Sommer-Special
Mord, Sex und eine besondere Schwesternbeziehung
Schon der Titel macht sofort klar, worum es geht: „Meine Schwester, die Serienmörderin“. Der Roman beginnt auch gleich in medias res. Korede wird von ihrer Schwester Ayoola an den Ort des Geschehens gerufen, die Wohnung von Ayoolas Liebhaber Femi irgendwo in Nigerias Hauptstadt Lagos. Dort hat Ayoola Femi „versehentlich“ erstochen, und Korede muss helfen. Auch wenn diese entsetzt über die Tat ihrer Schwester ist, hilft sie ihr, die Leiche zu beseitigen und den Tatort picobello zu reinigen, um alle Spuren zu beseitigen.
Die Morde einer jungen, extrem attraktiven Frau an Männern sind irrwitzig und auch ihr Umgang damit. Ayoola hat kein Schuldbewusstsein, sie behauptet auch, die Morde an ihren Liebhabern seien nicht absichtlich passiert. Die Gründe, die sie anführt, scheinen aber eher fadenscheinig. Das Setting erinnert an einen Quentin-Tarentino-Film.
Die Taten Ayoolas stehen eigentlich gar nicht so sehr im Mittelpunkt der Geschichte, sondern die Beziehung der Schwestern. Im Laufe des Buches wird immer deutlicher, wie ungleich sie sind. Ayoola, die jüngere, ist ein Sexidol, dem jeder Mann, der sie sieht, sofort verfällt. Sie hält nicht viel von Männern. Sie benutzt sie allein für ihre Zwecke, ohne dass die von ihrer Attraktivität Geblendeten etwas davon bemerken. Deshalb scheint ihr das Ermorden auch keine moralischen Bedenken zu bereiten. Wenn es Probleme (wie einen neuen Mord) gibt, ruft sie ihre ältere Schwester.
Korede ist das Gegenteil von Ayoola. Sie ist gewissenhaft, verlässlich und überlegt. Äußerlich ist sie unscheinbar, „groß und kantig“. Korede arbeitet als Schwester in einem Krankenhaus und steht kurz davor, zur Oberschwester ernannt zu werden. Sie ärgert sich über Ayoola, die ihr immer wieder Schwierigkeiten bereitet, und fühlt sich doch für sie verantwortlich.
Korede ist heimlich in den gutaussehenden Arzt Tade verliebt, der in ihr aber nichts als einen Kumpel sieht. Die Beziehung der Schwestern wird auf eine harte Probe gestellt, als Ayoola Tade kennenlernt, der ihr natürlich sofort mit Haut und Haaren verfällt.
Neben der Beziehung der Schwestern wird auch die Beziehung von Frauen und Männern beleuchtet. Zum einen gibt es die Liebhaber von Ayoola, zum anderen tauchen aber auch einige Polizisten – alles Männer – im Buch auf, die nicht gut wegkommen. Sie werden als einfältig und korrupt dargestellt. Als Korede in eine Polizeikontrolle mit ihrem Auto gerät, in dem sie die Leiche Femis transportiert hat, bekommt sie es mit der Angst zu tun. Trotzdem weiß sie aber, wie sie mit dieser Art Amtsträger umgehen muss, und verhält sich devot vor den Männern. Ihr Plan geht auf und sie kann unbehelligt weiterfahren.
Oyinkan Braithwaite, Jahrgang 1988, wurde in Lagos geboren und verbrachte ihre Kindheit in Nigeria und Britannien. Sie hat Jura und kreatives Schreiben in Surrey und London studiert und lebt seit 2012 in Lagos. Zum Hintergrund ihres Buches sagte Braithwaite dem britischen Guardian, dass sie beinahe an ihren Ansprüchen gescheitert wäre. Sie hatte sich vorgenommen, einen großen Roman zu schreiben, kam damit aber nicht voran. Um ihren 30. Geburtstag herum gab sie schließlich auf. „Ich schreibe einfach etwas für mich, das macht Spaß“, beschloss sie laut Guardian. Heraus kam nicht der große tiefgründige Roman, der die Welt erklärt, dafür aber ein unterhaltsamer Kriminal roman, den man gern liest. Man darf gespannt sein, was von dieser hoffnungsvollen Autorin noch kommt.
Buch
Braithwaite, O., 2020: Meine Schwester, die Serienmörderin. Berlin, Blumenbar Verlag.