Kommentar

Wie ein doppelter Espresso

Beim MDG-Gipfel wurde viel Kluges zum Thema Armutsbekämpfung gesagt. Nun müssen Taten folgen, meint Tobias Kahler, der für ONE in New York mit dabei war.

[ Von Tobias Kahler ]

Ausnahmezustand MDG-Gipfel. In Manhattan steht rund um die Vereinten Nationen der Verkehr still. Sicherheitsfahrzeuge, Polizisten und Secret-Service-Personal strapazieren die Geduld der gipfelerprobten New Yorker.

Auch vielen Gipfelteilnehmern geht es zu langsam voran – bei der Erreichung der UN Millenniums-Entwicklungszielen (MDGs): Die Emotionen zur Zwischenbilanz oszillierten zwischen Frust wegen vieler Rückstände und Optimismus angesichts erzielter Fortschritte. Von „Licht und Schatten“ wurde denn auch viel gesprochen.

Für ein Fazit ist zu früh – es bleibt abzuwarten, ob den guten Worten auch wirklich Taten folgen. Zumindest aber wirkte der Gipfel anregend wie ein doppelter Espresso: Armutsbekämpfung wurde für einige Tage zur Chefsache, Aktivisten vernetzten sich mit Wissenschaftlern und Politikern, die Medien berichteten. Das ist gut, bringt aber noch keine langfristige Wirkung.

Die neue Initiative von UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon stellt richtiger Weise Gesundheit von Frauen und Kindern in den Mittelpunkt. Frauen – darüber herrscht weitgehender Konsens – müssen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft tragende Rollen übernehmen. Das geht aber nur, wenn sie selbst und ihre Familien gesund sind.

Ban’s Plan ist zugleich Ausdruck einer grundsätzlich ermutigenden Partnerschaft, denn Industrie- und Entwicklungsländern wollen ihn gemeinsam finanzieren. 40 Milliarden Dollar wurden zugesagt – was dann aber gleich wieder alte Fragen aufwarf: Wieviel davon ist frisch? Und wann wird das Geld bereitgestellt?

Zu oft wurden in der Vergangenheit große Zahlen genannt, die nicht erfüllt wurden oder nur aus alten Zusagen oder Umbuchungen bestanden. Nötig ist ohne Zweifel mehr Transparenz und die Erfüllung gemachter Finanzzusagen – wie es zum Beispiel US-Präsident Obama einforderte, der nun mit gutem Vorbild vorangehen sollte.

Dass es aber nicht nur auf Geld sondern vor allem auf Ergebnisse ankomme, wurde gerade von Bundeskanzlerin Angela Merkel betont, die zu einem Side Event zu Ergebnis orientierter Entwicklungszusammenarbeit einlud; insbesondere Großbritannien und Norwegen setzten sich mit hierfür ein. Dieser wichtige Vorstoß darf jedoch nicht davon ablenken, dass Deutschland seine EU- und G8-Zusagen zur staatlichen Entwicklungshilfe (ODA – official development assistance) nicht einhält. Die Briten tun das, und Norwegen erfüllt längst die 0,7-Prozent-Norm.

Während die Spitzenpolitiker der reichen Nationen ihre Kollegen zu sauberer und effektiver Amtsführung ermahnten, forderten diese von den Gebern bessere Koordinierung. Der äthiopische Ministerpräsident Meles Zenawi lobte in diesem Zusammenhang multilaterale Ansätze als grundsätzlich effizienter. Viele Entwicklungsländer fühlen sich von ständigen bilateralen Verhandlungen mit verschiedenen Gebern überfordert.

Auch auf das Thema Korruption wurde eingegangen. Regierungsvertreter aus Sierra Leone und Ruanda stellten überzeugende Gesetze zum Kampf gegen Bestechlichkeit vor, und Präsident Obama versprach „Leadership“ im Kampf für mehr Rechenschaftsfplicht: Künftig müssten alle US-Unternehmen der Rohstoffwirtschaft jegliche Zahlungen an ausländische Regierungen offenlegen.

ONE fordert solch eine Veröffentlichungspflicht auch in der EU. Die Relevanz des Themas belegen einige wenige Zahlen: 2008 flossen 44 Milliarden ODA sowie 38 Milliarden Dollar Agrarexporterlöse nach Afrika. Die Umsätze mit Bodenschätzen betrugen dagegen laut ONE-Statistiken 393 Milliarden Dollar, während die Kapitalflucht sich auf 148 Milliarden Dollar belief.

Positiv sind die Zusagen einzelner Länder zur Finanzierung des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM). Frankreich, Japan, Kanada und Norwegen erhöhen ihre Zusagen um mindestens ein Viertel. Auch Bundeskanzlerin Merkel kündigte eine Zusage auf „weiterhin hohem Niveau“ an. Zivilgesellschaftliche Organisationen aus Deutschland hatten vor dem Gipfel Kürzungspläne der Bundesregierung kritisiert. Die Wiederauffüllungskonferenz des Fonds Anfang Oktober wird der erste Realitätscheck vieler wohlklingender Aussagen sein.

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