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Recht

Konflikte um Landnutzung gefährden Nahrungsmittelsicherheit in Nigeria

Nigerias Bevölkerung wächst, der Bedarf an Ackerland steigt. Doch die Klimakrise und gewalttätige Konflikte um Landnutzung schränken die Lebensmittelproduktion ein. Ob Gewalt kriminell ist oder aus Notwehr geschieht, ist oft unklar.
Vieh zwischen Feldern im Bundesstaat Niger 2018. picture-alliance/REUTERS/AFOLABI SOTUNDE Vieh zwischen Feldern im Bundesstaat Niger 2018.

Konflikte um Landnutzung sind soziale Auseinandersetzungen, die schnell eskalieren können. Sie entstehen, wenn Individuen oder Gruppen das Land unterschiedlich nutzen möchten: für Landwirtschaft, Wohnungsbau, Industrie, Handel, Erholung oder Transport. Spannungen entstehen vor allem, wenn Menschen ihre Rechte verletzt sehen.

In Nigeria unterscheiden sich Landnutzungskonflikte von Region zu Region, auch wenn es Gemeinsamkeiten gibt. Im Norden stoßen meist Hirtengemeinschaften der Fulani und sesshafte Bauern und Bäuerinnen aufeinander. Auch in Städten kommt es zu Auseinandersetzungen. Im Südosten haben Konflikte zwischen Ölfirmen und Einheimischen Tradition.

Das rapide Bevölkerungswachstum verschärft die Lage. Laut UN leben über 200 Millionen Menschen in Nigeria. Bis 2050 wird sich diese Zahl wohl verdoppeln. Dies vergrößert den Druck auf die begrenzten Flächen im ländlichen und urbanen Raum.

Die Klimakrise verschärft Ressourcenkonflikte. Wo traditionelle Landnutzung unmöglich wird, nehmen Verteilungskämpfe um Wasser, Ackerland und Weideflächen zu.

Umstrittenes Eigentumsrecht

Die Frage, wem eine Fläche gehört, ist zentral – aber oft strittig. Traditionelles gemeinschaftliches Eigentum ist oft nicht ordentlich ausgewiesen. Freiflächen gelten schnell als Niemandsland. Der unrechtmäßige Verkauf von Gemeindeflächen oder deren Vermietung können Konflikte verursachen, insbesondere zwischen Einheimischen und Auswärtigen. Ob eine einheimische Gruppe sich lediglich verteidigt oder eine illegale Gang darstellt, ist oft nicht klar, sondern eher eine Frage der Perspektive. Ein typischer Konflikt ist der zwischen der Holzindustrie und bäuerlichen Gemeinschaften: Bei Baumfällarbeiten zur kommerziellen Nutzung zerstören Unternehmen oft landwirtschaftliche Flächen.

Sorge bereiten vor allem gewaltsame Konflikte zwischen Agrar- und Hirtengemeinschaften, etwa weil Herden Felder zertrampeln oder Ernten fressen. Aufgrund zunehmender Dürre im Norden ziehen die Viehnomad*innen gen Süden, wo dörfliche Gemeinschaften ihre Felder ausgeweitet haben. Beide Seiten behaupten, nur ihre Lebensgrundlagen und ihren rechtmäßigen Besitz zu verteidigen.

Diese Konflikte sind besonders explosiv, weil die Hirt*innen meist Fulani sind, eine mehrheitlich muslimische Ethnie, während die Bauern und Bäuerinnen anderen ethnischen Gruppen angehören und oft christlich sind. In Spannungen um Landnutzung mischen sich solche um Glauben und Identität. Brandgefährlich ist das auch deshalb, weil Teile Nigerias schwer unter islamistischem Terror leiden.

Auch das Niger-Delta ist von Landnutzungskonflikten betroffen. Seit der Unabhängigkeit gab es dort immer wieder Gewaltausbrüche bis hin zum Bürgerkrieg. Problematisch ist die Erdölgewinnung auf kommunalen Flächen. Internationale Konzerne haben Böden und Flüsse mit Öl verschmutzt und so Lebensgrundlagen zerstört. Einheimische können vielerorts weder Landwirtschaft betreiben noch fischen, ihre Gesundheit ist gefährdet. Angemessene Kompensationen durch die Ölkonzerne fehlen.

