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Urbanes Wohnen

„Eine Geschichte der Vernachlässigung“

Als am 31. August 2023 im Usindiso Shelter in der Innenstadt von Johannesburg ein Feuer ausbrach, lebten mehr als 200 Familien in dem illegal besetzten fünfstöckigen Gebäude. 77 Menschen starben, viele weitere wurden schwer verletzt. Alle gehörten zum ärmsten Teil der Stadtbevölkerung, etliche waren Zugewanderte aus anderen südafrikanischen Provinzen oder afrikanischen Ländern. Das Gebäude ist Eigentum der Stadt und seit dem Brand unbewohnbar. In diesem Interview spricht die Menschenrechtsexpertin Nomzamo Zondo über den politischen und sozialen Kontext der Katastrophe.

Nomzamo Zondo im Interview mit Eva Dick
Das als Usindiso Shelter bekannte Gebäude nach dem tödlichen Brand im August. picture-alliance/ASSOCIATED PRESS/Jerome Delay Das als Usindiso Shelter bekannte Gebäude nach dem tödlichen Brand im August.

Was geschah mit den Bewohner*innen im Usindiso Shelter in der Brandnacht? Wohin gingen sie?

Die Stadt Johannesburg stellte schnell Busse zur Verfügung, um die Menschen an einen Ort zu bringen, den sie „die Notunterkunft“ nennen. Tatsächlich handelt es sich um ein Gemeindezentrum in Bezuidenhout Valley, einem Vorort etwa sieben Kilometer vom zentralen Geschäftsviertel, wo Usindiso liegt, entfernt. Die Menschen weigerten sich zunächst, dorthin zu gehen. Diejenigen, deren Zimmer nicht abgebrannt waren, wussten nicht, wann sie an ihr Hab und Gut kommen würden. Andere wollten sich einen Überblick verschaffen und wissen, wer von den Menschen, die sie kannten, gefunden worden war und wer nicht.

Mindestens 250 Menschen wurden in die Notunterkunft gebracht, darunter auch Familien mit kleinen Kindern. Einige von ihnen wurden von dort auf andere Unterkünfte verteilt. Von Anfang an herrschte Überfüllung, die Menschen fühlten sich nicht wohl. Einige, deren Bekannte in anderen illegal besetzten Gebäuden lebten, bereiteten sich darauf vor, zu ihnen zu gehen. Ich hörte von einer Familie, die sich außerhalb von Johannesburg unter einer Brücke neben einem Busbahnhof für Minibusse niederließ.

Wie ging es in den Wochen und Monaten danach weiter?

Nach zwei Monaten lebten immer noch etwa 70 Menschen in der Notunterkunft in Bezuidenhout Valley. Der Rest hatte andere, illegal besetzte Gebäude bezogen. Einige sagten, die Stadt Johannesburg habe auch nach zwei Monaten noch nicht koordiniert Hilfe geleistet, etwa um jene zu unterstützen, die Familienmitglieder verloren hatten. Usindiso Shelter gehört aber der Stadt, also ist sie in der Verantwortung.

Es hieß, die Stadt würde sich um jene kümmern, die ins Krankenhaus mussten – dort erhielten sie aber keine Unterstützung. Auch gab es Probleme mit den persönlichen Gegenständen der Opfer. Einige versuchten vergeblich, in das Gebäude zu gelangen. Als es schließlich geöffnet wurde, stellten manche fest, dass sie bestohlen worden waren.

Viele glauben, die Bewohner*innen seien so unmenschlich behandelt worden, weil davon ausgegangen wurde, dass sie Migrant*innen sind – und deshalb keine humane Behandlung der Regierung verdienten. Das Socio-Economic Rights Institute of South Africa (SERI) hat versucht, dies in den Medien und auch in Gesprächen mit der Stadt zu thematisieren.

In einer Presseerklärung von SERI am Tag des Brandes hieß es, Usindiso sei beispielhaft dafür, wie die Stadt mit ihrem Wohnraum umgehe. Was meinten Sie damit?

Die Stadt gibt bei den Gebäuden, die ihr gehören, gerne vor, sie habe die Kontrolle darüber verloren. Es gibt aber Beweise dafür, dass sie nicht die Kontrolle verloren, sondern die Gebäude absichtlich vernachlässigt hat. Die Stadt war um Hilfe gebeten worden, und es gab konkrete Vorschläge für Maßnahmen – aber sie entschied, nichts zu tun. Daher ist Usindiso für uns nichts Neues – es ist eine Geschichte der Vernachlässigung. Ich finde das sehr frustrierend. Angesichts der Bedingungen in Usindiso, etwa des verhältnismäßig guten Zugangs zu Dienstleistungen, hatte das Gebäude durchaus Potenziale. Die Stadt hätte es nutzen können, um die bedürftigen Bewohner*innen der Innenstadt angemessen unterzubringen.

Wenn die Stadt ein Gebäude für unsicher erachtet, vertritt sie die Ansicht, es müsse geräumt werden. Oft wissen Bewohner*innen dann aber nicht, wohin sie gehen sollen. Die Menschen haben ein Recht auf Zugang zu angemessenem Wohnraum. Wenn sie sich keine Wohnung leisten können, muss der Staat ihnen Wohnraum zur Verfügung stellen. Dies geht aus dem südafrikanischen Emergency Housing Programme hervor, einer speziellen politischen Maßnahme im National Housing Code.

