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Entwicklungsfinanzierung

Experten diskutieren den Weg zu einer grünen Wirtschaft

Es mangelt an Bewusstsein, Öffentlichkeit und Handeln: Zu diesem Schluss kommen Experten in Bezug auf die aktuelle Biodiversitätskrise. Diese gilt es, mit dem Klimaschutz zu verbinden, und dafür eine valide Finanzierung zu finden.
Plastikverschmutzung im indischen Ozean. Plastikverschmutzung im indischen Ozean.

Der massive Verlust an Biodiversität auf der Erde ist mit wissenschaftlichen Erkenntnissen deutlich belegt. Experten halten es für alarmierend, dass dieses Thema dennoch so wenig in den Medien und im öffentlichem Bewusstsein präsent ist. Denn die Lage ist sehr ernst. Johan Rockström, Co-Direktor des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, stellt fest, dass die Biodiversitätskrise für die Menschheit für noch bedrohlicher sei als die Klimakrise.

Rockström entwarf 2009 das Konzept der planetaren Belastungsgrenzen. Dabei definierte er neun Bereiche, die für Gesundheit und Überleben der heutigen menschlichen Zivilisation zentral sind. Darunter finden sich der Klimawandel, der Süßwasserverbrauch, die Ozeanversauerung und das Artensterben, also der Verlust an Biodiversität. Greift der Mensch zu stark in diese Bereiche ein und überschreitet für den Planeten noch tragbare Grenzen, kann es zu Veränderungen kommen, die die Stabilität des Ökosystems der Erde und damit das Überleben der Menschheit gefährden. Aktuell, so Rockström, befände sich der Planet in sechs der neun Bereiche außerhalb des für die Menschheit sicheren Bereichs – Klimawandel und Biodiversität gehören dazu.

Damit verlasse man das sogenannte Holozän, die aktuelle Klimaepoche. Sie zeichnet sich durch stabile Bedingungen aus und ist die Basis für die heutige moderne Welt. Eine von Rockströms Schlussfolgerungen: Es muss das Ziel sein, das Erdsystem in einem holozänartigen Zustand zu halten. Biodiversitätsschutz und Klimaschutz müssten dazu miteinander verknüpft werden. Es sei wichtig, die Natur intakt zu halten, um das 1,5-Grad-Ziel von Paris noch einzuhalten zu können (siehe Peter Hilliges und Christian Lütke Wöstmann auf www.dandc.eu). Eine intakte Natur könne CO2 aufnehmen, solange die Menschheit das Treibhausgas weiter ausstoße.

Für dieses Ziel setzen sich auch indigene Menschen in vielen Teilen der Erde ein, wie eine ihrer Vertreterinnen, die Philippinin Joan Carling von der Organisation Indigenous Peoples Rights International (IPRI), betont. Sie weist darauf hin, dass indigene Menschen wertvolle Dienste in Sachen Biodiversität leisteten und gleichzeitig besonders schwer von den Folgen des Klimawandels betroffen seien. IPRI kritisiert, dass manche Klimaschutzprojekte wie große Wasserkraftwerke, Bau erneuerbarer Energiekraftwerke oder Biokraftstoffplantagen die Rechte indigener Völker über ihr Land und ihre Ressourcen verletzen. IPRI fordert, dass indigene Gemeinden vor der Umsetzung dieser Projekte informiert werden und ihre Zustimmung eingeholt werden müsse (siehe hierzu auch Korinna Horta auf www.dandc.eu).

Lösungsansätze

Experten und Expertinnen aus Wissenschaft, Politik und Privatwirtschaft diskutierten im Oktober bei einer Fachveranstaltung der KfW, dem Development Finance Forum (DFF), in Frankfurt über Lösungsansätze für die Klima- und Biodiversitätskrise. Eine Hauptforderung lautete, dass Kosten für umweltschädliches Handeln stärker „internalisiert“ werden müssten. Das bedeutet, dass Umweltverschmutzung und -zerstörung für den Verursacher einen Preis haben müssen, anstatt dass die oft später anfallenden Kosten dafür allein die Gemeinschaft trägt. Derzeit können verursachende Unternehmen höhere Gewinne erwirtschaften, weil sie die Schäden nicht bezahlen müssen.

