fallzahlen weiter steigen, sprechen Experten davon, dass das Virus endemisch wird. Das bedeutet, es kommt dauerhaft gehäuft vor – nicht aber, dass es deswegen harmlos wäre. Beispielsweise ist auch Malaria in Afrika endemisch.

„Wir haben uns vom Eindämmungsdenken verabschiedet“, sagt John Nkengasong vom Africa CDC. „Das Virus ist überall.“ Ein Lichtblick ist laut dem Gesundheitsexperten, dass Impfungen helfen. Wer geimpft ist, kann zwar erkranken, aber muss mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ins Krankenhaus. Nkengasong fordert, sowohl Impfungen als auch Coronatests auszuweiten.

Niedrige Impfquoten

Leider sind die Impfprogramme in Afrika nicht nennenswert vorangekommen. Verglichen mit anderen Weltregionen sind die Impfquoten katastrophal niedrig. Von den knapp 8 Milliarden Dosen, die bis Mitte Januar weltweit verimpft wurden, fallen nur drei Prozent auf afrikanische Länder, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtet. Bislang haben nur etwa acht Prozent der afrikanischen Bevölkerung den vollen Impfschutz. In Ländern mit hohem Einkommen liegen die Quoten zwischen 60 und mehr als 90 Prozent.

Immerhin: die Impfstoffversorgung hat sich in Afrika verbessert. Im Januar standen den Gesundheitsbehörden mehr als 500 Millionen Dosen zur Verfügung. Experten forderten die nationalen Regierungen auf, sich nachdrücklich für die Verteilung der Impfstoffe einzusetzen. „Wir befinden uns in einem entscheidenden Moment“, sagte Richard Mihigo von der WHO.

Zu nahe am Verfallsdatum  

Viele Herausforderungen liegen auf der Hand, darunter mangelnde Finanzierung, Fachkräftemangel, unzureichende Kühlketten und zu wenig digitalisierte Datenverarbeitung. Hinzu kam, dass wohlhabende Länder überschüssigen Impfstoff schickten, der nahe am Verfallsdatum war. Dass die meisten der gespendeten Arzneimittel eine kurze Haltbarkeit hätten, berichteten in einer Stellungnahme Ende des vergangenen Jahres auch zwei wichtige Organisationen: der African Vaccine Acquisition Trust, eine Behörde der Afrikanischen Union, und das WHO-Programm COVAX, das steht für „Covid-19 Vaccines Global Access“.

Tatsächlich mussten afrikanische Länder mehrfach abgelaufenen Impfstoff wegwerfen. Malawi machte eine entsprechende Ankündigung im April 2021 (siehe Nowadays von Raphael Mweninguwe auf www.dandc.eu). Im Dezember entsorgte Nigeria mehr als eine Million abgelaufene Dosen von AstraZeneca. Im Januar erklärte das Gesundheitsministerium in Uganda, dass 400 000 Dosen, die meisten von Moderna, unbrauchbar geworden waren.
 
Adhere Cavince, ein kenianischer Intellektueller und Experte für internationale Beziehungen, sagt, abgelaufene Impfstoffe an Afrika zu spenden stehe im Widerspruch zur Solidaritätsrhetorik der Regierungen in der Pandemie. Die einzige Möglichkeit für afrikanische Länder, hinreichenden Zugang zu Impfstoffen zu erhalten, besteht seiner Ansicht nach darin, die Produktion vor Ort zu fördern (siehe Mirza Alas auf www.dandc.eu).

Positiv zu bewerten ist, dass die Covid-Todesraten in afrikanischen Ländern unter denen anderer Weltregionen liegen. Die genauen Gründe dafür sind noch nicht hinreichend erforscht. Höchstwahrscheinlich spielt das geringe Durchschnittsalter in afrikanischen Ländern eine Rolle. Andere Gründe sind das heiße Klima und, dass viele Menschen in ländlichen, dünn besiedelten Gegenden leben. Außerdem wird angenommen, dass sich viele Menschen in Afrika an die Hygieneregeln gehalten haben. Andererseits sind die finanziell und personell schlecht ausgestatteten Gesundheitssysteme vermutlich daran gescheitert, alle Corona-Infektionen zu diagnostizieren und zu erfassen – insbesondere in entlegenen Gegenden.

Hoher wirtschaftlicher Preis

Frühzeitige Lockdowns haben wohl auch geholfen – aber der Preis für die Wirtschaft war hoch. Laut Weltbank schrumpfte Afrikas Wirtschaft 2020 um 3,3 Prozent, nach 2,4 Prozent Wachstum im Vorjahr. Der Kontinent stürzte damit in die erste Rezession seit 25 Jahren. Armut und Ungleichheit haben sich verschärft (siehe beispielsweise den Beitrag von Ronald Ssegujja Ssekandi über Uganda auf www.dandc.eu).

Der Einbruch der Weltwirtschaft, Reiseverbote und Störungen in internationalen Lieferketten haben auch Afrika getroffen. Die Exporte und Importe lagen 2020 schätzungsweise ein Drittel unterhalb der Werte aus 2019, dem Jahr bevor die Pandemie den Kontinent erreichte. Die Internationale Luftverkehrsvereinigung (International Air Transport Association) schätzt, dass afrikanische Airlines wegen Covid-19 bis März 2020 mehr als 4 Milliarden Dollar Umsatz verloren.

Die Omikron-Variante, verantwortlich für die vierte Covid-Welle, wurde im dritten Quartal 2021 in Südafrika entdeckt. Nach einem sechswöchigen Anstieg der Infektionszahlen in Afrika ist die Kurve nach WHO-Angaben mittlerweile weitgehend abgeflacht. Gleichwohl sind die Fallzahlen in Nord- und Westafrika immer noch hoch. Hospitalisierungs- und Todesraten blieben glücklicherweise niedrig.  

Matshidiso Moeti, die Regionaldirektorin der WHO für Afrika, sagt, die vierte Welle sei kurz gewesen, dafür steil und trotz allem destabilisierend. „Die nächste Welle könnte nicht so nachsichtig sein“, warnt sie. In ihren Augen ist die Impfung die entscheidende Gegenmaßnahme. Deshalb müssten die entsprechenden Programme Fahrt aufnehmen.

Ben Ezeamalu arbeitet als Journalist für die Premium Times in Lagos.
ben.ezeamalu@gmail.com
Twitter: @callmebenfigo