Bizarrer Sextourismus

Short-term relationship

Im indischen Hyderabad heiraten wohlhabende arabische Männer für ein paar Monate junge Frauen aus armen muslimischen Familien. Nach ein paar Monaten kehren sie geschieden und ohne weitere Verpflichtungen wieder heim. Die Bräute bekommen einen kurzen Einblick in ein Leben im Wohlstand, und ihre Eltern brauchen kein Geld für die Mitgift einer regulären Ehe aufzuwenden.
Ein Motorrikscha-Fahrer erwartet umgerechnet rund 1300 Euro als Mitgift. Olaf Krüger/Lineair Ein Motorrikscha-Fahrer erwartet umgerechnet rund 1300 Euro als Mitgift.

Hyderabad ist eine südindische Stadt mit fast 7 Millionen Einwohnern. Sie war früher die Hauptstadt eines Feudalstaats, den der Nizam, ein muslimischer König, regierte. Die Altstadt stammt aus dem Mittelalter. Dort leben einerseits seit langem etablierte Eliten und andererseits Landflüchtige, die sehr arm sind und erst vor einiger Zeit in die Stadt gekommen sind.

Die Choush-Araber sind eine elitäre Gruppe. Sie kamen ursprünglich im 18. Jahrhundert aus dem Jemen nach Hyderabad und stellten Offiziere in der Armee des Nizam. Sie hielten mit Ehe-Allianzen den Kontakt zur Heimat. Wie anderen sozialen Gruppen schnell auffiel, haben die Choush-Araber keine Mitgift-, sondern eine Brautpreistradition. Brautpreise haben zwar auch Nachteile (siehe hierzu Artikel von Philip Thon Aleu und Parach Mach und von Angelina Diesch und Moses Ntenga.), aber immerhin legen sie nahe, dass junge Frauen etwas wert sind. Das Mitgiftsystem macht sie dagegen zu einer Last (siehe Kasten).

Die Choush-Araber zahlen noch Brautpreise, und ihre Tradition hat eine bizarre Art von Ehe-Markt entstehen lassen, der eigentlich auf Sextourismus hinausläuft, aber nicht als solcher wahrgenommen wird. Junge Frauen aus Altstadtslums heiraten für befristete Zeit arabische Männer, die sich später scheiden lassen und allein in den Mittleren Osten zurückkehren.

Die Fähigkeiten, die auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt werden, fehlen den Landflüchtigen meist, also schlagen sie sich als Tagelöhner im informellen Sektor durch. Sie bleiben entwurzelt und mittellos, aber finden dennoch, dass zu einer Ehe eine Mitgift gehört. Egal, wie hübsch ein Mädchen auch sein mag, wenn sie einen Ehemann aus ihrer eigenen sozialen Gruppe finden soll, müssen ihre Eltern eine Mitgift bezahlen.

Junggesellen sehen die Höhe der Mitgift als Maßstab für ihren eigenen Wert. Mir wurde gesagt dass ein Motorrikscha-Fahrer derzeit 100 000 Rupien (etwa 1300 Euro) für angemessen hält. Junge Männer sagen, sie fühlten sich ohne Mitgift „wie Bettler“. Ihre Familien würden solch ein Arrangement auch sicherlich nicht akzeptieren. Zivilgesellschaftliche Organisationen, welche die Mitgiftpraxis bekämpfen, finden in diesem Szenario kaum Gehör.

Angesichts der Not vieler mittelloser muslimischer Familien ist ein perverser Markt entstanden. Arabische Männer aus dem Mittleren Osten wohnen in Hotels in der Nähe der Altstadtslums. Diese „Scheichs“ wählen sich eine Frau von einer Liste junger muslimischer Frauen, und bald darauf findet eine förmliche Ehe statt. Zugleich werden aber auch die Scheidungsdokumente vorbereitet und unterschrieben. Der Bräutigam legt gleich am Anfang fest, wie lang er mit der Frau zusammen sein wird. Normal sind ein bis drei Monate.

Die Männer reisen mit Touristenvisa ein und kehren später ohne weitere Verpflichtungen heim. Den Kontakt stellen meist Arbeitsmigranten her, die wegen Jobs aus Hyderabad in den Mittleren Osten gezogen sind. Sie verdienen sich so ein bisschen Geld hinzu.

Den Mädchen wird gesagt, dass es ihnen im Hotel gutgehen wird und sie regelmäßig zu essen bekommen. Außerdem kriegen sie neue Kleider und begleiten ihre „Ehemänner“ auf Ausflügen. Sie bekommen einen kurzen Eindruck vom Leben in Wohlstand, aber dieses Glück währt nur kurz.

Die Familien freuen sich über den Brautpreis, von dem sie meist ein paar Monate leben können. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Tochter nun offiziell geheiratet hat, so dass keine Mitgift mehr gebraucht wird. Der Nachteil ist selbstverständlich, dass sie nach einigen Wochen verlassen wird und dann für eine gewöhnliche Ehe nicht mehr in Frage kommt. Zweitehen werden sozial zwar akzeptiert, aber nur alte, geschiedene und verwitwete Männer zeigen Interesse an den jungen geschiedenen Frauen.

Scheich-Ehen sind ein deprimierendes Phänomen. Ein Sozialarbeiter bezweifelt, dass es sich um eine echte Ehe handelt, wenn von Anfang an die Scheidung geplant wird. Örtliche Organisationen sagen aber, dass sie nichts tun können. „Sie ist ihre Tochter“, sagt der Sozialarbeiter, „was sollen wir sagen, wenn sie sie mit einem Scheich verheiraten?“ Für ein paar Rupien zerstörten Eltern das Leben ihrer Töchter.

Es ist leicht, den Familien Vorwürfe zu machen, aber damit werden letztlich die Opfer beschuldigt. Das eigentliche Problem ist, dass viele Familien einfach keine Mitgift finanzieren können. Aus diesem Grund können wohlhabende Männer aus arabischen Ländern ein paar Wochen lang junge indische Frauen ausbeuten.

Scheich-Ehen sind im Kern kommerzielle Transaktionen mit jungen Frauen als Rohstoff. Formal ähneln sie der Tradition der Choush-Araber, die seit mehr als 100 Jahren die Verbindung zur Heimat aufrechterhält. Scheich-Ehen sind dagegen nie auf Dauer angelegt.


Nilanjana Ray ist Juniorprofessorin am Hyderabad Campus des Tate Institute of Social Sciences.
nilanjan.ray@tiss.edu