Machtmissbrauch

Korruption international bekämpfen

Korruption untergräbt Demokratien und stützt Autokratien. Im Kampf gegen sie gibt es zwar Fortschritte, gleichwohl besteht international großer Nachholbedarf.
Antikorruptionsproteste in Guatemala im September. picture-alliance/REUTERS/Josue Decavele Antikorruptionsproteste in Guatemala im September.

Weltweit nehmen Demokratie und Freiheit schon seit 17 Jahren in Folge ab, wie die NGO Freedom House in ihrem Report „Freedom in the World 2023“ feststellt. Der Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International (TI) zeigt in den vergangenen Jahren global eher Stagnation als Fortschritt. Zwar gibt es viele, häufig länderspezifische Ursachen für populistische Regierungen, Autokratien, Militärregime und insgesamt antidemokratische Bewegungen. Dennoch ist Korruption in all ihren Schattierungen einer der wichtigsten Gründe. Wo sich politische Rechte und bürgerliche Freiheiten verschlechtern, nimmt Machtmissbrauch zum persönlichen Vorteil zu.

Korruption untergräbt Demokratie, indem sie das Vertrauen der Öffentlichkeit in Institutionen zerstört und politische Entscheidungsfindung im Interesse einiger weniger manipuliert. Sie führt dazu, dass Mechanismen zur Rechenschaftslegung ausgehebelt werden. Außerdem verzerrt sie die Märkte und den gerechten Zugang zu Dienstleistungen, vergrößert Ungleichheit und schafft Unsicherheit sowie Instabilität (TI, 2021).

Autokratische Regime leben von systemischer Korruption in großem Umfang, bis hin zu „state capture“, der Vereinnahmung staatlicher Institutionen durch private Interessen. Die G7 sprechen deshalb von Kleptokratien. In autoritären Systemen ist Macht institutionell konzentriert, und demokratische Kontrollmechanismen fehlen, was Machtmissbrauch wahrscheinlicher macht. Demokratische Institutionen hingegen verteilen Macht. Autokraten – fast alle von ihnen sind Männer – sehen Korruptionsbekämpfung als Bedrohung an, weil sie ihren Einfluss schwächt, auch im Ausland.

All das ist nicht neu, hat aber an Relevanz gewonnen, weil wir laut Democracy Index der Economist Intelligence Unit in den vergangenen Jahren immer mehr Länder an autoritäre Führer und Kleptokraten verlieren. Ebenfalls nicht neu ist, dass Populist*innen mit Antikorruptionsversprechen an die Macht kommen, nur um dann Korruptionsbekämpfung und demokratische Institutionen zu untergraben, um ihre Macht zu festigen.

Korruption im kleinen und großen Stil

In vielen Gesellschaften verfangen Korruptionsvorwürfe gegen „die da oben“, während der Alltag der Menschen geprägt ist von „petty corruption“ – kleine Beträge, die einfache Bürger*innen zahlen müssen, um öffentliche Dienstleistungen wie Behördentermine zu erhalten. Dies grenzt insbesondere marginalisierte Gruppen weiter aus und trägt zur Normalisierung systemgefährdender Formen der Korruption bei. Dazu zählt „grand corruption“: der Aufbau kleptokratischer Strukturen, die es ermöglichen, Staatsgelder umzuleiten, unter Beteiligung hochrangiger Staatsbediensteter und Politiker*innen. Das kann zu massiven Schäden führen, darunter grobe Menschenrechtsverletzungen.

Grand corruption gefährdet auch Länder, deren gesellschaftlicher Alltag als wenig korrupt gilt. In Georgien wird beispielsweise eine spezielle Form der grand corruption deutlich, die „strategische Korruption“: Eine Interessengemeinschaft aus lokalen Oligarchen und der Hegemonialmacht Russland versucht hier, die gesellschaftliche, demokratische Entscheidung einer Annäherung an die EU zu untergraben.

Autoritäre Regime setzen strategische Korruption in großem Umfang ein; unter anderem gegen westliche Demokratien, aber auch zur Durchsetzung ihrer Interessen in Ländern des globalen Südens. Ziel ist es, Entscheidungsträger*innen für die eigenen geopolitischen Ziele zu vereinnahmen, demokratische Institutionen und ganze Gesellschaften zu destabilisieren und deren nationale Sicherheit zu unterminieren. Strategische Korruption ist auf langfristige Einflussnahme ausgelegt und auch Teil des nichtmilitärischen Arsenals moderner Kriege („hybride Kriegsführung“). Wie das Beispiel Ukraine zeigt, dient sie auch der Vorbereitung von Angriffskriegen.

Tatsächlich versucht jedes Land dieser Welt, mit seiner Außen-, Wirtschafts- und Sicherheitspolitik die Umstände zum eigenen Vorteil strategisch zu beeinflussen. Der wesentliche Unterschied liegt in den Mitteln (Korruption) und den Zielen (Destabilisierung). Es ist deshalb nur recht und billig, wenn in Ländern des globalen Südens auch Interventionen westlicher Industrienationen nach diesen Kriterien bewertet werden. Und „der Westen“ ist gut beraten, sich demokratischer Willensbildung zu unterwerfen und jegliche Art der Korruption zu unterbinden. Stattdessen werden eigene Korruptionsrisiken ungern adressiert, was Länder wie Deutschland angreifbar macht.

