Neues Bündnis
Religion und Politik in Sri Lanka
Als Student gehörte AKD – wie das Staatsoberhaupt gemeinhin genannt wird – einer linksradikalen Gruppe an. Diese Haltung behielt er lange bei. Vor der Präsidentschaftswahl in diesem September orientierte er sich aber stärker zur Mitte hin. Medien berichteten von seinen Treffen mit buddhistischen Führungspersonen. Fotos zeigten, wie er Mönchen Geschenke überreichte.
AKD machte auch das Image seiner Partei, der People’s Liberation Front (PLF), sanfter und gründete zudem eine zweite, die National People’s Power (NPP). Er ist für beide der Spitzenmann; einige seiner engen Verbündeten besetzen in beiden Organisationen Führungspositionen. Die NPP sprach trotz ihrer Verbindung mit der PLF und deren gewaltgeprägter Vergangenheit eine Wählerschaft aus Mittel- und Oberschichten an, die von der bisherigen Politik enttäuscht ist.
Multikulturelle Nation
Sri Lanka ist ein multikulturelles Land. Die Mehrheit ist singhalesisch und gehört überwiegend dem Buddhismus an. Die tamilische Bevölkerungsgruppe ist mehrheitlich hinduistisch und stellt ungefähr 15 Prozent der Bevölkerung. Knapp zehn Prozent gehören dem Islam und rund sieben Prozent dem Christentum an.
Aus offensichtlichen Gründen erbitten sich Politiker*innen gewöhnlich den Segen des buddhistischen Klerus, ob sie nun selbst buddhistisch sind oder nicht. Der Rajapaksa-Clan, der 15 Jahre lang die Politik dominierte, betonte die singhalesisch-buddhistische Identität. Sein Einfluss beruhte auf dem militärischen Sieg über die separatistischen LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam) nach einem langen und blutigen Bürgerkrieg.
2022 löste dann eine gravierende Finanzkrise einen Volksaufstand aus, der die Rajapaksa-Herrschaft beendete. Keine Regierung kann die Wirtschaft schnell wieder in Schwung bringen – es wird lange dauern.
AKDs linke PLF hat ihrerseits eine Gewalthistorie. Sie rebellierte 1971 und 1987 bis 1989 gegen gewählte Regierungen, gab jedoch später den bewaffneten Kampf auf. Jüngere Mönche haben die PLF in der Vergangenheit durchaus unterstützt, aber das buddhistische Establishment tat das nicht. Das hat sich nun wohl geändert, obwohl es lange Abscheu gegen die PLF gab, nachdem diese in den späten 1980er-Jahren versucht hatte, eine heilige Reliquie – einen Zahn des Buddha – aus einem Tempel in Kandy zu stehlen.
Synkritische Tradition
Sri Lankas Buddhismus ist von mehreren Einflüssen geprägt. Angesichts der Nähe zu Indien spielt der Hinduismus eine Rolle, und tat das schon in vorbuddhistischen Zeiten. Heute noch haben Tempel typischerweise auch Statuen von Hindu-Gottheiten. Animistische Vorstellungen von Geistern und Dämonen bestehen ebenfalls fort. Traditionell ist der Buddhismus in Sri Lanka synkritisch und grenzt sich nicht mit klaren Linien von anderen Glaubenssystemen ab.
Angesichts christlicher Einflüsse gab es im 19. Jahrhundert eine Renaissance des Buddhismus. Henry Steel Olcott, ein pantheistischer Philosoph aus den USA, spielte dabei eine wichtige Rolle. In dieser Zeit entstand ein singhalesisch-buddhistischer Nationalismus.
Der Kulturwissenschaftler Harshana Rambukwella sieht einen Zusammenhang mit der Kolonialherrschaft. Das British Empire verfolgte Teile-und-herrsche-Strategien. Volkszählungen in den Kolonien dienten deshalb nicht nur Planungszwecken, sondern auch dem Machterhalt. Rambukwella betont aber, dass im frühen 20. Jahrhundert die buddhistisch-singhalesische Identität noch nicht fest verankert war.
Ihm zufolge war 1956 ein Wendepunkt mit einem wichtigen buddhistischen Fest, Wahlen und der Veröffentlichung eines Berichts, der das Narrativ buddhistischer Benachteiligung bekräftigte. Die Botschaft war, die Kolonialmacht habe ihr Versprechen gegenüber der Glaubensgemeinschaft nicht gehalten. Sie kam bei der Mehrheitsbevölkerung gut an, sodass – so Rambukwella – eine allmähliche Institutionalisierung und Politisierung des Buddhismus einsetzte.
Bürgerkrieg
Die Verfassung von 1972 machte dann den Buddhismus zwar nicht zur Staatsreligion, gab ihm aber eine besondere Stellung. Das sollte vermutlich die Mehrheitsbevölkerung überzeugen, nährte aber in der tamilischen Volksgruppe Entfremdungsgefühle. Zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit hatte sie sich für Gleichberechtigung eingesetzt. Ende der 1970er-Jahre mündete das in einen bewaffneten Kampf. Sowohl die singhalesische als auch die tamilische Seite machten sich schwerer Verbrechen schuldig. Die LTTE wurde zur zentralen Miliz des Aufstandes und wurde erst nach drei Jahrzehnten 2009 vernichtend geschlagen. Politisch profitierte der Rajapaksa-Clan von diesem Sieg.
Die Finanzkrise von 2022 hat dann das nationale Selbstverständnis verändert. Präsident Gotabaya Rajapaksa trat zurück und floh zeitweilig ins Ausland. Die Wirtschaftskrise machte allen Gesellschaftsschichten und Glaubensgemeinschaften schwer zu schaffen. AKD verstand es, das politisch zu nutzen. Er profilierte seine neue NPP als Partei gegen Korruption und Vetternwirtschaft und fand damit breiten Anklang.
Bei den Parlamentswahlen im Oktober gewann sie 159 von 225 Sitzen. Sie siegte nicht nur in singhalesischen Wahlkreisen, sondern auch in der tamilischen Hochburg Jaffna. Die Resultate bekräftigen also den Sieg von AKD bei den Präsidentschaftswahlen im September.
Arjuna Ranawana ist ein Journalist auf Sri Lanka.
arjuna.ranawana@outlook.com