Editorial
Die wirkliche Aufgabe
Wenn Privatunternehmen sich nicht entfalten können, wird es nicht gelingen, Armut zu besiegen. Nur marktorientierte Firmen können die Arbeitsplätze schaffen, die nötig sind, um Menschen massenhaft in Lohn und Brot zu bringen. Klar ist auch, dass Wettbewerb Innovationen anregt. Marktkonkurrenz reicht sicherlich nicht immer, um Neuerungen durchzusetzen, aber die Erfolgsrate von Regierungen, die per Anordnung Innovationen erreichen wollen, ist im Vergleich zum Markt absolut kümmerlich.
Dies sind nur zwei von vielen Argumenten, die erklären, warum Marktwirtschaft für Wohlstand unverzichtbar ist. Daraus folgt aber nicht, dass es nur darauf ankommt, auf keinen Fall in das Marktgeschehen einzugreifen, wie orthodoxe Liberale behaupten. Belege dafür, welchen immensen Schaden Marktversagen anrichtet, hat die globale Finanzkrise von 2008 geliefert. Private Geschäftsbanken hatten zu vielen Menschen zu viel Geld geliehen, ohne sorgfältig zu prüfen, ob die Kreditnehmer auf Dauer zahlungsfähig bleiben könnten. Zu viele Klienten steckten die Darlehen dann in Immobilien. Die Folge war eine absurde Inflation von Hauspreisen in Spanien, Irland, Kalifornien und anderswo. Clevere Finanzjongleure dachten sich obendrein Verbriefungskonzepte aus, die angeblich alle Risiken ausschalten konnten. Die erwünschte Sicherheit erwies sich natürlich als Illusion. Das Schneeballsystem konnte nicht ewig weitergehen, und als es einbrach, riss es die Weltwirtschaft in eine tiefe Krise.
Umweltschutz ist vielleicht das Politikfeld, in dem am deutlichsten wird, dass beides nötig ist: kluge Regulierung und Marktdynamik. Märkte ohne Regeln verursachen unbegrenzte Ökoschäden. Staaten müssen deshalb destruktive Praktiken einschränken. Andererseits zeigt die Geschichte, dass kapitalistische Volkswirtschaften der Sowjetunion und anderen Planwirtschaften im Umweltschutz immer voraus waren.
Auf dieses Argument reagieren linke Globalisierungsskeptiker gern mit dem Hinweis auf Großunternehmen, die sich in Entwicklungsländern in Branchen wie dem Bergbau oder der Großplantagenlandwirtschaft unökologisch verhalten. Mir leuchtet aber nicht ein, dass das beweisen soll, dass der Kapitalismus die Ursache ist. In Wahrheit ist das Problem doch unzureichende Regierungsführung und mangelhafte Gesetzgebung in den jeweiligen Staaten.
Märkte schaffen ungeregelt auch weder breiten Wohlstand noch Chancen für alle. Um das zu erreichen, müssen Sozialpolitik und Bildungspolitik stimmen. Wenn Unternehmen ihre Belegschaften gut behandeln sollen, ist es nötig, sie an Recht und Gesetz zu binden.
Es ist kein Zufall, dass die kleine Gruppen von Ländern, die regelmäßig an der Spitze des Human Development Index steht, sorgfältig regulierte Marktwirtschaften auszeichnen. Sie nutzen die Marktwirtschaft, um Wohlstand zu schaffen und breit zu verteilen. Dafür erheben sie Steuern, setzen Gesetze durch, berechtigen Menschen zu Leistungen und investieren in Infrastruktur und soziale Sicherung.
In der Entwicklungspolitik geht es nicht darum, entweder den Kapitalismus zu überwinden oder die Märkte zu entfesseln. Die wirkliche Herausforderung ist, mit kluger Politik dafür zu sorgen, dass privatwirtschaftliche Aktivität Wohlstand für alle schafft.
Hans Dembowski ist Chefredakteru von E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit / D+C Development and Cooperation.
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