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Steueroasen

Nicht mit zweierlei Maß messen

Steueroasen sind die Spinne im Netz der Steuervermeidung. Die internationale Staatengemeinschaft hat ihnen daher offiziell den Kampf angesagt. Eine kohärente und effektive Steueroasenpolitik liegt jedoch noch in weiter Ferne.
Die Bank von Bermuda. Bermuda steht auf der grauen Liste der Steueroasen der EU. picture-alliance/Bildagentur-online Die Bank von Bermuda. Bermuda steht auf der grauen Liste der Steueroasen der EU.

Steueroasen locken Vermögen und Gewinne mit einem Mix aus extrem niedrigen Steuersätzen, individuellen Steuervergünstigungen und Verschleierungsmöglichkeiten an und entziehen sie einer gerechten Besteuerung – auf Kosten der Bürger armer wie reicher Länder. Ein wichtiges Instrument, um das zu ändern, sind schwarze Lis­ten. Bislang wird es aber zu wenig genutzt, um Steueroasen tatsächlich unter Druck zu setzen. So haben die G20 auf ihrem Gipfel in Hamburg auf Vorschlag der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine Liste verabschiedet, auf der lediglich ein Land verzeichnet ist: der Karibikstaat Trinidad und Tobago.

Die EU will es nun besser machen. Sie hat erstmals ein eigenes Verzeichnis von Steueroasen erstellt. Am 5. Dezember 2017 einigten sich die europäischen Finanzminister auf eine schwarze Liste, die 17 Länder und Verwaltungsgebiete umfasst. Weitere 46 stehen auf einer sogenannten grauen Liste. Diese Länder sind derzeit als Steueroasen einzuordnen, haben sich aber zu Reformen bereiterklärt. Befürchtungen, die EU-Liste könnte so gut wie leer bleiben und so zur Farce werden, haben sich damit nicht bestätigt. Sie enthält die meisten der 35 Länder und Verwaltungsgebiete, die laut einem Oxfam-Schattenbericht auf Grundlage der EU-Kriterien auf jeden Fall auf der Liste stehen müssen.

Schwachstellen sind dennoch offensichtlich. Die EU hat die Länder anhand von drei zentralen Kriterien bewertet:

  • Steuertransparenz, welche insbesondere die Bereitschaft zum Austausch von Informationen mit anderen Verwaltungen umfasst,
  • faire Besteuerung, das heißt, Länder gewähren keine schädigenden Steuervergünstigungen, und
  • die Umsetzung der im Rahmen der OECD vereinbarten Maßnahmen, um die Gewinnkürzung und -verlagerung von Unternehmen (base erosion and profit shifting – BEPS) einzudämmen.

In diesem Kriterienkatalog fehlt das Merkmal, ob überhaupt Steuern erhoben werden. Ein Steuersatz von null Prozent ist aus Sicht der EU lediglich ein Indikator unter vielen, führt aber nicht automatisch zur Einstufung als Steueroase. Das illustriert eine wesentliche Herausforderung der internationalen Steuerpolitik: Dass Länder mit extrem niedrigen Steuersätzen den ruinösen internationalen Steuerwettlauf nach unten immer weiter befeuern, wird noch immer nicht als grundlegendes Problem angesehen.

Auf der schwarzen Liste stehen vor allem kleinere Länder, viele davon in der Karibik. Konsistent ist sie nicht: Die Einstufung etwa der Mongolei oder Tunesiens in diese Kategorie ist unverständlich. Sie beruht vor allem darauf, dass diese Länder nicht das Transparenzkriterium erfüllen, sprich nicht am internationalen Datenaustausch teilnehmen. Dabei wird außer Acht gelassen, dass ihre Steuerverwaltungen schlichtweg nicht die Kapazitäten haben, um die internationalen Standards zu erfüllen. Länder mit mittlerem oder niedrigem Einkommen sollten aber nur dann aufgenommen werden, wenn sie tatsächlich schädliche Steuerpraktiken anwenden.

Tatsächliche Schwergewichte unter den Steueroasen finden sich hingegen lediglich auf der grauen Liste, darunter die Schweiz und Bermuda. Die EU sagt, dass sie diesen Ländern Reformzugeständnisse abgerungen habe. Wie diese genau aussehen, bleibt jedoch unklar. Die EU muss offenlegen, wie die vereinbarten Reformen konkret aussehen, und auf zeitnahe Umsetzung drängen. Die graue Liste darf kein dauerhaftes Rettungsboot sein; ohne zeitnahe, substanzielle Reformen müssen die Länder auf die schwarze Liste überführt werden. Um Wirkung zu zeigen, muss die Liste zudem mit Maßnahmen seitens der EU verknüpft werden, etwa der Erhebung von Steuern auf Finanzflüsse in Steueroasen.

Eine entscheidende Schwachstelle der EU-Steueroasenpolitik besteht darin, dass EU-Länder außen vor bleiben. Gemäß den nun von der EU angelegten Kriterien müssten nach Oxfam-Einschätzung auch Malta, Luxemburg, die Niederlande und Irland auf der Liste stehen. Wer Steueroasen wirklich austrocknen will, darf nicht mit zweierlei Maß messen.

Die EU steht daher in ihren Bemühungen erst am Anfang. Sie muss die nun veröffentlichte Liste konsolidieren, indem die echten Steueroasen identifiziert und unter Druck gesetzt werden. Dafür muss sie ihre Bewertungsgrundlagen transparenter machen und vor allem sehr niedrige und Null-Steuersätze als Kriterium anerkennen. Länder, die ökonomisch stark von ihrem Status als Steueroase abhängen, brauchen Unterstützung bei der Entwicklung nachhaltiger Geschäftsmodelle. Und die EU muss den Druck auf ihre Mitgliedstaaten erhöhen, schädliche Steuerpraktiken zu beenden.


Tobias Hauschild ist Referent für Entwicklungszusammenarbeit und soziale Grunddienste bei Oxfam Deutschland.
thauschild@oxfam.de


Link
Oxfam, 2017: Blacklist or white wash? What a real EU blacklist of tax havens should look like.
https://www.oxfam.org/en/research/blacklist-or-whitewash-what-real-eu-blacklist-tax-havens-should-look
 

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