Entwicklungsstrategien
Ein neues Paradigma ist fällig
Die Heavily Indebted Poor Countries (HIPC) Initiative wurde 1999 auf dem G8-Gipfel in Köln beschlossen, auf Basis von Konzepten, die Weltbank und IWF bereits 1996 erarbeitet hatten. Die Idee war, betroffene Länder von einem Teil ihrer Schuldenlast zu befreien.
Die Ersparnisse aus dem Schuldenerlass sollten in Gesundheit, Bildung und Infrastruktur fließen. Um für einen Schuldenerlass in Frage zu kommen, mussten die Länder unter anderem folgende Kriterien erfüllen:
- unhaltbare Verschuldung,
- Anspruch auf Darlehen der Internationalen Entwicklungsagentur (IDA), der einkommensschwache Länder finanzierenden Weltbankfiliale,
- eine gute Erfolgsbilanz bei der Umsetzung der von internationalen Finanzinstitutionen vorgeschlagenen Reformen und
- ein Strategiepapier zur Armutsbekämpfung (poverty reduction strategy paper – PRSP).
Die Umsetzung des PRSP war Bedingung für weitere Unterstützung. Der HIPC-Initiative folgte ab 2005 die Multilateral Debt Relief Initiative (MDRI). In ähnlicher Weise konnten dabei 100 Prozent der Schulden bei IWF, Weltbank und Afrikanischem Entwicklungsfonds gestrichen werden.
Laut einem IWF-Bericht vom Oktober 2017 (IMF, 2018), wurden in den vergangenen 20 Jahren Schulden von mehr als 76 Milliarden Dollar erlassen. Die Wirtschaftslage hat sich dank der hohen Rohstoffpreise in den betroffenen Ländern deutlich verbessert.
Hinsichtlich der mittelfristigen finanziellen Kriterien war die Entschuldung erfolgreich. Es sind jedoch auch weitere Aspekte zu beachten, so etwa Ursachen für die strukturelle Verschuldung der afrikanischen Länder wie:
- Spezialisierung auf Rohstoffexporte,
- mangelnde Entwicklung in Landwirtschaft und verarbeitendem Gewerbe,
- Abhängigkeit von Technologie und Kapital aus entwickelten Ländern (einschließlich China) und
- erhebliche Transfers in diese Länder (rückgeführte Gewinne, Darlehenszinsen und Ex-Pat-Einkommen).
Die PRSPs waren generell sinnvoll, gingen aber diese Fragen nicht an. Somit besteht die internationale Arbeitsteilung fort, nach der Afrika Rohstoffe liefert, verarbeitete Waren einkauft und von reichen Ländern abhängig ist. Letztlich hat der Schuldenerlass nur dafür gesorgt, dass das so bleibt.
Die C2D-Politik belegt das. C2D -„Contrats de désendettement et de développement“ – steht für „Abkommen zur Entschuldung und Entwicklung“. Frankreich schließt C2D-Abkommen mit Ländern, die vom Schuldenerlass profitieren. Diese Länder müssen das Geld, das sie Frankreich schulden, an die französische Regierung zurückzahlen, die es für „Armutsbekämpfungsprojekte“ französischer Unternehmen einsetzt. Es wurden bereits rund 20 dieser C2Ds unterzeichnet.
Der Schuldenerlass war weder bedingungslos noch frei von Interessen. Als Gegenleistung mussten die Länder an marktradikalen Maßnahmen wie Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung festhalten.
Afrikanische Länder sind aufgrund von Unterentwicklung und asymmetrischen internationalen Beziehungen verschuldet. Um der Schuldenfalle zu entkommen, brauchen wir ein internationales System, das armen Ländern Spielräume gibt, ihre Landwirtschaft und Industrie ökologisch nachhaltig zu entwickeln. Wir brauchen keinen harten Wettbewerb, sondern ein solidarisches Globalisierungsparadigma.
Stattdessen steigt die Verschuldung vieler afrikanischer Länder an. Zwischen 2008 und 2016 verdoppelte sich der Anteil der Staatsverschuldung am Bruttoinlandsprodukt in Subsahara-Afrika auf rund 45 Prozent. Auch das Pendelszenario der 80er Jahre scheint sich zu wiederholen. Die Industrieländer nutzten ihre der Konjunkturschwäche zu verdankende Liquidität, um Kredite an arme Länder zu vergeben. Niedrige Rohstoffpreise, ein aufgewerteter Dollar und steigende Zinsen können die Verschuldung bald wieder untragbar machen. (nss)
LINK
IMF, 2018: Debt relief under the Heavily Indebted Poor Countries (HIPC) initiative.
http://www.imf.org/en/About/Factsheets/Sheets/2016/08/01/16/11/Debt-Relief-Under-the-Heavily-Indebted-Poor-Countries-Initiative