Finanztransparenz
USA an der Spitze des aktuellen Financial Secrecy Index
Das in Britannien ansässige Tax Justice Network (TJN) urteilt, G7-Nationen trügen dazu bei, dass russische Oligarchen ihren Reichtum verbergen könnten. In einer Zeit, in der sie Russlands Angriff auf die Ukraine mit wirksamen Sanktionen ahnen wollten, sollten sie einen strengen Blick auf sich selbst werfen, urteilt TJN-Geschäftsführer Alex Cobham. Intransparente Finanzverhältnisse ermöglichen grundsätzlich Steuerhinterziehung, Korruption, Geldwäsche und fragwürdige Transaktionen. Sie machen auch wirksame Sanktionen schwieriger.
Anhand von 20 Indikatoren bewertet das TJN, inwiefern ein Land Intransparenz ermöglicht. Zu den Kriterien gehören Gesetze über Bankgeheimnisse, die Qualität von Firmenregistern und die Bereitschaft zur internationalen Kooperation bei steuerrelevanten Informationen. Je mehr Lücken ein nationales Finanzsystem hat, desto mehr bietet dieses Land im FSI-Sprachgebrauch „Geheimnisdienstleistungen“ an.
Dank Reformen in verschiedenen Ländern und verstärkter grenzüberschreitender Zusammenarbeit wächst die Transparenz laut TJN insgesamt. Fünf G7-Mitglieder bremsten die Entwicklung aber. Wegen der USA, Britannien, Deutschland, Italien und Japan sei der internationale Fortschritt nur halb so schnell, wie er sonst wäre, urteilte Cobham im Mai. Dem aktuellen FSI zufolge sind die zwölf wichtigsten Sünder:
- USA
- Schweiz
- Singapur
- Hongkong
- Luxemburg
- Japan
- Deutschland
- Vereinigte Arabische Emirate
- Britische Jungferninseln
- Guernsey
- China
- Niederlande
Britannien folgt auf Rang 13 hinter zwei abhängigen Territorien (Jungferninseln und Guernsey). Die jeweiligen Staaten ermöglichen Intransparenz auf verschiedene Weisen, das TJN erkennt aber Muster. Wenn Firmen Transaktionen vornehmen können, ohne ihre Eigentümer zu nennen, hilft das Mafiaorganisation oder korrupten Politikern, Schwarzgeld zu waschen. Immobilienanlagen dienen oft dazu, Vermögen zu verbergen, besonders wenn anonyme Firmen involviert sind. Wo Whistleblower in Finanzinstitutionen bestraft werden, werden Finanzgeheimnisse seltener gelüftet. Lasche Strafverfolgung ist ein weiteres Problem. Deutschland wirft das TJN ausdrücklich vor, neue Transparenzregeln ohne Nachdruck umzusetzen.
Das FSI wird alle zwei Jahre erstellt. Diesmal wurden 141 Territorien untersucht. Der Index bewertet auch, wie wichtig sie jeweils für die Weltwirtschaft sind. Spitzenreiter agieren also nicht unbedingt am intransparentesten, aber ihre internationale Bedeutung wird für besonders groß gehalten.
Methodisches Problem
Die Methode, nach der der FSI ermittelt wird, ist kompliziert. Das gilt selbstverständlich für alle Indizes, die mehrere Aspekte eines Phänomens erfassen sollen. Es lässt sich immer darüber streiten, was wie stark gewertet werden soll, sodass Indizes grundsätzlich nie so objektiv sind, wie ihre klaren Zahlen erscheinen. Intransparenz ist allerdings besonders schwer zu messen, da Geheimnisse per Definition unbekannt sind. Folglich gibt es kaum unmittelbare Daten. Auch raffinierte mathematische Modelle geben nur Hinweise auf die Realität, offenbaren sie aber nicht.
Intransparenz hat jedoch große internationale Relevanz, weil sie Superreichen ermöglicht, staatlichen Regeln zu entkommen (siehe Hans Dembowski auf www.dandc.eu). Das TJN spricht sich für die Einrichtung eines internationalen Anlageregisters aus, das alle Menschen mit einem Privatvermögen von mehr als 10 Millionen Dollar erfassen sollte. Als vermutlich profiliertesten Politiker, der dies unterstützt, nennt das TJN Mario Draghi, den italienischen Premierminister und früheren Präsidenten der europäischen Zentralbank. Prominente Ökonomen wie Joseph Stiglitz, Thomas Piketty und Gabriel Zucman seien ebenfalls mit an Bord.
Link
Tax Justice Network, 2022, Pressemitteilung
https://taxjustice.net/press/us-tops-financial-secrecy-ranking-as-g7-countries-upend-global-progress-on-transparency/
Chimezie Anajama hat diesen Beitrag als Praktikantin bei E+Z/D+C geschrieben.
vivienchime@gmail.com
Twitter: @mschimezie