Waldbrände

Lateinamerika brennt

Jahr für Jahr zerstören Flächenbrände wertvolle Ökosysteme. Das befördert den Klimawandel und lässt Biodiversität schwinden. Zu den Ursachen zählt Brandrodung für die Landwirtschaft.
Schwere Feuer wüteten in diesem Jahr in Brasilien. Brennender Wald in der Nähe der Grenze zu Bolivien im Juli. picture-alliance/NurPhoto/Gustavo Basso Schwere Feuer wüteten in diesem Jahr in Brasilien. Brennender Wald in der Nähe der Grenze zu Bolivien im Juli.

Die Expansion der Land- und Forstwirtschaft ist ein Motor für das Wirtschaftswachstum in Lateinamerika und der Karibik. Die Landwirtschaft allein macht laut Weltbank zwischen fünf und 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in 20 Ländern der Region aus. Die Ausweitung dieser Aktivitäten bringt jedoch auch eine Reihe von Umweltproblemen mit sich, darunter erhöhte Waldbrandgefahr.

Der Klimawandel, die Abholzung von Wäldern zur Gewinnung neuer Anbauflächen und die Brandrodung für die Landwirtschaft schaffen zunehmend Bedingungen, die verheerende Brände begünstigen. Diese bedrohen direkt die Menschen vor Ort und ihre Lebensgrundlagen.

Aus Berichten staatlicher und internationaler Organisationen geht hervor, dass sich die Brandkatastrophen verschlimmern. Betroffene Staaten müssen an die Grenzen ihrer Kapazitäten gehen, um angemessen zu reagieren, darunter die USA, Kanada, europäische Mittelmeeranrainer, die DR Kongo und Australien. Lateinamerika ist zum Schauplatz besonders heftiger Brände geworden. Um nur drei Beispiele aus jüngster Zeit zu nennen:

  • 2023 zerstörten Waldbrände in Brasilien mehr als 17 Millionen Hektar – eine Fläche so groß wie Uruguay.
  • Im Oktober und November 2023 brannten in Bolivien im Korridor La Paz-Beni gut 250 000 Hektar. Die Zahl der Brandherde verfünffachte sich beinahe gegenüber dem Vorjahr.
  • Der Brand im chilenischen Viña del Mar im Februar war mit mehr als 130 Toten der zweittödlichste des 21. Jahrhunderts nach dem „Schwarzen Samstag“ 2009 in Australien.

Zuletzt war jede Waldbrandsaison in Südamerika, insbesondere im Amazonasgebiet, mindestens so zerstörerisch wie die vorherige. Zu den Ursachen zählen extreme Wetterbedingungen und schlechte Landnutzungsplanung. Auch legale und illegale Wirtschaftstätigkeiten spielen eine wichtige Rolle.

Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) sind in Lateinamerika und der Karibik derzeit mehr als ein Fünftel der weltweiten Wälder zu finden. Zwischen 1990 und 2020 hat diese Region jedoch rund 138 Millionen Hektar Wald verloren – eine Fläche größer als Peru. Grund dafür ist laut FAO insbesondere die veränderte Landnutzung für Land-, Forst- und Viehwirtschaft und, in geringerem Maße, die Ausdehnung von Städten und der Straßenbau.

In Brasilien beispielsweise nahm zwischen Mitte der 1980er-Jahre und 2019 die Fläche für die Forstwirtschaft um 274 Prozent und für die Landwirtschaft um 160 Prozent zu. Flächen für Weidewirtschaft nahmen bis zum Jahr 2000 erheblich zu, seither nicht mehr.

Die Umwandlung der Flächen eröffnete wirtschaftliche Perspektiven, zeitigte aber zugleich fatale Auswirkungen – auch im Hinblick auf das Waldbrandrisiko. Die ursprünglichen feuchten Wälder Lateinamerikas, vor allem der Amazonas-Regenwald, wirken als natürliche Barrieren gegen Brände, weil ihre Beschaffenheit deren Ausbreitung verlangsamt. Die radikale Änderung der Flächennutzung und die Zerstörung dieser grünen Brandmauern – bei gleichzeitigem Anstieg der Treibhausgasemissionen – erhöhen die Menge an brennbarem Material und begünstigen Brandkatastrophen.

Brandrodung außer Kontrolle

Eine weitere Praxis, die ein ständiges Katastrophenrisiko birgt, ist das sogenannte kontrollierte Abbrennen. Hierbei werden gezielt Brände ausgelöst, um Land für die landwirtschaftliche Nutzung vorzubereiten. Dies kann nicht nur Böden zerstören, sondern führt auch zu unbeabsichtigten Feuern, die durch die Verbreitung von Glut in der Luft entstehen.

In Bolivien zum Beispiel trug das Abbrennen für die Landwirtschaft wesentlich zu den Waldbränden bei, die 2019 in der Region Chiquitania hunderttausende Hektar verwüsteten. Laut dem Online-Magazin Mongabay hat der bolivianische Staat das kontrollierte Abbrennen zugunsten der Landwirtschaft selbst vorangetrieben. Die Situation geriet jedoch außer Kontrolle, und riesige Flächen eines Gebiets mit wertvoller Biodiversität fielen den Flammen zum Opfer.

„Wir haben die Aufgabe und den Auftrag, dass Bolivien wirtschaftlich wächst, nicht nur auf der Grundlage nicht erneuerbarer natürlicher Ressourcen, sondern auch auf der Grundlage der Landwirtschaft und Viehzucht“, sagte der damalige Präsident Boliviens, Evo Morales, Monate zuvor.

Ob mehr Land- und Forstwirtschaft nun durch Abholzung oder Brandrodung ermöglicht werden – im Ergebnis stehen jeweils erhöhte Kohlenstoffemissionen, die den Klimawandel befeuern, zerstörte Ökosysteme und günstigere Bedingungen für Waldbrände.

Susana Paula forscht an der Universidad Austral de Chile zu Waldbränden. Sie sagt, es reiche nicht aus, wenn sich Gesellschaften, die großen Bränden ausgesetzt seien, auf die Brandbekämpfung konzentrierten. Vielmehr müssten sie mehr tun, um Waldbrände zu verhindern, abzuschwächen oder sich auch, soweit möglich, an sie anzupassen. Sie fordert mehr Präventionsmaßnahmen und bessere Förderung, um eine diversere Landschaft zu schaffen. Insbesondere in von Bränden betroffenen Gebieten müssten Flächen anders genutzt werden. Zudem gelte es, invasive Arten besser zu kontrollieren, einheimische Ökosysteme wiederherzustellen und betroffene Gemeinschaften mit langfristigen psychosozialen Programmen zu unterstützen.

Den Trend umzukehren und das Ausmaß der Waldbrände in Lateinamerika zu begrenzen ist jedenfalls dringend geboten – im Sinne der Menschen vor Ort, aber auch der gesamten Weltgemeinschaft.

Javier A. Cisterna Figueroa ist ein chilenischer Journalist und lebt in Concepción.
cisternafigueroa@gmail.com