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Unsere Sicht

Es gibt keine Ausrede mehr zum Handeln

Wenn Extremwetterlagen – starke Stürme, heftiger Regen oder lange Dürren – Schäden verursachen, ist es immer noch üblich, von „Naturkatastrophen“ zu sprechen. Der Begriff stimmt aber nicht mehr.
Folgen anhaltender Dürre in einem Maisfeld in Kenia, März 2022. picture alliance / Xinhua News Agency / Dong Jianghui Folgen anhaltender Dürre in einem Maisfeld in Kenia, März 2022.

„Natur“ bedeutet im Kern „von Menschen unbeeinflusst“, und der Klimawandel ist menschengemacht. Er verursacht häufigere und intensivere Extremwetterlagen. Hurrikane und Zyklone gehen heute meist mit mehr Regen einher als früher. Am Horn von Afrika gab es in der Vergangenheit alle zehn Jahre eine Dürre – nun ringt die Region mit dem dritten trocknen Jahr in Folge.

In ihrem kürzlich veröffentlichten Bericht „State of the Global Climate 2021“ listet die World Meteorological Organization folgenschwere, vom Wetter bedingte, Ereignisse in den folgenden Kategorien auf: Hitzewellen und Waldbrände, Kälte und Schnee, Hochwasser, Dürre, tropische Wirbelstürme und schwere Stürme. Der ganze Planet ist betroffen. Zwar ist nicht jede Hitzephase oder jeder Schneesturm katastrophal, aber die Schäden und Verluste nehmen zu.

Das UN Office for Disaster Risk Reduction teilte im April mit, die Menschheit erlebe derzeit 350 bis 500 mittlere bis große Katastrophen im Jahr. Voraussichtlich werde die Zahl bis 2030 auf 560 steigen – also auf 1,5 Desaster pro Tag.  

Klimaschutz und Klimaanpassung haben deshalb höchste Priorität. Treibhausgas-Emissionen befeuern die Krise. Die Hauptverantwortung tragen Länder mit hohen Einkommen, aber China und andere Schwellenländer holen rasant auf. Ob reich oder arm – jeder Staat muss auf nachhaltige Energie umsteigen.

In Klimafolgen besonders ausgesetzten Gegenden müssen Staat und Zivilgesellschaft derweil gefährdeten Gemeinschaften helfen, sich auf Extremwetterlagen einzustellen. Wo Siedlung zu nah an Flussufern gebaut werden, spülen Hochwasser irgendwann Hütten und Häuser davon. Wo zu viel Grundwasser verbraucht wird, wirken sich Dürren schlimmer aus. Wo Monokulturen vielfältige Ökosysteme verdrängen, richten Stürme größere Schäden an.

Die Widerstandskraft von Individuen, lokalen Gemeinschaften und ganzen Nationen hängt ab von guter Planung, kluger Politik und nachhaltiger Wirtschaftstätigkeit. Darauf muss Entwicklung hinauslaufen. Wie ich vor zwei Monaten an dieser Stelle ausführte, sind relative Sicherheit und Wohlstand in Ländern mit hohen Einkommen nicht einfach das Resultat hoher Kaufkraft. Es kommt entscheidend darauf an, wie Gesellschaften organisiert sind. Staat, Privatwirtschaft, Forschung, Recht und andere soziale Systeme müssen dynamisch zusammenwirken. Dann gibt es starke Infrastruktur, mehr Erwerbschancen, bessere soziale Sicherung und breit genutzten Schutz durch private Versicherungen. Soziologen sprechen von funktionaler Differenzierung. Sie ermöglicht die Bereitstellung von vielfältigen öffentlichen und privaten Gütern. Modernisierung in diesem Sinn verbessert die Lebensqualität.

Ungebremstes Wirtschaftswachstum ist jedenfalls nicht das Ziel. Ohne konsequenten Klimaschutz kann Klimaanpassung nirgends gelingen. Wenn die Durchschnittstemperaturen weltweit weiter steigen, wird das, was wir heute als Wetterextreme empfinden, normal werden – und neue Extreme werden uns erschüttern. Die Auswirkungen werden verheerend sein. Ernteausfälle werden beispielsweise Inflation und Not anheizen, ohne dass Zentralbanken etwas dagegen tun könnten. Fest steht aber jetzt schon, dass solche Trends nicht „natürlich“ sein werden.


Hans Dembowski ist Chefredakteur von E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit / D+C Development and Cooperation.
euz.editorr@dandc.eu