Multilateralismus
Eindämmung der Plastikflut
Täglich landen Unmengen an Plastik im Müll – und viel zu wenig davon wird recycelt. Bis es sich zersetzt, kann es mehr als ein Jahrhundert dauern. So trägt Plastik zur globalen Umweltkrise bei, die Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume vernichtet. Ein erheblicher Teil der Verschmutzung ist giftig. Außerdem verunreinigen winzige Partikel die menschliche Nahrungskette.
Das Abfallproblem verschärft sich seit Jahrzehnten. Von den 9,2 Milliarden Tonnen Kunststoff, die von 1950 bis 2017 produziert wurden, sind laut UNEP (UN Environment Programme – UN-Umweltprogramm) etwa 7 Milliarden zu Abfall geworden. Jährlich fallen rund 300 Millionen Tonnen zusätzlicher Müll an, davon werden laut UNEP nur neun Prozent recycelt.
Es ist deshalb eine gute Nachricht, dass die UNEP-Jahresversammlung beschlossen hat, innerhalb von zwei Jahren einen Vertrag zu schließen, der zum bedeutendsten multilateralen Abkommen zu einem ökologischen Thema seit dem Pariser Klimaabkommen 2015 werden könnte. Ein zwischenstaatlicher Ausschuss muss den Vertrag nun ausarbeiten und ratifizieren.
Der Vertrag soll Kunststoffe nicht verbieten, sondern den gesamten Lebenszyklus von Plastikwaren berücksichtigen – von den Produktionsprozessen über die Wiederverwendung und das Abfallrecycling bis hin zur Entsorgung. Einwegkunststoffe, häufig als Verpackungsmaterial genutzt, sollen schrittweise abgeschafft werden. Künftig sollten Kunststoffe zudem immer mit Blick auf ein einfaches und effektives Recycling hergestellt werden. Derzeit werden spezielle Kunststoffsorten für verschiedene Zwecke eingesetzt. Stärker standardisierte Produkte würden das Recycling erleichtern.
Ziel ist es, eine Kreislaufwirtschaft zu schaffen. Laut UNEP-Schätzungen könnte dies:
- die Menge der Kunststoffe, die in den Meeren landen, bis 2040 um mehr als 80 Prozent verringern,
- die Produktion von Neuplastik um 55 Prozent reduzieren und
- die kunststoffbedingten Treibhausgasemissionen mindern.
Afrikanische Länder als Müllhalden
Länder mit niedrigen Einkommen sind stark von Plastikmüll betroffen. Obwohl sie selbst kaum Plastik produzieren und nutzen, bekommen sie die Folgen der Verschmutzung zu spüren. Länder mit hohen Einkommen exportieren einen Großteil ihres Abfalls. Nachdem China die Importe 2017 gestoppt hatte, sind vor allem afrikanische Länder zu Müllhalden geworden.
Für Angelo Louw von Greenpeace Africa ist die Plastikverschmutzung „eine Frage von Leben und Tod“. Überschwemmungen entstehen beispielsweise oft durch starke Regenfälle, die verstopfte Abwassersysteme überlasten. Plastikmüll ist ein wesentlicher Teil dieses Problems. Auch giftiger Rauch, der bei der Plastikverbrennung entsteht, sowie Giftstoffe, die sich aus zersetzendem Kunststoff lösen, spielen eine Rolle.
Die jüngste UNEP-Resolution fordert zudem, dass der Vertrag auch Müllsammler berücksichtigen muss. Sie sind meist in Armut gefangen und schuften in Entwicklungsländern im informellen Sektor. Sie leisten wichtige Arbeit, wurden aber bislang von Regierungen und Unternehmen weitgehend übersehen.
Der Vertrag will auch Mikroplastik angehen. Das sind winzige Kunststoffteile, die mit bloßem Auge oft nicht erkennbar sind. Es findet sich mittlerweile in den Ozeanen, im Gletschereis, in Böden und sogar in Lebensmitteln (siehe Sabine Balk auf www.dandc.eu).
Es ist höchste Zeit, dass mehr passiert. Das Ziel 12.4 der SDGs (Sustainable Development Goals – Ziele für nachhaltige Entwicklung) lautet: „bis 2020 einen umweltverträglichen Umgang mit Chemikalien und allen Abfällen während ihres gesamten Lebenszyklus in Übereinstimmung mit den vereinbarten internationalen Rahmenregelungen erreichen und ihre Freisetzung in Luft, Wasser und Boden erheblich verringern, um ihre nachteiligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt auf ein Mindestmaß zu beschränken“. Wird das neue Abkommen nach derzeitigem Plan verabschiedet, kommt es also vier Jahre zu spät – und es wird nur einen Teil der Herausforderungen rund um Kunststoffe angehen (siehe Hans-Christian Stolzenberg auf www.dandc.eu). Auch Farben, Lacke, Chemikalien in der Landwirtschaft und andere Anwendungen sind wichtig.
„Als junge Menschen brauchen wir eine sichere und saubere Umwelt für uns und kommende Generationen“, forderte die kenianische Klimaaktivistin Patricia Kombo vor der UNEP-Versammlung. Mit anderen Worten: Alle Aspekte des SDG-Ziels 12.4 müssen auf der Tagesordnung bleiben.
Rabson Kondowe ist freier Journalist aus Malawi.
kondowerabie@gmail.com