Demografischer Wandel
Langsamer Rückgang der Geburtenrate in Afrika
In einkommensschwachen Ländern genießen Familien mit vielen Kindern ein hohes Ansehen. Kinder gelten als zukünftige Ernährer und Altersvorsorge. Es überrascht daher wenig, dass Subsahara-Afrika als ärmste Region der Welt die weltweit höchste Schwangerschaftsrate aufweist. Das geht aus Zahlen des US-amerikanischen Guttmacher-Instituts hervor, das weltweit Daten zur reproduktiven Gesundheit erhebt und auswertet.
Trotz der hohen Bedeutung von Kindern werden Babys längst nicht immer als Segen betrachtet. Die Erhebungen des Guttmacher-Instituts zeigen, dass die Region mit 42 Prozent auch die höchste Rate an ungewollten Schwangerschaften aufweist. Fast 40 Prozent davon werden abgebrochen.
Gleichzeitig hat Subsahara-Afrika auch die höchste Rate an Kinderehen. 35 Prozent der jungen Frauen heiraten vor ihrem 18. Lebensjahr. Experten schätzen, dass sie doppelt so viele Kinder bekommen wie der weltweite Durchschnitt. Gebärfähige junge Frauen sind besonders häufig von Krankheiten im Zusammenhang mit der Schwangerschaft betroffen, treiben ab oder sterben an den Folgen.
Forschungen im Auftrag der US-amerikanischen Behörde für Entwicklungszusammenarbeit (USAID) bestätigen, dass Kinderehen mit einer schlechten Familienplanung und Gesundheit einhergehen. Und auch ein Aufsatz aus der Zeitschrift „BMC International Health and Human Rights“ berichtet: Frauen, die im Teenageralter heiraten, bekommen achtmal häufiger drei oder mehr Kinder als Altersgenossinnen, die später heiraten.
Es mangelt an Verhütungsmitteln
Mit nur 29 Prozent ist die Verbreitung von Verhütungsmitteln weltweit nirgends so gering wie in Subsahara-Afrika. Nicht einmal die Hälfte des Bedarfs wird in der Region gedeckt, und gerade in ländlichen Gebieten und armen Gemeinden mangelt es am meisten daran.
All das zeigt: Die Anliegen der Jugend müssen mehr in den Fokus rücken. Ein besserer Zugang zu Bildung ist elementar und darf sich nicht nur auf Sexualkunde beschränken. Verhütungsmittel müssen leichter zugänglich gemacht werden. Und auch die wirtschaftlichen Bedingungen müssen sich verbessern, damit mehr junge Menschen Arbeit finden.
Ohne solche Investitionen können die afrikanischen Länder ihr Potenzial nicht nutzen, das mit einer jungen Bevölkerung einhergeht. Statt von den Vorteilen dieser Situation zu profitieren, kämpfen sie weiterhin mit Arbeitslosigkeit und Armut.
Mädchen im Teenageralter dürfen nicht zur vorzeitigen Mutterschaft verdammt werden. Anstatt Familien mit vielen bedürftigen Mitgliedern großzuziehen, sollten sie befähigt werden, Arbeit zu finden, Geld zu verdienen, zum wirtschaftlichen Erfolg ihres Landes beizutragen und ihr Schicksal selbst zu bestimmen. Denn: Eine hohe Kinderzahl ist nicht nur eine Folge von Armut, sondern auch Ursache dafür.
Die gute Nachricht ist: Die Geburtenraten sinken in mehreren Ländern tatsächlich. In Nigeria etwa bekommen Frauen mittlerweile im Durchschnitt weniger als fünf Kinder. Zwar wächst die Bevölkerung des Landes immer noch rasant und soll sich bis 2060 auf 430 Millionen verdoppeln. Doch frühere Prognosen gingen von einem stärkeren Anstieg aus. Auch in Äthiopien, Ruanda und Guinea liegt die Geburtenrate nur noch leicht über vier. Noch niedriger ist sie im Senegal (3,9) und in Ghana (3,8). Offenbar wirken Maßnahmen einiger religiöser Führer, die Familienplanung unterstützen.
Dabei haben sich Expert*innen lange gefragt, warum das subsaharische Afrika beim demografischen Wandel dem Rest der Welt hinterherhinkt. Ein Grund könnte sein, dass Bildung jahrzehntelang vernachlässigt wurde. In den 1980er und 1990er Jahren reduzierten Regierungen Bildungsprogramme, um Geld zu sparen. Vor allem Mädchen wurde so die Bildung vorenthalten, die sie verdient hätten.
Mahwish Gul ist Beraterin und hat sich auf Entwicklungsmanagement spezialisiert. Sie lebt in Nairobi.
mahwish.gul@gmail.com