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Hoffnung für Brasiliens Wälder

Marina Silva, die brasilianische Ministerin für Umwelt und Klimawandel, verspricht, der Waldrodung im Amazonas ein Ende zu machen. Sechs Monate nach ihrem Amtsantritt sind Fortschritte erkennbar, die Herausforderung bleibt jedoch gewaltig.
Marina Silva bei ihrer Amtseinführung im Januar. picture-alliance/AA/Mateus Bonomi Marina Silva bei ihrer Amtseinführung im Januar.

Die neue Regierung von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat mit der Aufhebung verschiedener Umweltgesetze der Vorgängerregierung unter Jair Bolsonaro begonnen.

Die zuständige Ministerin Marina Silva kündigte bereits Strafmaßnahmen für illegale Rodung sowie neue Formen der Kontrolle an. Über Satellitenbilder sollen zum Beispiel Landwirte identifiziert werden, die illegal abholzen. Anschließend soll ihnen automatisch der Zugang zu Bankkrediten verwehrt werden.

Silva sagt, dass die Kontrolle der Abholzung auch ein „Racheakt“ an Bolsonaros Regierung sei. Bei ihrer Amtseinführungsrede im Januar berichtete sie, dass es in den letzten Jahren unkontrollierte Abholzung gegeben habe und indigene Gebiete dem organisierten Verbrechen ausgesetzt waren. Noch im Februar wurde im brasilianischen Amazonasgebiet (BLA) mehr Wald gerodet als in jedem anderen Februar seit Beginn der Aufzeichnungen – die Wiederherstellung der Ordnung braucht offensichtlich mehr Zeit als ihre Zerstörung.

Ihre Pläne adressieren auch den Klimanotstand. Silva nennt ihn „die größte globale Herausforderung, mit der die Menschheit derzeit konfrontiert ist“. Werde er nicht angegangen, ergeben sich „inakzeptable“ Kosten: ein starker Rückgang des BIP, Verluste in der nationalen Produktionsrate – und schließlich Tod und Leid durch andauernde Umweltkatastrophen.

Im Kontext des Weltumwelttages am 5. Juni hat die Regierung eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, die Hinweise auf das weitere Vorgehen geben. So wollen die Ministerien für indigene Völker und für Justiz und öffentliche Sicherheit zusammenarbeiten, um indigene Gebiete zu definieren. Letzteres hat auch eine Ausschreibung im Wert von 3 Millionen Reals (ca. 600 000 Euro) für Maßnahmen zur Bekämpfung der sozialen Diskriminierung indigener Völker in die Wege geleitet.

Im gleichen Rahmen stellte Silvas Ministerium für Umwelt und Klimawandel neue Ziele für die fünfte Phase seines Aktionsplans zur Verhinderung und Kontrolle der Entwaldung im legalen Amazonasgebiet (PPCDAm) vor. Der Plan, der 2004 unter Silvas Leitung und unter Mitwirkung von 12 anderen Ministerien und mehreren Bundesbehörden entwickelt wurde, soll die Entwaldung in der Region bis 2030 beenden. Er hatte zwischen 2004 und 2012 bereits maßgeblich zu einem Rückgang der Abholzung in der Region um 83 Prozent beigetragen, wurde aber während der Regierung Bolsonaro fallen gelassen.

Der Kernplan des PPCDAm umfasst 12 strategische Ziele, darunter:

  • Rechenschaftspflicht für Umweltverbrechen und Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit Entwaldung und Waldschädigung,
  • verbesserte Möglichkeiten zur Überwachung von Abholzung, Bränden und dem Abbau von Produktionsketten,
  • Fortschritte bei der Umweltregulierung durch Verbesserungen des nationalen Umweltregisters für den ländlichen Raum,
  • Sicherung der Zuweisung und des Schutzes von ungenutztem öffentlichem Land,
  • Schaffung, Verbesserung und Umsetzung von normativen und wirtschaftlichen Kontrollinstrumenten.

Satellitentechnik zur Überwachung

Der überarbeitete Plan enthält nun mehr als 130 Ziele, die bis 2027 erreicht werden sollen. Dazu gehört die Inspektion von 30 Prozent des illegal abgeholzten Gebiets, das durch das Prodes-System des Nationalen Instituts für Weltraumforschung (INPE), die offizielle Satellitentechnik zur Überwachung der Abholzung, identifiziert wurde. Derzeit werden nur etwa sechs Prozent der abgeholzten Fläche kontrolliert.

Die Hälfte dieser illegal abgeholzten Flächen in föderalen Schutzeinheiten sollen sofort gesperrt werden. Auch die Anzahl von Umweltverstoßanzeigen in erster Instanz soll noch in diesem Jahr um zehn Prozent gesteigert werden. Für das nächste Jahr ist vorgesehen, Rückverfolgbarkeitssysteme für landwirtschaftliche und mineralische Produkte aus dem Amazonasgebiet zu entwickeln, um illegale Gewinnung einzudämmen. Bis 2027 will die Regierung alle illegalen Einträge im Umweltkataster des ländlichen Raums löschen, die sich mit geschützten staatlichen Flächen überschneiden.

