Multilaterale Politik
Umfassende Partnerschaft
Die Busan Partnerschaft (BP) bekräftigt Versprechen aus der Pariser Erklärung (PD – Paris Declaration) über wirkungsvolle Entwicklungshilfe und der Accra Aktionsagenda, die frühere High- Level-Foren 2005 und 2008 verabschiedeten. Das neue Abkommen nimmt allerdings die Schwellenländer von den alten Regeln aus. In Paragraph 2 heißt es, dass „Wesen, Modalitäten und Pflichten, die für die Süd-Süd-Kooperation gelten, sich von denen der Nord-Süd-Kooperation unterscheiden“. Die Paris Declaration und die Accra Agenda werden jedoch als Bezugspunkte genannt, and denen sich Schwellenländer orientieren können.
Anders als die alten Abkommen betont die Busan Partnerschaft die Rolle von Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft und philantropischen Stiftungen. Sie ist also weniger staatsfixiert. In der BP steht, Entwicklungshilfe sei „nur Teil der Lösung“, denn zu Entwicklung führe „starkes, nachhaltiges und breitenwirksames Wachstum“.
Anerkannte Prinzipien
Die neue Abschlusserklärung definiert vier Grundprinzipien für die Entwicklungszusammenarbeit:
– „Die Eigentümerrolle (,Ownership‘) der Entwicklungsländer hinsichtlich politischer Prioritäten“. Ownership war bereits eine Grundregel der Paris Declaration und der Accra Agenda. Die Evaluierung zeigte aber, dass die Geber sie in den vergangenen Jahren nicht ausreichend beherzigt haben. Deshalb betont die BP die Führungsrolle von Entwicklungsländern: Alle Maßnahmen müssten „auf ihre spezifischen Bedürfnisse“ zugeschnitten werden. Grundsätzlich sollen die Regierungen armer Länder ihre Partner dabei anleiten, einen gemeinsamen Rahmen für Ziele und Maßnahmen zu definieren, damit sich alle Akteure daran ausrichten.
– „Ergebnisse im Fokus“. Vor Busan hieß das entsprechende Prinzip „ergebnisorientiertes Management“. Die Neuformulierung verweist weniger auf bürokratische Verfahren als die alte; zugleich lässt sie über Regierungshandeln hinaus noch andere Ursachen für Entwicklungsergebnisse zu.
– „Transparenz und Rechenschaftspflicht gegenüber Partnern“. Diese Neuformulierung des bisherigen Prinzips der „wechselseitigen Rechenschaft“ weist darauf hin, dass Verantwortung nicht nur gegenüber anderen, an der Zusammenarbeit beteiligten Regierungen gefragt ist. Sie gilt auch gegenüber Bürgern, Parlamenten, Kommunalverwaltungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Privatunternehmen.
– „Umfassende Entwicklungspartnerschaft“. Dieses Prinzip ist neu und unterstreicht die „unterschiedlichen und komplementären Rollen“ aller Akteure.
Zwei Kernprinzipien der Paris Declaration nennt die BP nicht mehr als Grundregeln: Die Geberharmonisierung und die Ausrichtung an den Institutionen und Verfahren der Entwicklungsländer („Alignment“). Beide Prinzipien prägen aber viele Paragraphen des neuen Dokuments.
So ist sein Wortlaut über die Nutzung der eigenen Systeme der Entwicklungsländer eindeutig. Sie gilt als Geberpflicht. Durchführungsinstitutionen, die sich dagegen entscheiden, werden aufgefordert, dies zu begründen. Zugleich besagt die BP, dass es das Ziel jeglicher Entwicklungszusammenarbeit ist, die Verwaltungen der Entwicklungsländer zu verbessern und zu stärken.
Die internationale Debatte über die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe war bisher Grundlage einer Arbeitsgruppe, die bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), einem Verbund der reichen Volkswirtschaften, angesiedelt ist. Das Mandat ihrer Mitglieder endet im Sommer 2012. Dann soll eine neue Globale Partnerschaft für wirkungsvolle Entwicklungszusammenarbeit ihre Aufgaben weiterführen. Sie soll die gesamte internationale Gemeinschaft widerspiegeln und unter anderem das Monitoring der Abkommen fortsetzen.
Wie diese Globale Partnerschaft verfasst sein wird, ist noch unklar. Das Abschlusspapier von Busan verspricht Klärung bis Juni 2012. Letzte Aufgabe der Arbeitsgruppe wird es sein, diesen Prozess einzuleiten. Die BP fordert die OECD und die Vereinten Nationen (UN) auf, die Globale Partnerschaft zu unterstützen.
Erste Einschätzungen
Dirk Niebel, der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, sagt: „Die Beschlüsse von Busan verschaffen mir politischen Rückenwind.“ Höhere Wirksamkeit sei ein Anliegen der Bundesregierung. Mit Blick auf die vielfältigen Akteure, die heute entwicklungsrelevant sind, urteilt er, Busan schaffe ein Fundament, um „diese Kräfte zu bündeln und in eine gemeinsame Richtung zu lenken“. Niebel begrüßt ausdrücklich, dass die Verpflichtungen von Paris und Accra weiter gelten.
Andris Piebalgs, Entwicklungskommissar der EU, ließ wissen, er sei „sehr stolz gewesen“, in Busan Europa zu vertreten, denn die EU habe eine Führungsrolle gespielt. In Busan kündigte er zwei Initiativen an, um auf EU-Ebene Transparenz zu sichern und die Entwicklungspolitik der Mitgliedsländer besser abzustimmen. Für ihn bedeuet die BP, dass „EU-Bürger darauf vertrauen können, dass die Wirkung ihrer Entwicklungshilfe künftig steigt und mehr Menschen etwas bringt“.
Antonio Tujan von BetterAid, einem zivilgesellschaftlichen Dachverband, spricht unterdessen von einem „bittersüßen Sieg“ (siehe auch Kommentar auf S. 43). Das neue Abkommen sei alten überlegen, weil es Demokratie, Menschenrechte und Armutsbekämpfung stärker herausstreiche. Andererseits hätte er sich von den Gebern, die bisherige Versprechen etwa zur Beendigung von Lieferbindungen nicht voll erfüllt hätten, klarere Aussagen gewünscht. Problematisch sei auch, dass Schwellenländer die alten Regeln nur freiwillig übernehmen müssten. Das ermögliche – China etwa – Missbrauch.
Sachin Chaturvedi vom staatlichen Think Tank RIS in Delhi meint, Busan weise in die richtige Richtung. Da aber anerkanntermaßen Süd-Süd-Kooperation anders sei als Nord-Süd-Kooperation, frage er sich, wie gemeinsames Handeln denn zustande kommen soll. Nancy Birdsall vom Center for Global Development in Washington urteilt dagegen, es sei gut, dass Schwellenländer bei der BP mitmachen. Was genau das wert sei, bleibe angesichts ihrer unverbindlichen Zusagen noch abzuwarten.
Hans Dembowski