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IWF

Die Rolle des IWF in der globalen Schuldenkrise

Der Internationale Währungsfonds (IWF) spielt in der aktuellen globalen Schuldenkrise eine zentrale Rolle. Seine Analysen entscheiden mit darüber, wie Gläubiger und Politik mit den Schulden eines Landes verfahren. Der IWF muss mehr tun, um die Schuldenkrise nicht weiter zu verschleppen, sondern sie konstruktiv anzugehen.
Sri Lanka ist pleite: Demonstration in Colombo im April 2022. Sri Lanka ist pleite: Demonstration in Colombo im April 2022.

IWF-Direktorin Kristalina Georgieva und Weltbank-Präsident David Malpass zählen zu den lautesten Stimmen, die öffentlich rasche Schuldenerlasse für kritisch verschuldete Länder fordern. Doch anstatt von Überschuldung bedrohte Länder zu Umschuldungen zu ermutigen, reagiert der IWF im konkreten Länderfall äußerst zurückhaltend. Restrukturierungsmaßnahmen werden nur zögerlich als mögliche Option in den Länderberichten diskutiert oder bei der Vergabe von Krediten zur Bedingung gemacht.

In seinen mehr als 100 Analysen zwischen November 2020 und Januar 2022 nennt der IWF bei 44 Ländern mit hohem Überschuldungsrisiko in nur fünf Ländern Schuldenerlasse als mögliche Option. Bei diesen handelt es sich um Angola, die Seychellen, Malawi, den Tschad und Suriname. Von diesen fünf Ländern war allerdings Suriname bereits im Zahlungsverzug, und der Tschad befand sich bereits in laufenden Umschuldungsverhandlungen. In allen anderen Fällen zog der IWF Umschuldungen nicht in Betracht oder nannte sie als Möglichkeit zur Verbesserung der Schuldentragfähigkeit. Dies ist problematisch, da die Empfehlungen des IWF Regierungen als Handlungsrichtlinie dienen.

Hausgemachte IWF-Probleme

Noch relevanter ist dies, wenn der IWF selbst als Kreditgeber in Krisenzeiten einspringt. Gemäß den eigenen Statuten darf die Institution nur an Länder Kredite vergeben, denen die Rückzahlung mit hoher Wahrscheinlichkeit möglich ist. Stellt der IWF selbst fest, dass dies nicht der Fall ist, muss er die Vergabe seines Kredites davon abhängig machen, dass die bisherigen Gläubiger Schulden erlassen und so die Schuldenlast gesenkt wird.

Dies ergibt auch deshalb Sinn, weil der Schuldnerstaat die IWF-Mittel sonst dafür nutzen könnte, eine eigentlich notwendige Umschuldung zu verzögern. Er kann mit den frischen Mitteln des IWF zunächst seine Gläubiger weiter ausbezahlen. Ist das Land aber nicht nur vorübergehend knapp bei Kasse, sondern bereits überschuldet, ist es wahrscheinlich, dass es ohne Schuldenerlass wirtschaftlich nicht wieder auf die Beine kommt.

Werden Schulden mit IWF-Krediten bezahlt und eine Umschuldung wird später unvermeidbar, ist davon auszugehen, dass sich ein Teil der Gläubiger bereits aus dem Land zurückgezogen hat und somit nicht mehr an der Krisenlösung beteiligt werden kann. Multilaterale Gläubiger wie der IWF halten dann einen größeren Anteil der ausstehenden Verbindlichkeiten. Dies macht zukünftige Restrukturierungen schwieriger. Denn Kredite von multilateralen Gläubigern wie dem IWF gelten als nicht restrukturierbar. Diese Verlagerung von privaten auf öffentliche multilaterale Gläubiger führte bereits in den 1980er Jahren dazu, dass die Lösung der Schuldenkrise verschleppt wurde und die Gläubiger ungleich an den Krisenkosten beteiligt wurden. In den vergangenen Jahren ist ein ähnlicher Trend erneut zu beobachten.

Rekordkreditvergabe in der Krise

2022 lag die Kreditvergabe des IWF im dritten Jahr in Folge auf einem historischen Rekordniveau. Der IWF betrachtet mehr als die Hälfte der Niedrigeinkommensländer als überschuldet (siehe Kathrin Berensmann auf www.dandc.eu).

Trotzdem hält sich die Institution nicht an ihre eigenen Vorschriften und vergibt Kredite auch im Falle einer von ihr selbst attestierten hohen Überschuldungsgefahr, ohne Umschuldungen zur Bedingung zu machen.

Während der IWF mit Umschuldungsempfehlungen sehr zurückhaltend ist, kann das von der Forderung nach Anpassungsmaßnahmen im Schuldnerland nicht behauptet werden. Tatsächlich ist fiskalische Konsolidierung die Standardempfehlung des IWF zur Senkung der Schuldenquote. Laut Isabel Ortiz und Matthew Cummings (2022), zwei kritischen IWF-Fachleuten, sind 2023 in 94 Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen entsprechende Maßnahmen geplant.

Dies setzt einen Trend fort, der seit Mitte der 2010er Jahre zu beobachten ist und nur kurzfristig im Zuge von Corona  durchbrochen wurde. Dabei handeln nicht alle Länder aufgrund expliziter IWF-Forderungen. Doch trägt der Fonds durch seine jährlichen Gutachten und Empfehlungen eine Mitverantwortung dafür, dass diese Maßnahmen oft als alternativlos angesehen werden.

Die „beliebteste“ Konsolidierungsmaßnahme im Globalen Süden ist die Begrenzung der Sozialausgaben, die in 88 Ländern geplant ist. Sozialleistungen sollen nur noch den wirklich Bedürftigen zur Verfügung stehen. Dadurch wird häufig ein Großteil der Haushalte mit niedrigem Einkommen von entsprechenden Leistungen ausgeschlossen.