Die Maßnahmen stehen im Einklang mit Forderungen der Europäischen Union, mit der Brasilien derzeit die endgültigen Details für den Abschluss eines Wirtschaftsabkommens verhandelt. Die EU übt Druck auf Brasilien aus, intensiver gegen Abholzung vorzugehen.

Eine große Herausforderung ist, Unternehmenspläne und Infrastrukturprojekte mit den Zielen zur Reduzierung der Abholzung in Einklang zu bringen. Sie sollen ebenfalls bis 2027 verstärkt darauf ausgerichtet werden, Abholzung und Treibhausgasemissionen durch die Veränderung der Landnutzung in ihren Einflussbereichen zu verringern. Hier ist ein Programm vorgesehen, das auf vier Hauptbereiche abzielt: Monitoring, Umwelt- und Gebietskontrolle sowie die Förderung nachhaltiger Produktion und die Schaffung normativer und wirtschaftlicher Instrumente zur Verringerung der Entwaldung und Umsetzung der Maßnahmen.

Im Rahmen des Gesetzespakets billigte Präsident Lula auch einen Entwurf, der die Fristen für die Aufnahme von ländlichem Eigentum in das Umweltregulierungsprogramm verlängert und legte sein Veto gegen Maßnahmen ein, die den Atlantischen Regenwald an Brasiliens Ostküste schwächen.

Lula und Ministerin Silva signalisierten zudem die Rückkehr der sogenannten Bolsa Verde, einer Entschädigung, die die Regierung an Familien zahlt, die in traditionellen Gemeinden leben, sich in einer sozial schwachen Situation befinden und sich gleichzeitig für den Erhalt der Natur einsetzen. Im Gespräch mit Journalisten erklärte die Ministerin, dass sich rund 80 Prozent der geschützten Wälder Brasiliens in den Territorien indigener Gemeinden befinden.

215 000 Arbeitsplätze

Neben diesen Maßnahmen stehen Initiativen wie die Schaffung des 61 000 Hektar großen Nationalparks Serra do Teixeira in Paraíba, die Erweiterung des Naturschutzgebiets Chocoaré-Mato Grosso im Mittleren Westen Brasiliens um 1800 Hektar und die Überarbeitung des technischen Ausschusses zur Förderung des Übergangs des Produktionssektors zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft.

Über die sozialen Netzwerke zitierte Ministerin Silva eine Studie des Instituto Escolhas, aus der hervorgeht, dass durch die Ausweitung der Forstkonzessionen und das Ziel, bis 2030 12 Millionen Hektar Wald wiederherzustellen, 215 000 Arbeitsplätze geschaffen werden könnten.

Ivan Henrique de Mattos e Silva, Professor für Politikwissenschaft an der Bundesuniversität von Amapá sieht in den neuen Maßnahmen eine dringend benötigte Beschleunigung des brasilianischen Umweltschutzes, dessen Mechanismen während der Regierung Bolsonaro wirkungslos waren. Auch die Situation der indigenen Bevölkerungsgruppen habe sich verbessert.

Dennoch glaubt de Mattos e Silva, dass Brasilien noch einen langen Weg vor sich hat, um wieder zu einer weltweiten Referenz im Kampf gegen Klimakrise und Entwaldung zu werden. Das sei auf zwei Faktoren zurückzuführen: die Schwierigkeit, den Haushalt der Kontroll- und Überwachungsorgane so schnell zu sanieren, wie es die Konjunktur erfordert – eine Schwierigkeit, die sich mit der Verabschiedung des neuen Steuerrahmens noch verschärfen könne – und die ideologische Verwurzelung des Bolsonarismus.

Der Politikwissenschaftler sagt: „Bolsonaros Erbe ist immer noch lebendig und tief verankert, sowohl sozial als auch institutionell.“ Die Umweltagenda stehe im Mittelpunkt eines offenen Konflikts zwischen widerstreitenden Intessen in Brasilien, und die Herausforderungen für die neue Regierung seien enorm. „Es bleibt abzuwarten, ob Präsident Lula und Ministerin Silva in der Lage sein werden, diese zu bewältigen“, resümiert de Mattos e Silva.

Der Anfang ist jedenfalls gemacht: Nach Angaben von Ministerin Silva ist die Abholzung im Amazonasgebiet von Januar bis Mai um 31 Prozent zurückgegangen. Darüber hinaus habe die strukturierte Wiederaufnahme von Inspektionen zu einem Anstieg von 179 Prozent bei Verstoßmeldungen geführt, zu 107 Prozent mehr Beschlagnahmungen und 203 Prozent mehr Zerstörung von Ausrüstungen, die bei Umweltverbrechen eingesetzt werden.

Thuany Rodrigues ist eine brasilianische Journalistin.
thuanyrodriigues@gmail.com