Ein Problem dabei ist, dass biodiversitätsschädliche Vorhaben nicht so eindeutig auszumachen sind wie klimaschädliche Vorhaben. In puncto Klima gilt dabei vereinfacht gesagt: Je mehr CO2 oder andere Treibhausgase für ein Vorhaben ausgestoßen werden, desto klimaschädlicher ist es. Damit ist die Schädlichkeit relativ einfach zu beziffern und zu bepreisen. Das Pro­blem für die Biodiversität ist, dass es kein einfaches Äquivalent zum CO2 gibt, sagt die Biologin Frauke Fischer von der Universität Würzburg.

Immer wieder werde sie gefragt, wie sich messen ließe, wie schädlich ein Vorhaben für die Biodiversität sei, und wie sich Kosten kalkulieren ließen. Dies sei nicht leicht zu beantworten. Es gebe allerdings Felder und Produkte, betont Fischer, die eindeutig „No-Gos“ für Klima und Biodiversität seien. Sie riet beispielsweise davon ab, in Vorhaben zu investieren, die einen Landnutzungswechsel beinhalten. Stattdessen gelte, dass nicht alle Maßnahmen fürs Klima gut für Biodiversität seien, dass aber umgekehrt alle Maßnahmen für Biodiversität auch dem Klima nützten.

Wandel zur grünen Wirtschaft

Ein Teil der Wirtschaftswissenschaftler sieht die Lösung, um wirtschaftliches Wachstum und Nachhaltigkeit zu verknüpfen, in einer sogenannten grünen Wirtschaft. Das bedeutet, dass nur klima- und umweltschonende Branchen und Unternehmen gefördert und finanziert werden. Wie dies umzusetzen ist, müssen sich Politik und Wissenschaft überlegen.

Die Transformation hin zu Nachhaltigkeit sei aus öffentlichen Mitteln allein nicht zu schaffen, so der Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Jochen Flasbarth, auf dem DFF.

KfW-Vorstandsmitglied Christiane Laibach plädierte für einen zweigeteilten Ansatz: Einerseits müsse man für Unternehmen Anreize für ein nachhaltiges Geschäftsmodell schaffen, da gebe es schon erfolgreiche Beispiele. Andererseits brauche man auch Regulierung. In der Finanzwelt gibt es beispielsweise die sogenannten ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance), anhand derer Investoren entscheiden können, ob sie in ein bestimmtes Unternehmen oder Projekt investieren wollen.

Die ESG-Kriterien sind allerdings umstritten, unter anderem weil es keine allgemeingültige Definition der Kriterien gibt und sie nur begrenzt abbilden, wie nachhaltig ein Unternehmen ist (siehe hierzu Kathrin Bertensmann auf www.dandc.eu). Jennifer Paffen von der Bethmann Bank AG/ABN AMRO weist darauf hin, dass Engagement für Klima und Biodiversität nur einen kleinen Teil des „E“ in ESG ausmache. Es sei also möglich, unter ESG-Kriterien in ein Unternehmen zu investieren, das wenig bis gar nichts für Klima und Biodiversität tue.

Einig sind sich Umweltfachleute darin, dass sie das Thema Biodiversität für Entscheider und Entscheiderinnen „übersetzen“ müssen. Sie müssten versuchen, das Thema trotz seiner Komplexität einfach darzustellen, um die Menschen zu erreichen. So lassen sich das fehlende Bewusstsein schaffen und Menschen zum Handeln bewegen, so die Hoffnung.


Maren van Treel ist Redakteurin bei E+Z/D+C.
euz.editor@dandc.eu