Entwicklung und
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Multilaterale Politik

Verpasste Chance

Aus zivilgesellschaftlicher Sicht ist die UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba enttäuschend verlaufen. Um eine solide Grundlage für nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz zu schaffen, wären verbindliche Zusagen nötig gewesen.
Belgiens Entwicklungsminister Alexander de Croo besucht während des Gipfels ein Armutsviertel. Benoit Doppagne/picture-alliance/dpa Belgiens Entwicklungsminister Alexander de Croo besucht während des Gipfels ein Armutsviertel.

Abseits des großen Medieninteresses kamen in Addis vom 13. bis zum 16. Juli 2015 zahlreiche Vertreter von Regierungen, Unternehmen und der Zivilgesellschaft zusammen, um zu beschließen, wie viel globale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit zukünftig wert sein sollten. Die in der äthiopischen Hauptstadt getroffenen Entscheidungen haben Signalwirkung für die nächsten großen internationalen Konferenzen über die Sustainable Development Goals (SDGs) im September in New York und die Klimapolitik im Dezember in Paris. Ohne verlässliche Finanzierungsgrundlage sind weder Fortschritte bei den SDGs noch beim Klimawandel realistisch.
 
Die Erwartungen zivilgesellschaftlicher Organisationen konzentrierten sich in Addis auf drei Bereiche:

  • Sicherung einer verlässlichen Finanzierungsgrundlage für nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz,
  • klare Rahmenbedingungen für private Investitionen und
  • Verbesserung des internationalen Steuersystems mit dem Ziel, nationale Einnahmen zu erhöhen.

In allen drei Bereichen blieb der verabschiedete Aktionsplan leider weitgehend unverbindlich.

Das Abschlussdokument umfasst zwar die gesamte Themenpalette nachhaltiger Entwicklungsfinanzierung, angefangen bei eigenen nationalen Mitteln über Handelsfragen und Auslandsverschuldung bis hin zu globalen Systemfragen. Es verweist auch auf die enge Verknüpfung von Klimapolitik und nachhaltiger Entwicklung. Es mangelt aber an konkreten Zusagen der Regierungen. Das alte, unerfüllte Versprechen der Industrienationen, 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Entwicklung bereitzustellen, wurde gebetsmühlenartig erneuert – aber ohne konkrete Termine. Das gilt auch für das Versprechen, mehr Mittel für den internationalen Klimaschutz bereitzustellen. Da internationale Verhandlungen Vertrauen erfordern, ist diese Unbestimmtheit wenig hilfreich.

Für ein Zaubermittel zum Ausgleich stagnierender öffentlicher Mittel halten viele Politiker offenbar steigende Privatinvestitionen und öffentlich-private Finanzierungspartnerschaften. Die Wirkung bleibt allerdings begrenzt, denn gewinnorientierte Unternehmen investieren nicht in den ärmsten Ländern und Regionen, und ihr Handeln nutzt nicht den ärmsten Menschen. Wichtige soziale Aufgaben wie Bildung und Basisgesundheit sind auch nicht profitträchtig. Noch ärgerlicher ist, dass der Aktionsplan kein klares Bekenntnis zur Achtung verbindlicher sozialer und ökologischer Mindeststandards sowie der Menschenrechte enthält. Das wäre die zentrale Voraussetzung für positive Impulse unternehmerischen Handelns zur Überwindung von Armut und Ungleichheit.

Fast gescheitert wären die Verhandlungen, weil sich die Industrieländer weigerten, der Forderung der Entwicklungs- und Schwellenländer zur Schaffung einer UN-Kommission für die globale Kooperation in Steuerfragen nachzugeben. Nun definiert weiterhin die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), in der die reichen Nationen unter sich sind, globale Steuerstandards. Für Entwicklungs- und Schwellenländer, denen jährlich geschätzte 200 Milliarden Dollar durch Steuerflucht und -vermeidung entgehen, ist das nicht akzeptabel.
 
Die OECD-Länder verweigerten sich auch bei anderen Themen. Deshalb werden bestehende Handels- und Investitionsregime nicht kritisch auf Risiken und Nebenwirkungen geprüft. Deshalb gibt es auch keinen Fortschritt bei der Schaffung eines unabhängigen Staateninsolvenzverfahrens als Grundlage des globalen Schuldenmanagements. Dabei zeigte das griechische Beispiel dieser Tage die Dringlichkeit eines solchen Instruments.

Was in Addis beschlossen wurde, verleiht den Gipfeln in New York und Paris keinen zusätzlichen Schwung. Es ist eher eine Hypothek. Ein Hoffnungsschimmer liegt jedoch in der Stärkung des bislang schwachen Umsetzungsprozesses: Künftig werden die Staaten in einem Forum für Entwicklungsfinanzierung jährlich über die erzielten Fortschritte beraten. Das immerhin ist ein positives Signal für die Umsetzung der SDGs.

 
Bernd Bornhorst
ist der Vorsitzende von VENRO, dem Verband Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe, in dem zivilgesellschaftliche Organisationen zusammengeschlossen sind.
b.bornhorst@venro.org

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