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Mafia

Warum Verbrecher mit Beamten kooperieren

Der Handel mit illegalen Drogen ist ein internationales Milliardengeschäft. Der Krieg dagegen ist seit Langem erfolglos. Menschen sind massenhaft gestorben, aber Rauschmittel bleiben erhältlich. Der brasilianische Akademiker Thiago Rodrigues betrachtet in einem aktuellen Essay die unerwünschten Folgeprobleme von Verboten.
Auf welcher Seite stehen sie? Sicherheitskräfte besetzen eine Favela im Januar 2018. Fabio Teixeira/picture-alliance/NurPhoto Auf welcher Seite stehen sie? Sicherheitskräfte besetzen eine Favela im Januar 2018.

Die Überschrift lautet „Symbiotische Verbindungen“. Erschienen ist Rodrigues’ Aufsatz im Sommerheft der Auslandsinformationen, einer Zeitschrift der Konrad-Adenauer-Stiftung. Rodrigues führt darin aus, dass die Grundlage des modernen Staats das Gewaltmonopol ist. Seine Durchsetzung wird mit der Besteuerung all derer finanziert, denen es eine gewisse Sicherheit bringt. Der Staat definiert dabei von Anfang an das Recht, hielt sich aber nicht immer selbst daran. Vorstellungen von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und sozialer Sicherung entstanden später.

Offensichtlich agieren Mafiabanden ähnlich wie Staaten, wenn sie an einem bestimmten Ort das Verbrechen so organisieren, dass alle unbehelligt bleiben, die Schutzgeld zahlen. Die Gangster kassieren Geld und versprechen Sicherheit. Wegen dieser Ähnlichkeit heißt es immer wieder, Mafia-Organisationen schüfen eine Art Parallelstaat, der mit dem eigentlichen Staat konkurriere. Rodrigues hält das für eine Fehleinschätzung. Seiner Einschätzung nach ist die Beziehung zwischen Staat und organisiertem Verbrechen meist symbiotisch.

Rodrigues nennt dafür mehrere Argumente:

  • Gerade die Illegalität macht den Drogenhandel lukrativ. Die Erfahrung vieler Jahrzehnte lehrt, dass trotz Verboten Angebot und Nachfrage auf Schwarzmärkten weiter bestehen. Dass das kriminelle Geschäft hoch riskant ist, treibt die Preise in die Höhe. Die größten Profite machen Dealer mit besonders starken und besonders abhängig machenden Drogen.
  • Wegen der hohen Gewinnmargen ist der Markt umkämpft. Konkurrenz wird aber nicht über Preise ausgetragen, denn Banden setzen örtliche Monopole mit Gewalt durch.
  • Mafiaorganisationen bieten jungen Leuten aus benachteiligten sozialen Gruppen Einkommens- und in gewissem Sinn sogar Karrierechancen. In manchen brasilianischen Favelas ist der Drogenhandel der wichtigste Wirtschaftszweig, und die Betäubungsmittel stellen dort zudem noch viele andere Jugendliche buchstäblich „ruhig“.
  • Die Banden schmieren Angehörige von Sicherheitskräften und Justiz. Typischerweise entsteht ein prekäres Gleichgewicht, das für alle Beteiligten die Risiken reduziert. Dabei winken den mächtigsten Akteuren die größten Gewinne. Das Leben der jungen Gangster aus den Slums ist meist kurz und brutal, während die Strippenzieher gut leben.
  • Gefängnisse sind für Mafiaorganisationen Orte der Vernetzung. In Brasilien haben Spitzengangster sogar aus der Zelle heraus kommandiert.

In den letzten Jahren der brasilianischen Militärdiktatur, die bis 1985 andauerte, haben sich Drogengangs in Gefängnissen mit radikalen Linken verbündet. In der Folge handelten dann politische Extremisten mit Rauschmitteln, während manche Mafia-Untergliederungen linke Rhetorik übernahmen. Rodrigues führt aber aus, dass das untypisch war, denn meist stellen die Banden die Vormachtstellung des Staates gar nicht in Frage.

Wie der Autor schreibt, bekriegen sie sich untereinander, aber schrecken vor Krieg mit den staatlichen Sicherheitskräften zurück. Sie fordern auch keine Souveränität. Wenn Polizei oder Militär gewaltsam eingreifen – so das Urteil von Rodrigues – geschieht dies häufig zu Gunsten einer Seite in einem Bandenkrieg. Rodrigues stützt sich auf brasilianische Erfahrungen, aber das Muster lässt sich auch in anderen Ländern finden.

Aus Sicht von Rodrigues schafft das Drogenverbot Probleme. Es führt beispielsweise systemisch zur Durchdringung staatlicher Institutionen durch kriminelle Netzwerke. Diese Einsicht wirft schwierige Fragen auf, denn Rauschmittel sind gefährlich. Heroin und andere Opiate können tödlich sein. Sucht zerstört Menschen und beeinträchtigt ihre Familien. Auf diese Dinge geht Rodrigues nicht ein – er warnt nur, dass die bisherige Politik solche Probleme nicht verhindert hat. Sie hat sie perpetuiert.


Link
Konrad Adenauer Stiftung – Auslandsinformationen:
http://www.kas.de/wf/de/194.23/