Demografischer Wandel

Fortschritt in Gefahr

Die Menschen in Benin leben heute durchschnittlich 23 Jahre länger als ihre Großeltern in den 1960ern, als das Land unabhängig von Frankreich wurde. Zugleich ist es jedoch besorgniserregend, dass die Armutsrate in den vergangenen Jahren gestiegen ist.
Ein Arzt untersucht ein Kind in einem Krankenhaus in einem Außenbezirk von Cotonou. Pascal Deloche/Godong/Lineair Ein Arzt untersucht ein Kind in einem Krankenhaus in einem Außenbezirk von Cotonou.

In Benin hat die durchschnittliche Lebenserwartung seit 1960 um 23 Jahre zugenommen, von damals 37 auf heute 60 Jahre. Dennoch gibt es große Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Regionen. In der Großstadt Cotonou und in kleineren Städten wie Porto-Novo, Ouidah oder Parakou gibt es eine Basisgesundheitsversorgung wie Krankenhäuser, Apotheken oder medizinische Labore. Bei Impfkampagnen werden viele Leute kostenlos behandelt, und Geburtskliniken sorgen dafür, dass Babys ebenfalls kostenlos geimpft werden.

Leute auf dem Land, besonders in abgelegenen Gegenden im Norden, sind benachteiligt. Sie haben keinen Zugang zu grundlegenden Gesundheitsleistungen. Die Frauen bekommen ihre Kinder meist zu Hause, was das Sterberisiko für Mutter und Kind erhöht.

2015 starben laut UN 405 Frauen bei einer Zahl von 100 000 Lebendgeburten. Zum Vergleich: 1990 war die Müttersterblichkeitsrate 576. 2015 starben von 1000 Babys 65 – im Vergleich: 1990 waren es 107. Laut Weltbank haben Frauen heute durchschnittlich 4,6 Kinder, zwei weniger als 1990.

Die UN berichteten, dass 2008 etwa drei Viertel der Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser, aber nur zwölf Prozent Zugang zu angemessenen Toiletten hatten. Das ist insofern bedenklich, weil sauberes Trinkwasser langfristig nicht gesichert werden kann, wenn das Abwasser ungefiltert in den Boden und damit ins Grundwasser sickert.   

Ebenfalls kritisch ist, dass nur wenige Ärzte dafür vorbereitet sind, in Dörfern zu praktizieren, in denen es kein sauberes Trinkwasser und keine Stromversorgung gibt. Nichtübertragbare Krankheiten wie Krebs, Diabetes oder Bluthochdruck sind schwer zu diagnostizieren, wenn es an modernen Geräten und Spezialisten mangelt. In ländlichen Gegenden sind Medikamente oft kaum erhältlich, und in den Städten können sich die Armen diese nicht leisten.

Es gibt in den vergangenen Jahrzehnten aber auch positive Trends. Das Gelbfieber ist fast ausgerottet, und Meningitis ist sehr selten geworden. Die Verbreitung von zwei tropischen Erkrankungen – Schlafkrankheit und Frambösie – konnte bedeutend reduziert werden. Mobile Kliniken konnten auch in ländlichen Regionen viel bewirken.

Die Statistiken in Afrika sind nicht immer zuverlässig und veranschaulichen nicht immer das Gesamtbild. Es ist erstaunlich, dass sich die Zahl der Friedhöfe vergrößert und am Straßenrand massenhaft Särge verkauft werden. Manchmal scheint es so, dass die Einwohner von Cotonou, Porto-Novo und anderen Städten ihr gesamtes Wochenende auf Beerdigungen verbringen. Dieser Eindruck ist vielleicht eine Folge des Bevölkerungswachstums. Benin hat heute 11 Millionen Einwohner – fast doppelt so viele wie 1995. Die Städte sind besonders gewachsen, also müssen mehr Tote nicht unbedingt ein Zeichen von schlechteren Lebensverhältnissen sein.

Andererseits hat die Armut in den vergangenen Jahren wieder zugenommen und könnte Einfluss auf die Lebenserwartung haben. Viele Menschen haben nicht die nötigen Ressourcen, um sich gut zu ernähren und sich gesundheitlich angemessen versorgen zu lassen. 

Einem Bericht des UN Development Programme (UNDP) von 2014 zufolge hat die Geldarmut in Benin zugenommen, und die Fortschritte in der Gesundheitsversorgung und Bildung waren nicht groß genug, um eine höhere Lebenserwartung auf Dauer zu gewährleisten.

Die Weltbank zeichnet ein ähnliches Bild von Benin. Sie berichtet, dass die Armut trotz leichten Wachstums des Bruttoinlandsprodukts von vier bis fünf Prozent zunimmt. 2009 betrug die nationale Armutsrate 35 Prozent und 40 Prozent im Jahr 2015.

Teil des Problems ist der große informelle Sektor, der rund zwei Drittel des Arbeitsmarkts ausmacht und in dem laut Weltbank rund 90 Prozent der Arbeitskräfte arbeiten (siehe meinen Beitrag in E+Z/D+C e-Paper 2017/11, S. 16). „Benins Wirtschaft ist abhängig von seinem informellen Re-Export und Transithandel nach Nigeria, der bis zu 20 Prozent ausmacht“, erklärt die Weltbank. Damit Armut nachhaltig bekämpft werden kann, muss sich Benins Wirtschaft modernisieren.


Karim Okanla ist Medienwissenschaftler und freiberuflicher Autor aus Benin.
karimokanla@yahoo.com