Nachhaltige Entwicklung

Nepal muss Tourismuschancen nutzen

Nepal muss die Chancen des Tourismus nutzen und gleichzeitig die Folgen für Kultur und Umwelt minimieren.
Im Tourismus spielen in Nepal einheimische und indische Feriengäste eine wachsende Rolle. picture-alliance/ZUMAPRESS.com/Sunil Sharma Im Tourismus spielen in Nepal einheimische und indische Feriengäste eine wachsende Rolle.

Nepal beeindruckt durch seine imposanten Berge, allen voran den Mount Everest, den höchsten Berg der Welt. Das Land ist auch historisch interessant, denn Lumbini gilt zum Beispiel als Geburtsstätte des Gautama Buddha, des Begründers des Buddhismus. Die Artenvielfalt ist groß, und in den subtropischen Wäldern leben unter anderem Nashörner und Tiger. Gastfreundschaft ist traditionell ein Teil der nepalesischen Kultur. Auch die relativ niedrigen Preise für Unterbringung und Essen machen das Land zu einem attraktiven Reiseziel.

Nepals Regierung sieht den Tourismus als tragende Säule der Volkswirtschaft. Die Devisenreserven des Landes profitieren enorm von ausländischen Gästen. Selbst im Jahr 2022, das von pandemiebedingten Reisebeschränkungen geprägt war, trug der Fremdenverkehr sechs Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei und beschäftigte etwas mehr als eine Million Menschen.

Tourismus fördert die lokale Wirtschaft und bietet vielen Menschen in abgelegenen Bergregionen eine Lebensgrund­lage – mit Arbeit für Hotels, Trekkinganbieter, Restaurants und das Kunsthandwerk. Auch Landwirt*innen und einheimische Künstler*innen, die regional produzieren, profitieren davon.

Der Tourismus ist zudem ein wichtiger Anreiz für den Ausbau der Infrastruktur, und zwar nicht nur in der Hauptstadt Kathmandu. Die Regierung will mit Straßen, Brücken und Flughäfen entlegene Regionen leichter zugänglich machen. Hinzu kommt der Ausbau der Strom-, Wasser- und Kommunikationsinfrastruktur. Das kommt auch lokalen Gemeinden zugute. Baustellen für Hotels und andere Projekte schaffen zudem Arbeit.

Vor- und Nachteile

Dennoch ist der Tourismus ein zweischneidiges Schwert. Das gilt beispielhaft auch für den Infrastrukturausbau. In einigen Fällen werden für neue Wasserkraftwerke Täler überflutet. Dass das Wildwasser-Rafting beeinträchtigt wird, ist nur ein Randeffekt. Die Regierung hat auch den Bau von Seilbahnen genehmigt, um einige Bergorte für ältere Menschen, Eltern mit Kindern und Personen mit Behinderungen erreichbarer zu machen. Diese neuen Transportmittel verändern die Landschaft und werden zu größerem Andrang an Orten mit empfindlichen Ökosystemen führen.

Viele Feriengäste kommen wegen der Berge und der subtropischen Natur, aber ihre bloße Anwesenheit schadet der Umwelt. Schon lange gibt es Klagen über Abfall und menschliche Ausscheidungen entlang der Trekkingrouten. Der Mount Everest ist zunehmend mit Müll übersät. BBC-Recherchen ergaben 2015, dass die sterblichen Überreste von etwa 200 Menschen auf seinen Hängen liegen. Bergsteigen ist gefährlich, und viele Leichen werden nie geborgen. Fachleute schätzen, dass von 1990 bis 2019 mehr als 300 Menschen beim Auf- oder Abstieg am Mount Everest starben.

Vielerorts macht die Klimakrise das Bergsteigen noch gefährlicher. Wegen der Gletscherschmelze steigt das Risiko plötzlicher Überschwemmungen. Betroffen davon sind insbesondere die Kommunen unterhalb der Gletscher. Viele Reisende kommen per Flugzeug nach Nepal und verursachen so Treibhausgasemissionen, die die Erderhitzung weiter antreiben. Wenn der Schnee verschwindet und sich die Landschaft verändert, könnte Nepal für den Tourismus an Attraktivität verlieren.

Auswirkungen auf Kultur und Traditionen

Auch der Kulturtourismus hat Vor- und Nachteile. Menschen kommen aus dem Ausland, um das kulturelle Erbe Nepals kennenzulernen. Andererseits kann der Tourismus den Kern von Tradition und Kultur aushöhlen. Die Kommerzialisierung verstört zutiefst, wenn zum Beispiel religiöse Objekte in Souvenirläden zur bloßen Handelsware werden.

Die Architektur internationaler Hotelketten und anderer westlich orientierter Herbergen ist oft standardisiert und hat kaum nepalesische Stilelemente. Auf den Speisekarten mangelt es an heimischen Gerichten. Kleine, lokal geführte Gasthäuser sind authentischer, werden aber oft gemieden. Generell wird der Lebensstil in Nepals Städten ständig „moderner“, was gleichbedeutend mit „westlicher“ ist.

Bisher konzentrierte sich die Tourismuswirtschaft in Nepal auf ausländische Gäste. Zuletzt hat jedoch der Inlandstourismus stark zugenommen. Auch die Zahl der Besucher*innen aus dem Nachbarland Indien ist gestiegen. Ein Grund ist der Himalaya, der in der hinduistischen Mythologie wichtig ist – Mount Kailash gilt als Sitz der Götter. In Bollywood-Filmen kommen regelmäßig die schneebedeckten Berge vor. Für hitzegeplagte Menschen aus Tropengebieten erscheinen sie als kühles Paradies.

Dass sowohl der inländische als auch der indische Tourismus in Nepal zunimmt, zeugt vom wachsenden Wohlstand in beiden Ländern, die sich in vieler Hinsicht ähneln. Eine Folge davon ist, dass weniger bekannte Ziele in Nepal mehr Gäste verzeichnen. Dementsprechend verbessern sich dort die Lebensbedingungen, aber die Umwelt und einheimische Traditionen können beeinträchtigt werden.

Eine Genderperspektive

Kultureller Wandel kann auch nützlich sein, etwa in Hinblick auf Gendergerechtigkeit. 2017 wurde die Tourism Entrepreneur Women Association of Nepal (TEWAN) gegründet. Sie bietet Fortbildungen und Coachings für Führungspositionen an. Tatsächlich ergreifen Frauen zunehmend Chancen in der Branche, vor allem im Gastgewerbe, im Souvenirhandel und im Ökotourismus.

Oft sind sie in niedrigeren Positionen beschäftigt, suchen aber nach Aufstiegsmöglichkeiten. Trekking-Guides und Lastenträger sind traditionell Männer. Problematisch sind auch die ungerechten Löhne, denn Frauen werden oft schlechter bezahlt. TEWAN zeigt jedoch, dass sich das Mächteungleichgewicht im Tourismussektor verschiebt.

Nepal ist auf die Vorteile des Tourismus wie Einnahmen, Arbeitsplätze und Infrastrukturentwicklung angewiesen. Letztlich braucht es einen nachhaltigen und verantwortungsbewussten Tourismus, der die symbiotische Beziehung zwischen Fremdenverkehr, lokalen Gemeinschaften und Entwicklung fördert. Um die Überkommerzialisierung von Natur, Kultur und Umwelt zu verhindern, muss Nepal darauf achten, Entwicklung nachhaltig zu gestalten.

Rukamanee Maharjan ist Assistenzprofessorin für Recht an der Tribhuvan-Universität in Kathmandu.
rukamanee.maharjan@nlc.tu.edu.np

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