Kommentar

Krise als Chance

Die Wirtschaftsturbulenzen dominieren die Schlagzeilen. Manche Umweltschützer fürchten, Rettungspläne für Finanzunternehmen und Konjunkturprogramme könnten den Klimaschutz von der multilateralen Agenda verdrängen. Saleemul Huq vom International Institute for Environment and Development gehört nicht dazu.


[ Von Saleemul Huq ]

Es gibt viele Gründe, sich über die Zukunft des Klimas unseres Planeten oder über die Folgen der globalen Erwärmung für Mensch und Natur Sorgen zu machen. Die jüngste Wirtschaftskrise zählt nicht dazu. Sie wird das ökologische Problem kaum verschlimmern, das in der industriellen Revolution in Europa im späten 18. Jahrhundert angelegt, und in den letzten dreißig Jahren immer offensichtlicher wurde. Die ökonomischen Herausforderungen sollten als Chance begriffen werden.

Auf den ersten Blick irritiert es natürlich, dass die Regierungen reicher Länder Autoherstellern helfen. Der Individualverkehr ist eine Quelle von Treibhausgasen, die PS-Industrie glänzt wirklich nicht mit Umweltbewusstsein. Aber die Rettung von Ford, General Motors oder der deutschen GM-Tochter Opel kann und muss mit Auflagen zur Verbesserung der Energieeffizienz und Schadstoffreduzierung einhergehen. In den USA ist das der Fall.

Zudem gibt es Anlass zur Hoffnung, dass die Autohersteller endlich die Zeichen der Zeit verstanden haben. Schließlich gehört zu den Ursachen ihrer Malaise, dass die Verbraucher sich wegen hoher Ölpreise von spritschluckenden Riesenkarossen abwenden. Geländewagen sind Vergangenheit, Hybridfahrzeuge und andere Innovationen sind im Kommen.

Es stimmt: Das Kyoto-Protokoll des UN-Rahmenabkommens zum Klimawandel (UNFCCC) hat die Erwartungen nicht erfüllt. Die reiche Welt hat ihre Zusagen, Co2 zu reduzieren, nicht eingehalten. Ein wesentlicher Punkt war, dass die USA – das reichste und mächtigste Land der Welt und zugleich der größte Umweltsünder – das Protokoll nie ratifiziert haben. Washingtons Sturheit hat die Menschheit ein Jahrzehnt gekostet.

Die Zeit drängt weiter, und es hat keinen Zweck, verbittert zurückzublicken. Die neue Regierung in Washington schlägt neue Wege ein. Es ist Präsident Barack Obama offenbar ernst damit, Emissionen zu begrenzen. Das hat sein Budgetentwurf kürzlich belegt. Mit China und den USA an Bord verspricht die UNFCCC-Vertragsstaatenkonferenz in Kopenhagen im Dezember ein besseres Ergebnis zu bringen als das Kyoto-Protokoll. Zwar ärgern sich die Regierungen Chinas und Indiens über Politiker aus reichen Ländern, die ihnen Vorträge über die Notwendigkeit des Klimaschutzes halten. Aber die Entscheidungsträger in Peking und – vielleicht etwas weniger – Delhi hören auch Stimmen aus den am wenigsten entwickelten Ländern. Und die sagen ihnen, dass sie ein Recht auf Entwick­lung haben, aber nicht auf Umweltverschmutzung. Zudem kennen sowohl China als auch Indien die Konsequenzen verrückt spielenden Wetters – Stürme, Flut und Dürre – nur zu gut.

Die Position Chinas und Indiens ist klar: Solange die reichen Nationen sie nicht dabei unterstützen, bessere und sauberere Technologien einzuführen, werden sie weiter heimische Kohle als relativ billige Energiequelle nutzen – und so zum Klimawandel beitragen. Diese Haltung ist berechtigt. Die Länder, die den Klimawandel in erster Linie ausgelöst haben, müssen zahlen.

Selbstverständlich muss gehandelt werden. Und seit der UNFCCC-Konferenz in Posen im Dezember liegen interessante Vorschläge auf dem Tisch. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie die Menschheit die vielen Milliarden von Dollar aufbringen kann, die jährlich für die Anpassung an den Klimawandel benötigt werden – zusätzlich zu den erheblich höheren Summen zu dessen Abschwächung.

Infrastrukturinvestitionen sind ein bewährtes Mittel, die Wirtschaft anzukurbeln. Die Welt braucht klimafreundliche Innovationen. Vermutlich ist es hilfreich, dass Politiker weltweit jetzt lernen, althergebrachte ökonomische Doktrinen zu hinterfragen. Sie müssen ohnehin zu neuen Konzepten bei Energie und Technik greifen.