Wie kann das Emergency Housing Pro­gramme genutzt werden? Was hat die Stadt bisher getan?

Die Stadt hat das Programm noch nicht voll ausgeschöpft. Meiner Meinung nach hält sie sich nicht an die Verpflichtungen, die ihr die Gerichte zur Unterbringung von Menschen auferlegt haben. Sie hat nur dann Unterkünfte zur Verfügung gestellt, wenn Gerichte es angeordnet haben. Gegen unsichere Wohnverhältnisse hat sie aber nichts unternommen, obwohl das Programm dafür genutzt werden kann, Gebäude und Häuser sicherer zu machen – etwa durch die Einrichtung von Fluchtwegen und die Anschaffung von Geräten zum Feuerlöschen. Beispielsweise muss der Hydrant den richtigen Druck haben und an alle Stockwerke angeschlossen sein. Wenn die Stadt ein Gebäude renoviert, sollte sie für einen ausreichenden Zugang zu Wasser und sanitären Anlagen sorgen, sodass die Gesundheit der Bewohner*innen nicht gefährdet ist. Nur wenn die Bedingungen nicht sicher sind und eine Renovierung nicht praktikabel ist, sollte die Stadt die Menschen in andere Gebäude umsiedeln.

Das klingt, als wären größere Investitionen notwendig. Wie steht es mit der Finanzierung?

Kommunen können Mittel aus dem Fonds des Emergency Housing Programmes beantragen, um auf eine Notsituation zu reagieren. Das Programm zählt Zwangsräumungen ausdrücklich zu Notsituationen. Aber die Kommunen haben es bei Zwangsräumungen nicht genutzt, weil sie diese nicht als Notfall sehen – wahrscheinlich, weil man dabei eher an unerwartete Ereignisse wie Überschwemmungen und Brände denkt. Dagegen dauert das Gerichtsverfahren für eine Zwangsräumung meist zwei Jahre, manchmal sogar bis zu 15 Jahre. Es kann ein sehr langer Prozess sein.

Stadtverwaltungen allein können die städtische Wohnungsnot nicht lösen. Was müssten Regierungen in Südafrika auf nationaler oder Provinzebene tun?

Das nationale Wohnungsministerium hat die Aufgabe, die Gemeinden und Provinzen bei der Umsetzung des National Housing Code anzuleiten. Ich habe den Eindruck, dass die Stadtverwaltung von Johannesburg eher unwillig war. Aber auch die nationale Regierung und die Provinzregierung haben wenig geliefert – sie waren unsichtbar. Sie haben gesehen, dass die Stadt mit den Problemen nicht fertig wurde und versagt hat, sind aber nicht eingeschritten.

Bitte erläutern Sie das etwas näher.

SERI hat sowohl die nationale Regierung als auch die Provinzregierung aufgefordert, Johannesburg mit ihrem Fachwissen und ihren Ressourcen bei der Lösung der Wohnungskrise zu unterstützen. Zum Beispiel, indem sie mit der Stadt das Problem angehen, dass sie Bewohner*innen aus lebensgefährlichen Gebäuden umsiedeln muss, aber kaum geeignete Gebäude für sie findet. Hier könnte das nationale Infrastrukturministerium helfen. Es ist für alle staatlichen Immobilien zuständig und kann daher darüber informieren, wie viele davon verfügbar sind und was nötig wäre, um sie zu renovieren, damit die Stadt sie nutzen kann.

Wie können nichtstaatliche Akteure wie SERI dazu beitragen, sicheren Wohnraum in der Innenstadt von Johannesburg zu schaffen?

Direkt nach dem Brand im Usindiso Shelter haben wir unser Netzwerk mobilisiert und Fachleute wie etwa Architekt*innen um Hilfe bei der Neugestaltung gebeten. Es gibt mehrere gemeinnützige Organisationen, die bereit sind, mit den Bewohner*innen zusammenzuarbeiten, um die Gebäude sicherer zu machen. Das könnte mit mehr staatlicher Unterstützung noch effektiver funktionieren. SERI arbeitet seit mehr als zehn Jahren mit Bewohner*innen der Innenstadt zusammen. Wir sind bereit, ihnen und auch zivilgesellschaftlichen Organisationen, der Stadt und dem Staat zu helfen, die Probleme in Johannesburg gemeinsam anzugehen.

Kann die Katastrophe im Usindiso Shelter ein Weckruf sein?

Während der Apartheid diente Usindiso als Passierstelle, in der entschieden wurde, ob Nichtweiße Johannesburg betreten durften. Das Feuer hat uns erneut gezeigt, dass es zu wenige Fortschritte bei der Überwindung dieser Vergangenheit gegeben hat. Vielleicht ist dies ein Weckruf, um dafür zu sorgen, dass arme Stadtbewohner*innen mit jener Würde behandelt werden, für die vor dem Ende der Apartheid 1994 so unermüdlich gekämpft wurde.

Nomzamo Zondo ist Anwältin für Menschenrechte und Direktorin des Socio-Economic Rights Institute of South Africa (SERI).
nomzamo@seri-sa.org