Erneuerbare Energien

Schwellenländer überholen Industrieländer

In erneuerbare Energien wird so viel Geld gesteckt wie nie – und erstmals mehr in Schwellen- und Entwicklungsländern als in Industrieländern. Trotzdem stammt gerade einmal ein Zehntel des Stroms weltweit aus erneuerbaren Quellen, und die Wirkung reicht bei weitem nicht aus, um die Pariser Ziele zu erreichen.
In Ouarzazate, Marokko, steht das weltweit größte Sonnenwärmekraftwerk. Bounhar/AP Photo/picture-alliance In Ouarzazate, Marokko, steht das weltweit größte Sonnenwärmekraftwerk.

Die weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien sind auf einem Höchststand. 2015 wurden laut dem Bericht „Global trends in renewable energy investment“ 286 Milliarden Dollar in die Nutzung von Wind, Sonne und Co gesteckt. Das waren fünf Prozent mehr als 2014. Beim Zuwachs an Stromerzeugungskapazitäten machten die Erneuerbaren im vergangenen Jahr erstmals mehr als die Hälfte aus, nämlich 53 Prozent.

#Mit Abstand das meiste Geld floss mit 107 Milliarden Dollar beziehungsweise 80,9 Milliarden Dollar in Wind- und Solarkraft. Hier fand auch das größte Wachstum statt: Die Investitionen in Sonnenenergie stiegen gegenüber dem Vorjahr um zwölf, die in Wind um neun Prozent. In alle anderen erneuerbaren Energien wurde weniger investiert als 2014.

„Ein Großteil der Musik spielt in Schwellen- und Entwicklungsländern“, betonte Martin Cremer, Mitherausgeber des gemeinsamen Berichts des Frankfurt School-UNEP Collaborating Centre und Bloomberg New Energy Finance, bei dessen Vorstellung Ende März in Frankfurt. Investitionen von Nicht-OECD-Ländern sowie Chile, der Türkei und Mexiko überstiegen demnach erstmals die Investitionen von Industrieländern. Mit 103 Milliarden Dollar ist China mit Abstand der Spitzenreiter – sein Anteil an den weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien stieg auf über ein Drittel.

Auch in den Entwicklungsländern hat sich laut Cremer die Erkenntnis durchgesetzt, dass erneuerbare Energien unverzichtbar sind. Die Investitionen lägen dort 30 Prozent über den Vorjahreswerten – bewegten sich aber nach wie vor auf einem niedrigen Niveau. „In den Entwicklungsländern sind die Rahmenbedingungen entscheidend“, erklärt Cremer: „Gibt es Sicherheit für Investoren, eine Regulierungsbehörde?“

Ulf Moslener, ebenfalls Mitherausgeber, weist darauf hin, dass die erneuerbaren Energien trotz der hohen Investitionen weltweit nur 16,2 Prozent der Stromerzeugungskapazitäten stellen. „Noch ernüchternder ist ihr tatsächlicher Anteil am Strommix: Er liegt bei 10,3 Prozent.“ Der Unterschied ergibt sich daraus, dass Wind und Sonne nicht immer verfügbar sind und die Anlagen ihre Kapazitäten oft nicht ausschöpfen können.

Moslener gibt zu bedenken, dass der Kraftwerkspark vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern relativ jung ist. „Mindestens die Hälfte der weltweiten Kohlekraftwerke ist jünger als 23 Jahre alt und bei einer Funktionsdauer von 40 Jahren noch 17 Jahre oder länger funktionstüchtig.“ Die auf der Pariser Weltklimakonferenz vereinbarten Ziele gehen aber von einem Auslaufen der fossilen Energieträger in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts aus. „Dazu reicht es nicht aus, die Erneuerbaren auszubauen“, mahnt Moslener.

Eine besondere Bedeutung spielt die Stromspeicherung, um auf die schwankende Erzeugung aus Sonne und Wind und auf ungleichmäßig auftretende Energienachfragen zu reagieren. Dem Bericht zufolge wurden 2015 weltweit 250 Megawatt im Bereich Elektrizitätsspeicherung hinzugefügt, wobei Pumpspeicherwasserkraft und Bleibatterien nicht mitgerechnet sind. 2014 betrug der Zubau nur 160 Megawatt. Silvia Kreibiehl, Leiterin des Frankfurt School-UNEP Collaborating Centre for Climate & Sustainable Energy Finance, hält es für unabdingbar, die Strommärkte so umzubauen, dass noch deutlich höhere Anteile erneuerbaren Stroms aufgenommen werden können. Dazu „müssen Investitionen in Speichermedien und der Ausbau der Stromnetze in Zukunft eine größere Rolle spielen“.

Die Autoren erwarten, dass sich der Trend fortsetzt und sowohl die Investitionen in erneuerbare Energien als auch ihr Anteil am Energiemix weiter steigen. Bei weiter fallenden Kosten für Technik würden die politischen Rahmenbedingungen immer unwichtiger. „Die Ressourcenausstattung wird Treiber“, glaubt Moslener. Dann wären nicht mehr die Länder mit den höchsten Einspeisetarifen Spitzenreiter, sondern die Länder mit der meisten Sonneneinstrahlung und den besten Windverhältnissen – ein Trend, der bereits sichtbar ist.

Katja Dombrowski
 

Link
Global Trends in Renewable Energy Investment 2016 Report:
http://fs-unep-centre.org/publications/global-trends-renewable-energy-investment-2016

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