Geld fließt in Steueroasen

Was die großen Formen der Korruption auszeichnet, sind der enorme Schaden für viele einerseits und der enorme Zuwachs an Macht und Reichtum Einzelner andererseits. Kennzeichnend ist, dass diese Gelder in großem Umfang in sogenannte Steueroasen, aber vor allem auch in westliche Länder transferiert und dort angelegt werden. Illegale grenzüberschreitende Finanzströme und Geldwäsche ermöglichen somit Korruption.

Der Nachholbedarf in der Bekämpfung ist eklatant. Wie die Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) 2022 berichtete, ist etwa Deutschland ein beliebter Zielhafen für Geld aus der ganzen Welt, das aus Organisierter Kriminalität und kleptokratischen Systemen stammt. Es lässt sich hierzulande dank Verschleierungsmöglichkeiten vielfältig anlegen. Hinzu kommen eine unzureichende Rückführung beschlagnahmter Vermögenswerte und Gelder sowie ausbleibende Entschädigungszahlungen an betroffene Gruppen. Demokratische Staaten müssen hier dringend ihre Instrumente zur Rechtsdurchsetzung prüfen und anpassen. Vielfach fehlen Kapazitäten zur Durchsetzung, teils könnte man auch am Willen dazu zweifeln.

Internationale Zusammenarbeit als Schlüssel

Die Halbzeitbilanz der Agenda 2030 zeigt, dass die Weltgemeinschaft weit hinter ihren Zielen zurückliegt. Korruption wird dabei in der Regel nicht adäquat berücksichtigt. Korruptions- und Geldwäschebekämpfung müssen daher als Voraussetzung zum Erreichen der Agenda 2030 klar identifiziert und adressiert werden, und zwar im Kontext aller 17 UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs – Sustainable Development Goals). Es gilt, den sogenannten SHE-Kreislauf zu unterbrechen: Steal-Hide-Enjoy. Solange Geldwäsche, also das Verschleiern illegalen Ursprungs (Hide), möglich ist, bleibt Korruption attraktiv als die Weise, auf die gestohlen wird (Steal). Erst wenn wir Investitionsmöglichkeiten für schmutziges Geld systematisch und effektiv verhindern, reduziert sich der Anreiz für Korruption, weil der Genuss der Gelder (Enjoy) eingeschränkt wird.

International gibt es auch Fortschritte. Korruption ist mittlerweile global strafbar und überwiegend geächtet. Die USA und die G7 haben sich dezidiert dem Kampf gegen transnationale Korruption verpflichtet. Und Erfolge etwa in Guatemala sind ein Beispiel dafür, was möglich ist, wenn Korruptionsbekämpfung Priorität hat und von der internationalen Staatengemeinschaft unterstützt wird. Irritierend ist aber die Zurückhaltung, auch von Ländern wie Deutschland, Korruptionsbekämpfung klar zu priorisieren. Es bedarf dazu umfassender nationaler Anstrengungen und der Umsetzung verbindlicher internationaler Vereinbarungen. Die Stärkung der internationalen Zusammenarbeit, um illegitime Finanzflüsse und Korruptionsvergehen aufzudecken, muss sich in nationalen Gesetzen niederschlagen.

Eine starke Zivilgesellschaft, freie Medien und eine unabhängige Justiz sind Grundlagen einer resilienten Demokratie. Demokratische Staaten sollten deshalb:

  • die Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und Politik fördern,
  • länderspezifische Antikorruptionsmaßnahmen erarbeiten,
  • Sanktionsmechanismen etablieren,
  • Verantwortliche in Politik und Wirtschaft sensibilisieren,
  • staatliches Handeln transparenter machen, etwa mit einer umfassenden Rechenschaftspflicht sowie Lobby- und Transparenzregistern und
  • unabhängige, investigative Medien stärken und Whistleblower schützen.

Neben der Priorisierung der Korruptionsvorbeugung und -bekämpfung auf Regierungsebene ist eine nationale Antikorruptionsstrategie zu erarbeiten, um alle Maßnahmen aufeinander abstimmen zu können und einen klaren Fahrplan zu haben. Letztlich gilt es, Korruption auch als Bedrohung nationaler Sicherheitsinteressen konsequent anzuerkennen und anzugehen.

Links

TI: Korruptionswahrnehmungsindex 2022.
https://www.transparency.org/en/cpi/2022

TI, 2021: Addressing corruption as a driver of democratic decline.
https://www.transparency.org/en/publications/summit-for-democracy-2021-addressing-corruption-democratic-decline

Bernhard Amler gehört dem Vorstand von Transparency International Deutschland (TID) an.
bamler@transparency.de

Christoph Kowalewski ist Mitglied der Arbeitsgruppe Staatliche Entwicklungszusammenarbeit bei TID.
ckowalewski@transparency.de