Gewaltsamer Konflikt
Neu entfachter Krieg gegen Drogen
Die Drogenkrise in den USA hat sich zugespitzt. Laut New York Times sind dort im vergangenen Jahr 70 000 Menschen an einer Überdosis gestorben. Zum Vergleich: Durch den Vietnamkrieg starben 58 000 Amerikaner. Nach Angaben des Nationalen Instituts für Drogenmissbrauch – einer Regierungsbehörde – haben 17 Prozent der über 26-Jährigen in den USA eigenen Angaben zufolge schon einmal Kokain konsumiert. Die Zahl der Todesfälle durch Überdosierungen von Kokain hat sich zwischen 2010 und 2017 um das 3,5-Fache erhöht.
Im Wahlkampf für das Präsidentenamt hatte Duque erklärt, der Koka-Anbau habe zugenommen, weil die vorige Regierung es zugelassen habe. Sein Vorgänger Juan Manuel Santos hatte das Besprühen illegaler Pflanzen mit Pestiziden gestoppt. Die Chemikalien hatten sich als krebserregend herausgestellt. Außerdem war seine Entscheidung wichtig für die Friedensverhandlungen der Regierung mit der FARC-EP-Miliz.
Durch repressive Maßnahmen gegen Koka-Bauern war der Bürgerkrieg in Kolumbien eskaliert – Drogenhandel und Konflikt sind eng verknüpft. Wo sich bewaffnete Gruppen niedergelassen haben, werden illegale Pflanzen angebaut und Betäubungsmittel hergestellt. Der Staat war dort weder in der Lage, Entwicklung zu fördern noch sich als legitime Kraft durchzusetzen.
Daher waren die Themen illegale Kulturpflanzen, Drogenhandel und ländliche Entwicklung bei den Friedensgesprächen zentral. Man traf Vereinbarungen, um in den Koka-Anbaugebieten Entwicklung zu fördern. Zu den relevanten Maßnahmen gehörten Ersatz von Koka-Pflanzen, Formalisierung von Landbesitz sowie Infrastrukturprogramme, um den Staat näher zu den marginalisierten Bürgern zu rücken. Die Santos-Regierung hat freiwillige Koka-Ersatzprogramme aufgelegt, von denen jedoch viele ins Schlingern geraten sind. Wissenschaftler der zivilgesellschaftlichen Organisation Fundación Ideas Para La Paz (Stiftung Ideen für den Frieden) betonen, Gründe dafür seien der Regierungswechsel und bürokratische Hürden, die durch den klientelistischen Charakter des Staates erhöht würden.
Ungewollte Nebenwirkungen
Bisher ist es nicht gelungen, illegale Pflanzen mit repressiven Maßnahmen auszurotten. Hinter dem Versprühen von Chemikalien oder der manuellen Zerstörung von Feldern steht eine einfache Idee: Kann weniger Koka geerntet werden, fehlen den Kokainproduzenten Rohstoffe, die sie zur Verarbeitung brauchen. Theoretisch wird Kokain somit teurer – weshalb die Nachfrage sinkt und weniger angebaut wird. Allerdings hinkt diese Argumentation, weil sie wichtige Aspekte ausblendet:
- Nicht die Produktion bedingt die Nachfrage, sondern umgekehrt. Der Drogenkonsum in den USA – dem weltweit wichtigsten Kokainmarkt – nimmt weiter zu, und folglich steigen die Preise. Daher wird mehr Koka angebaut und produziert.
- Drogenproduzenten können mit weniger Kokablättern inzwischen mehr Kokain herstellen. Zugleich ist Kolumbien ein riesiges Land, wo sich in abgelegenen Regionen viel Fläche für den Koka-Anbau anbietet.
- Weniger Angebot führt nicht dazu, dass Kokain unbezahlbar wird. Konsumenten – insbesondere Abhängige – sind bereit, jeden Preis zu zahlen.
- Steigt der Kokainpreis, so erhöht sich als ungewollter Nebeneffekt die Gewinnspanne beim illegalen Drogenhandel. Kriminelle haben somit die Mittel, bewaffnete Gruppen zu bezahlen und Koka-Bauern mehr Anreize zu bieten.
Kolumbien versucht seit den 1970er Jahren erfolglos, den Anbau illegaler Kulturpflanzen (Koka, Marihuana und Schlafmohn) zu unterbinden. Dutzende Milliarden Dollar wurden für Chemikalien ausgegeben, aber einige Ernten überlebten immer. Leider überlebte auch der Glaube daran, dass es möglich ist, die Kulturen auszurotten.
