Geberpolitik
Ganzheitlicher Ansatz
Die EU spricht schon lange von einem „Comprehensive Approach“, der gleichermaßen Arbeitsmethode und Maßnahmenkatalog für die politische Arbeit in Krisen- und Konfliktsituationen sein soll. In der Praxis hat sich die EU-
Außenpolitik dafür aber bisher als zu komplex erwiesen. Die zahlreichen Akteure – einschließlich der 28 Mitgliedsstaaten mit ihren eigenen Prioritäten und Verwaltungen – fanden nicht den nötigen Konsens. So lautet das Urteil einer aktuellen Publikation von Fernanda Faria vom European Centre for Development Policy Management (ECDPM), einem wissenschaftlichen Institut in Maastricht.
Nötig seien vor allem der politische Wille und die Einbindung sämtlicher EU-Institutionen, schreibt Faria. Diesbezüglich schätzt sie die neue EU-Kommission als positiv ein, die unter Jean-Claude Juncker im November die Arbeit aufgenommen hat. Juncker hat bestimmte Kommissare zu seinen Vizepräsidenten berufen, um die Teamarbeit zwischen den Ressorts zu verbessern.
Der Vertrag von Lissabon hat 2009 die Grundlagen der gemeinsamen Außenpolitik verändert. Neu geschaffen wurde der Europäische Auswärtige Dienst (EEAS) mit einem Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik an der Spitze. Auf diesem Posten hat nun die Italienerin Federica Mogherini die Britin Catherine Ashton abgelöst. Sie ist von Amts wegen Vizepräsidentin der Kommission und gehört zugleich dem Europäischen Rat, dem mächtigen Gremium der Staats- und Regierungschefs, an. Kommissar für die Entwicklungspolitik im engeren Sinne ist nun Neven Mimica aus Kroatien als Nachfolger von Andris Piebalgs aus Lettland.
Die ECPDM-Wissenschaftlerin lobt, dass bisher schon ein enger Informationsaustausch vereinbart war. Grundsätzliche Bereitschaft bestand auch zu:
- Entwicklung gemeinsamer Situations- oder Problemanalysen,
- Definition gemeinsamer Strategien,
- Fokussierung auf Prävention,
- Mobilisierung der verschiedenen Kräfte und Kapazitäten der EU,
- langfristigen Verpflichtungen,
- Vernetzung von internen und externen Maßnahmen,
- mehr Einsatz von EU-Delegationen – so heißen die Botschafter der EU in anderen Weltgegenden – und
- mehr Partnerschaften mit anderen internationalen oder regionalen Akteuren.
Eine große Schwierigkeit ist aus Farias Sicht, dass es kein gemeinsames Verständnis dafür gibt, wann und wofür ein vernetzter Ansatz nötig ist. Die EU-Staaten fordern derlei zwar grundsätzlich für „Krisen und Konflikte und in fragilen Staaten“, aber es besteht kein Konsens darüber, was eine Krise oder einen fragilen Staat ausmacht.
Außerdem gibt es zwei verschiedene Interpretationen für „comprehensive“: Eine sieht „umfassendes“ Handeln als Instrument des Krisenmanagements; die andere will die gesamte EU-Außenpolitik harmonisieren. Beide Interpretationen haben laut Faria Vor- und Nachteile. Sie betont aber, dass es in jedem Fall schwer sei, das Handeln aller EU-Akteure zu koordinieren. Das gelte besonders, weil es keine Standardlösungen gebe, sondern jede neue Situation spezifische Maßnahmen erfordere.
Nach Ansicht der Wissenschaftlerin muss ein machbarer Konsens aller EU-Akteure gefunden werden. Wichtig seien dabei folgende Punkte:
- EU-Institutionen und Mitgliedsstaaten müssen Krisenkontexte gemeinsam analysieren,
- nötig sei eine gemeinsame, strategische Vision,
- Instrumente und Verwaltungsverfahren müssten flexibel gehandhabt werden, und
- die Delegationen müssten systematischer genutzt werden.
Faria empfiehlt der neuen Kommission, die vorhandene Idee eines Aktionsplans umzusetzen. Darin können die alten Ansprüche auf Vernetzung und umfassende Politikgestaltung verwirklicht werden. Die Hauptverantwortung für das Gelingen tragen Präsident Juncker und Vizepräsidentin Mogherini.
Sabine Balk
Link:
Faria, F., 2014: What EU Comprehensive Approach? Challenges for the EU action plan and beyond (Briefing Note 71). Maastricht: ECDPM.
http://ecdpm.org/wp-content/uploads/BN71-What-EU-Comprehensive-Approach-October-2014.pdf