Auch Vorschriften der Regierung und Machtmissbrauch durch Beamt*innen sorgen für Streit. Das Gesetz zur Landnutzung von 1978 selbst ist ein Zankapfel. Zwar wurde es überarbeitet, doch es berücksichtigt traditionelle Eigentums- und Landnutzungsrechte zu wenig. In unklaren Rechtsfällen lassen sich Regierungsbeamt*innen oft bestechen und nutzen ihre Macht willkürlich. Ab wann ein offizieller Vorgang in Erpressung umschlägt, ist teils schwer zu sagen.

Zunehmende Armut 

Die Ernährungsunsicherheit in Nigeria ist alarmierend. Cadre Harmonisé, ein von der UN unterstütztes Programm, das die Ernährungssicherheit in Westafrika beurteilt, schätzte 2022, dass in diesem Sommer etwa 25 Millionen Nigerianer*innen Nahrungsmittelengpässe drohen.

Landnutzungskonflikte bedrohen auch die Sicherheit generell. In Teilen Nordwestnigerias kassieren bewaffnete Banden Abgaben von Bauern und Bäuerinnen, bevor diese ihre Felder betreten dürfen. Manche zahlen mit der Ernte, doch viele können das nicht. Das behindert die Lebensmittelproduktion. In der Folge steigen die Preise, und die Armut in ohnehin benachteiligten Gegenden nimmt zu. Eskalieren Konflikte, fliehen im Extremfall ganze Dörfer. Binnenflucht ist ein großes Problem in Nigeria und zieht andere nach sich, etwa den Verlust von Kultur und Identität.

Sowohl langfristige Entwicklungen wie die zunehmende Dürre als auch Extremwetterereignisse, die durch den Klimawandel hervorgerufen werden, treffen die Landwirtschaft. Während der Regenzeit 2022 zerstörten Überflutungen 676,000 Hektar landwirtschaftliche Fläche und verschärften die Ernährungssituation; 27 der 36 nigerianischen Bundesstaaten waren betroffen.

Konflikte um Landnutzung beeinträchtigen landwirtschaftliche Produktion, Umweltschutz und auch andere Entwicklungsaspekte. Im ländlichen Nigeria wurden etwa Telekommunikationsfirmen daran gehindert, Kabel zu verlegen und ihre Anlagen zu betreten, wenn sie nicht Schmiergelder zahlten.

Der Weg nach vorn

Um Landnutzungskonflikte beizulegen, ist Peacebuilding nötig, aber auch ein anderes Regierungshandeln. Fachleute schlagen vor, das Gesetz zur Landnutzung von 1978 zu überarbeiten, um Wachstum in Landwirtschaft und anderen Sektoren zu ermöglichen. Die Regierung sollte nachhaltige Landwirtschaft fördern, Resilienz gegen Klimafolgen stärken und Investitionen in erneuerbare Energien ankurbeln.

Gerichte sind wichtig, um Auseinandersetzungen beizulegen. Allerdings dauern die Verfahren lange, sind teuer und können Konfliktparteien weiter entzweien. Dennoch sind sie ein legitimes Mittel der Konfliktlösung. Ein Vorbild könnten Kenias ELCs (Environmental and Land Courts) sein, die zwischen formalem und traditionellem Verständnis von Gerechtigkeit vermitteln.

Es könnte auch helfen, nomadische Ethnien zu sesshafter Viehwirtschaft zu ermuntern, sie in Futtermittelkonservierung und -lagerung zu unterweisen und durch den Einsatz neutraler Vermittler die Verhandlungen zu erleichtern. Nigeria hat die natürlichen Voraussetzungen, eines der wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugerländer zu werden. Voraussetzung dafür ist aber, der Landwirtschaft die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken und Ackerland sinnvoll zu nutzen.

Auch die Eindämmung des Bevölkerungswachstums und der Klimakrise würden dabei helfen. Während Nigeria letztere Herausforderung nicht allein bewältigen kann, kann es erstere angehen, indem es Armut bekämpft.

Adaze Okeaya-inneh ist Journalistin und Drehbuchautorin in Lagos.
adazeirefunmi@gmail.com