Zwei Faktoren heizen Kolumbiens illegale Drogenwirtschaft an: die wachsende Nachfrage in den USA und die große Armut besonders in den abgelegenen Gebieten Kolumbiens. Wenn man diese Probleme ignoriert, wird jede repressive Politik scheitern.
Aus einer nationalen Datenerhebung zur Landwirtschaft (Censo Nacional Agropecuario) 2015 ging hervor, dass 20 Prozent der Kinder zwischen fünf und 16 Jahren in ländlichen Gebieten nicht zur Schule gingen. Mehr als 70 Prozent der 17- bis 24-Jährigen hatten keinen Zugang zu formaler Bildung. Die Armutsquote in ländlichen Gebieten wurde auf mindestens 44 Prozent geschätzt. Diese Daten spiegeln die sozialen Bedingungen, die an den Orten vorherrschen, an denen Koka angebaut wird. Den betroffenen Gemeinden fehlen schlicht Alternativen, um an Geld zu kommen. Die illegale Drogenindustrie macht sich ihre Chancenlosigkeit zunutze.
Über die Jahrzehnte führte die repressive Politik zu einer Entfremdung der armen Bauern vom kolumbianischen Staat. Die illegalen Drogeneinnahmen wurden nicht weniger, stattdessen festigte sich das Geschäft, und bewaffnete Gruppen konnten engagiert werden. Für die betroffenen lokalen Gemeinschaften entwickelte sich der Staat zum Feind. Bewaffnete Gruppen wurden zu Verteidigern und der Staat zum Aggressor.
Würden sich Duque und Trump ernsthaft mit der Produktion von Drogen und Koka-Kulturen beschäftigen, würden sie keine Pestizide sprühen: Diese Strategie funktioniert nicht. Vielversprechender wäre es, eine positive staatliche Präsenz in den betroffenen Gegenden zu etablieren und die Vorherrschaft bewaffneter Milizen zu kippen. Der Staat sollte nicht nur für Sicherheit sorgen, sondern auch Infrastruktur aufbauen und gewährleisten, dass die Menschen die benötigten öffentlichen Dienstleistungen erhalten – von der Stromversorgung bis zu Gesundheitsversorgung und Bildung. Bislang ist der Staat jedoch grundsätzlich abwesend. Und da er sich nie für arme Bauern eingesetzt hat, ist es naheliegend, dass sie sich denen anschließen, die vor Ort präsent sind.
Gesundheits- und Finanzfragen
Wenn die Nachfrage in den USA zurückginge, würde das den Drogenhandel schwächen. Doch die repressive Drogenpolitik hat dieses Ziel verfehlt. Die Behörden behandeln Drogen seit Jahrzehnten als Verbrechen. Aber trotz strenger Strafverfolgung und massenhafter Inhaftierungen sank die Nachfrage nicht. Die USA wären gut beraten, Drogenmissbrauch und -sucht als gesundheitliche Probleme zu betrachten (siehe Interview mit Steve Rolles im Schwerpunkt von E+Z/D+C e-Paper 2018/12). Wenn sie das täten und kulturelle Normen im Zusammenhang mit Drogenkonsum berücksichtigten, könnten sie Erfolg haben.
Es wäre zudem wichtig, die Finanzen unter die Lupe zu nehmen. Der Fluss der enormen Summen, die der Drogenhandel einbringt, muss eingeschränkt werden. Es ist unwahrscheinlich, dass dieses Geld komplett an Finanzinstituten vorbeifließt – und befremdlich, dass Politiker, die angeblich gegen Drogen vorgehen, kaum je Probleme ansprechen, die den Gesundheits- oder Finanzsektor betreffen.
Ein erneuter Einsatz von Pestiziden wird finanzielle Anreize für bewaffnete Gruppen und Dealer schaffen und so den gewalttätigen Konflikt in Kolumbien neu entfachen. Großes Leid wird die Folge sein. Die politischen Führer, die angeblich Drogen bekämpfen, tragen in Wirklichkeit zu Sucht und Gewaltkriminalität bei. Duque ist bei Friedensgegnern beliebt, Trump mit seinen juristischen Problemen spricht von Recht und Ordnung. Perverserweise stärkt es Führer von diesem Schlag, wenn sie Probleme verschlimmern, statt sie zu lösen. Ihre Beziehung zur organisierten Kriminalität ist symbiotisch – ob bewusst oder nicht.
Fabio Andrés Díaz Pabón ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Rhodes University in Südafrika und Forscher am International Institute of Social Studies in Den Haag. Sein Buch „Truth, Justice and Reconciliation in Colombia” erschien 2018 bei Routledge.
diazpabon@iss.nl
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