Um Einnahmen zu erhöhen, setzen Regierungen meist nicht auf progressive Einkommens-, Unternehmens- oder Vermögenssteuern, sondern primär auf die Erhöhung der Konsumsteuer. Dies belastet die Einkommensschwächsten am stärksten. So werden die Kosten der Schuldenkrise zu einem Großteil auf die Bevölkerung abgewälzt. Wie IWF-interne Auswertungen zeigen, führen solche Maßnahmen häufig dazu, dass sich die wirtschaftliche Situation weiter verschlechtert.

Erlasse kleinrechnen

Wenn Umschuldungsverhandlungen eingeleitet werden, ist die Berechnung des IWF bezüglich einer notwendigen Schuldenerleichterung eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Gläubiger. In der Vergangenheit hat der IWF diesen Erlassbedarf jedoch wiederholt kleingerechnet, zum Beispiel durch besonders optimistische Prognosen beim erwarteten Wirtschaftswachstum. Das war zum Beispiel der Fall in Griechenland nach 2010.

Auch heute droht sich so ein Szenario in einigen Ländern abzuzeichnen: So macht der IWF im Fall Sri Lankas, wo er Schuldenrestrukturierungen für nötig hält und wo seine Analysen die Grundlage für Verhandlungen sind, als auch Sambias, das sich bereits in Umschuldungsverhandlungen befindet, einen im Vergleich zu Nachbarländern überdurchschnittlich hohen Haushaltsüberschuss zur Grundlage seiner Berechnungen. Im Fall Sambias hat der IWF zudem lediglich Erleichterungen beim Schuldendienst empfohlen und es vermieden, Streichungen beim Schuldenstand vorzuschlagen (siehe Peter Mulenga et al. auf www.dandc.eu). Dabei kommen selbst IWF-interne Studien zu dem Ergebnis, dass Restrukturierungen, die die Kapitalabschläge einbeziehen, effektiver waren, um die Schuldentragfähigkeit wiederherzustellen, als die, die es nicht taten.

Einfluss auf andere Gläubiger in Umschuldungen

Die aktuelle Schuldenkrise ist auch dadurch gekennzeichnet, dass einzelne Gläubiger(-gruppen) wenig Bereitschaft zeigen, sich an Schuldenrestrukturierungen zu beteiligen. Hier könnte der IWF Einfluss nehmen: Zum einen könnten multilaterale Entwicklungsbanken und der IWF davon absehen, dass ihre Forderungen unter keinen Umständen erlassen werden können. In mindestens 38 Niedrigeinkommensländern machen diese multilateralen Forderungen mehr als 50 Prozent der ausstehenden Auslandsschulden aus. Solange sich Weltbank, IWF und Co. prinzipiell weigern, über die eigenen Forderungen zu verhandeln, ist es nachvollziehbar, dass andere Gläubiger ebenfalls nicht bereit sind, Zugeständnisse zu machen.

Zum anderen kann der IWF durch seine Kreditvergabepolitik Druck auf unkooperative Gläubiger ausüben: Die sogenannte Lending into Arrears Policy erlaubt es dem IWF, hochverschuldeten Ländern auch dann Kredite zur Verfügung zu stellen, wenn sie im Zahlungsverzug gegenüber privaten oder öffentlichen Gläubigern sind. Proaktive Nutzung dieser Politik, wie es die IWF-Direktorin Georgieva im Dezember 2021 ins Gespräch gebracht hat, könnte Gläubiger antreiben, notwendigen Schuldenerlassen zuzustimmen.

Reform der IWF-Praxis

Für eine zeitige und faire Lösung der aktuellen Schuldenkrise braucht es eine Reform der aktuellen Praxis des IWF.

  • Erstens sollte die Institution bei kritisch verschuldeten Ländern Umschuldungsverhandlungen und Schuldenerlasse standardmäßig als Option in den jährlichen Länderberichten diskutieren.
  • Zweitens müssen in Fällen, in denen die Schuldenlast des antragstellenden Staates kritisch ist, Restrukturierungen zur Bedingung der eigenen Kreditvergabe des IWF gemacht werden, auch wenn Länder ihre Zahlungen noch nicht einstellen mussten.
  • Drittens müssen bei der Bestimmung eines Schuldenerlasses realistische Prognosen der wirtschaftlichen Entwicklung zu Grunde gelegt werden.
  • Viertens dürfen Anpassungsmaßnahmen nicht zu einer Leistungskürzung für vulnerable Bevölkerungsgruppen führen.
  • Fünftens sollte der IWF seine Möglichkeiten nutzen, um die Bereitschaft übriger Gläubiger für Schuldenerlasse zu erhöhen. Dazu zählt auch, den absoluten Ausnahmestatus der eigenen Forderungen bei Umschuldungen in Frage zu stellen.

Bei aller sinnvollen Detailkritik sollte nicht aus dem Blick geraten, dass die Verfehlungen der IWF-Politik auch Ergebnis eines strukturellen Ungleichgewichts sind. Neben Reformen ist es daher notwendig, die Aufgabenfülle des IWF zu entflechten und auf unterschiedliche Institutionen im Rahmen des UN-Systems zu verlagern, wie Jürgen Kaiser 2018 in E+Z/D+C ausführte.


Kristina Rehbein ist politische Koordinatorin bei Erlassjahr.de.
k.rehbein@erlassjahr.de

Malina Stutz ist politische Referentin bei Erlassjahr.de.
m.stutz@erlassjahr.de

Quelle:

Ortiz, I. and M. Cummings, 2022: End Austerity: A Global Report on Budget Cuts and Harmful Social Reforms in 2022-25, EURODAD et al.

 

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