Humanitäre Hilfe

„Mehr, nicht weniger Engagement“

Von humanitärer Hilfe abgeschottet leben mehr als 3 Millionen Binnenflüchtlinge in den von ISIS-Truppen kontrollierten Gebieten in Syrien und Irak. Das bringt internationale Hilfsorganisation in ein Dilemma. Sie wollen sich einsetzen, haben aber nur begrenzte Möglichkeiten.
Im Januar behauptete ISIS, nun auch in Afghanistan und Pakistan präsent zu sein. picture-alliance/dpa Im Januar behauptete ISIS, nun auch in Afghanistan und Pakistan präsent zu sein.

Als ISIS-Truppen die irakischen Städte Mosul und Tikrit im Juni 2014 eroberte, wurde die Weltöffentlichkeit auf diese Terrororganisation aufmerksam. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) schätzte nun im Dezember 2014 die Anzahl der Binnenflüchtlinge im Irak auf ungefähr 2 Millionen. Die UN gehen davon aus, dass derzeit rund 3,6 Millionen Menschen unter ISIS-Herrschaft leben.

Diese  Menschen sind besonders bedürftig, aber schwer zu erreichen. Fachleuten vom Londoner Overseas Development Institute zufolge kommt Hilfe dort in geringem Umfang an. Internationale Hilfsorganisationen, wie etwa das World Food Programme (WFP), könnten aber nur verdeckt arbeiten. Hilfsgüter und Medizin würden in unbeschrifteten Säcken eingeschleust und dabei werde auf internationale Einsatzkräfte verzichtet. Die Hilfsorganisationen seien auf lokale Strukturen angewiesen, wobei örtliche zivilgesellschaftliche Organisationen (CSOs – civil society organisations) wichtig seien. Nötig seien auch gute Beziehungen zu den traditionellen Autoritäten der verschiedenen arabischen Stämme.

Die Autoren halten fest, dass die ISIS-Milizen durchaus von der Arbeit der Hilfsorganisationen profitiere. Sie veröffentlichten beispielsweise Videos von der Verteilung der Hilfsgütern und von vollen Supermarktregalen in Mosul. Die Islamisten gäben sich den Anschein, dass sie selbst humanitäre Hilfe bereit stellten, und wollten so ihr Ansehen verbessern.  Aber der Schein trügt, wie die Humanitarian Policy Group des ODI urteilt. Die Forschergruppe beruft sich dabei auf Zeugen, denen zufolge ISIS-Kämpfer Dörfer plündern und mit der gestohlenen Beute andernorts Bedürftige versorgen.

 

Verhandlungssache

Aus ODI-Sicht eröffnet die grundsätzliche Bereitschaft von ISIS, humanitäre Hilfe zu dulden, dennoch Chancen, Zugang zu weiteren besetzten Gebieten zu bekommen. Ein Dilemma sei jedoch vorprogrammiert: Einerseits sei es nötig mit ISIS zu kooperieren, um zu den Notleidenden durchzudringen, andererseits ist Zusammenarbeit mit den Gewalttätern ethisch und juristisch fragwürdig. Anti-Terror-Gesetzen zufolge können nämlich Hilfsorganisationen, die „materielle“ Hilfe in ISIS-Territorien leisten, belangt werden. Die ODI-Wissenschaftler urteilen dennoch, humanitäre Plicht sei moralisch geboten und nach internationalem Recht seien Verhandlungen mit allen an einem Konflikt beteiligten Parteien auch zulässig.

Die Forschergruppe rät Hilfswerken, sich direkt und indirekt Zugang zu ISIS-Gebieten auszuhandeln, und verweist auf positive Erfahrungen in Somalia und Afghanistan. Ob das ähnlich auch in Irak und Syrien gelingt, lassen die Autoren offen. Es gehe aber darum, Netzwerke frühstmöglich aufzubauen und sich auf lokale Partner zu stützen.  Um die Wirksamkeit humanitärer Hilfe in ISIS-kontrollierten Territorien insgesamt zu verbessern, sei mehr Engagement nötig,  nicht weniger.

Theresa Krinninger

 

Link:
HPG Crisis Brief:
Aid and the Islamic State:
http://www.odi.org/publications/9133-iraq-isis-isil-aid-humanitarian

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