Heutzutage

Ökotourismus für das Dorf

„Herzlich willkommen im Naturbad ,El Boquerón’, wir freuen uns, dass Sie hier sind." Mit diesen Worten empfängt der Leiter der Anlage, Víctor Arnoldo B’ac Coc, Touristen aus dem In- und Ausland. Der 31-jährige Q’eqchi’-Indianer bietet Bootstouren durch die Schlucht von El Boquerón an.
Patricia Galicia Patricia Galicia Patricia Galicia

 „Sie können dem Gesang der Vögel lauschen, Affen und Leguane sehen, das kristallklare Wasser und die Felsformationen bewundern", fährt er fort. Auch eine kleine Grotte liege auf dem Weg, ein Kultort der Maya, an dem noch Zeremonien stattfinden.

Früher hat sich Víctor als Saisonarbeiter durchgeschlagen, wie die meisten Männer in seinem Dorf im Osten Guatemalas. Die Armut ist groß, und so reisen sie von Farm zu Farm, um ein bisschen Geld zu verdienen. Heute aber leitet er das Naturbad: Er verwaltet die Finanzen, macht Führungen für die Touristen und hält die Anlage sauber. Zudem leitet er Gruppenaktivitäten zu Tier- und Pflanzenschutz mit den Dorfbewohnern. Gemeinsam pflegen sie den Park, sie haben Ruhebereiche eingerichtet, einen Parkplatz gebaut sowie Essensplätze aus recyclebarem Material und natürlichen, lokalen Ressourcen errichtet. Víctor bekam sein Amt in einer Wahl. Er ist Mitglied im Lokalen Entwicklungsrat. Dort hatte er vorgeschlagen, mit dem Schwimmbad Einnahmen zu generieren und damit den Gemeindehaushalt aufzustocken. Nach nur einem Jahr trägt seine Arbeit bereits Früchte: „Wir haben ein Tourismuskomitee gegründet und konnten ein Gesundheitszentrum bauen und zwei Pumpen kaufen, mit denen wir Wasser ins Dorf leiten.

Für das Naturbad haben wir Toiletten gebaut, und wir stehen mit dem Besitzer der Finca in Verhandlungen, um das Gelände zu kaufen." Das Dorf, in dem Víctor lebt und arbeitet, hat rund 300 Einwohner, die nahezu alle aus Bauernfamilien stammen. Die meisten sprechen nur ihre Muttersprache, die Maya-Sprache Q’eqchi’, und viele sind Analphabeten. Víctor hat vier Kinder. Seine Familie hat unter dem 36-jährigen Bürgerkrieg gelitten. Er selbst konnte nur die Grundschule besuchen und besitzt kein eigenes Land. Er lebt auf dem Grundstück seines Schwagers und will sich eine Existenz aufbauen.

Einst wurden die Ländereien hier zur Rinderzucht genutzt, aber heute nehmen Zuckerrohr- und Palmölplantagen allen Platz ein. „Wir haben bei der Kommune eine Petition gegen die Plantagen eingereicht", erzählt Víctor, „aber sie haben nicht auf uns gehört. Jetzt finden immerhin einige Leute auf den Plantagen Arbeit." Die Arbeit im Bad nimmt den größten Teil seiner Zeit in Anspruch. „Ich verdiene gerade mal den Gegenwert von sechs Dollar am Tag", sagt er. Andere haben den Job aufgegeben, weil das so wenig ist. „Aber ich bin zufrieden, denn ich arbeite für mein Dorf und bin nah bei meiner Familie. Es ist hart, wenn man weit weggehen muss, um Geld zu verdienen."

Víctor hat noch viele Ideen, wie es mit dem Dorf und seinem Schwimmbad weitergehen kann: „Ich möchte ein Stipendium bekommen, um Englisch zu lernen. Denn es kommen viele Besucher hierher, die kein Spanisch sprechen. Außerdem brauchen wir mehr soziale Projekte. Und wir müssen das Schwimmbad stärker in den Medien bewerben, damit mehr Menschen diesen wundervollen naturbelassenen Ort besuchen. Wenn Sie uns mit Ideen oder Kontakten unterstützen, danke ich Ihnen sehr."

 

Patricia Galicia ist Journalistin und Radioredakteurin aus Guatemala-Stadt, Guatemala.
patigalicia@yahoo.com