Politikkohärenz

Schwache Institutionen können nicht langfristig planen

Ostafrika ist vielfachen Problemen ausgesetzt. Schlagworte wie nachhaltiger Aufschwung klingen gut, beschreiben aber nicht, was tatsächlich geschieht. Im E+Z/D+C-Interview schätzt David Mfitumukiza von der Makerere Universität in Kampala die Lage ein.
Savannen stehen unter Druck und brauchen Schutz. picture alliance / CHROMORANGE / Alexander Ludwig Savannen stehen unter Druck und brauchen Schutz.

Welche Klimafolgen machen ostafrikanischen Menschen aktuell zu schaffen?
Es gibt drei wichtige Gefahren: Dürren, Hochwasser und sich verschiebende Jahreszeiten. Die dritte ist für naturbasierte Ökonomien eigentlich am bedrohlichsten, erhält leider aber am wenigsten Aufmerksamkeit. Wo Landwirtschaft die wichtigste Branche ist, reduziert ungewöhnliches Wetter Produktivität und Einkommen. Für Subsistenzfarmer ist es am schlimmsten, weil sie nicht in neue Produktionsmittel investieren können. Ihr Spielraum ist winzig. Auch die kommerzielle Landwirtschaft bekommt riesige Probleme. Andererseits sind Fluten und Dürren oft verheerend. Wegen zu wenig und zu unregelmäßigem Regen herrscht in Teilen Kenias und angrenzenden Gebieten Äthiopiens und Somalias derzeit akuter Lebensmittelmangel.

Wie wirkt sich Covid-19 in diesem Kontext aus?
Die Pandemie ist noch nicht vorüber, also lässt sich das noch nicht abschließend sagen (siehe Ben Ezeamalu auf www.dandc.eu). Einiges steht aber bereits fest. Die Armut hat zugenommen. In den Städten konnten arme Menschen während der Lockdowns nicht arbeiten. Märkte wurden geschlossen, was den Lebensmittelvertrieb beeinträchtigt hat. Ein Büschel Bananen, das normalerweise den Gegenwert von vier Dollar gebracht hätte, war plötzlich nur noch zehn Cent wert. In unserer Weltgegend bestehen wichtige Beziehungen zwischen Dörfern und Städten. Auf dem Land bekommen viele Familien Unterstützung von Verwandten oder Wohltätern in urbanen Gegenden. Wenn dort die Armut wächst, wächst sie folglich auch in den Dörfern. Obendrein sind öffentliche Dienstleistungen ausgefallen – und zwar besonders im ländlichen Raum, wo sie immer  schwach sind.   

Hat das ökologische Konsequenzen?
Ja, der Druck auf bislang ungenutzte Flächen ist schneller gewachsen als sonst. Die Dorfbevölkerung braucht zusätzliche Felder. Ein gewisser Druck besteht immer wegen des Bevölkerungswachstums, das in allen Ländern der EAC (East African Community – Ostafrikanische Gemeinschaft) über 2,3 Prozent beträgt. Während der Pandemie haben wir jedoch mehr Wälder, Grasland und Feuchtgebiete verloren, als wir das normalerweise tun. Das schwächt unsere Ökosysteme und die biologische Vielfalt mit dem Effekt, dass sie dem Klimawandel schlechter widerstehen können. Zugleich verschwinden aber CO2-Senken, was die globale Erhitzung zusätzlich antreibt. In unserer Weltgegend verstärken sich Armut, Bevölkerungswachstum und die globale Umweltkrise wechselseitig – und Corona hat alles weiter verschlimmert.

Brauchen afrikanische Länder Konjunkturprogramme für einen nachhaltigen Aufschwung im Sinne eines Green New Deals? Das Ziel wäre, zugleich Armut zu bekämpfen und die ökologische Transformation voranzutreiben.
Wir brauchen auf jeden Fall einen Wirtschaftsaufschwung, um Leute aus der Not zu retten. Ich glaube aber nicht, dass der Begriff „nachhaltig“ beschreibt, was zurzeit geschieht. Unsere Regierungen konzentrieren sich darauf, die Wirtschaft zu stimulieren, kümmern sich aber wenig um ökologische Nachhaltigkeit. Um Armut zu bekämpfen, brauchen wir offensichtlich Wachstum. Leider ist vielen aber weniger klar, dass dieses Wachstum auch auf Dauer umweltverträglich sein muss. Unsere Regierungssysteme sind tendenziell schwach, aber nur starke Institutionen können langfristig planen. In geringstentwickelten Ländern (LDCs – least-developed countries) sind auch die Staatsfinanzen immer knapp, also gibt es kaum Spielraum für Konjunkturpolitik – und das verstärkt die Neigung zum kurzfristigen Denken weiter.

Wenn politische Entscheidungsträger an Umwelt denken, interessieren sie sich vermutlich mehr für Klimaanpassung als für Klimaschutz.
Richtig. Generell wird gedacht, Afrika habe nur sehr wenig zur globalen Erhitzung beigetragen, also könnte es auch wenig dagegen tun. Da LDDs unter Klimafolgen besonders leiden, ist indessen allen klar, wie wichtig Anpassung ist. Leider ist dieses Denken falsch. Verkehr, Stromerzeugung und Industrie verursachen bei uns tatsächlich nicht viele Treibhausgase, aber Entwaldung, Feuchtgebietsverlust und die Zerstörung von Ökosystemen verschärfen die Klimakrise ebenfalls. Unser Beitrag zum Klimaschutz muss sein, die Natur zu schützen.

Wie kann sich denn ein Land wie Uganda auf ein heißeres Klima einstellen?
Wir können eine Menge tun. Wenn früher Infrastruktur gebaut wurde, achtete kaum jemand auf Wetterrisiken. Heute ist das anders. Bei Planung und Bau von wichtigen Straßen werden Hochwasserrisiken allmählich bedacht. Ähnlich lässt sich auch sicherstellen, dass extremer Regen oder Hitzewellen die Stromversorgung nicht beeinträchtigen. Kleine Bewässerungssysteme, für die typischerweise Regenwasser gesammelt wird, sind oft sehr wertvoll. Sie verbessern Ernten und reduzieren die Dürrerisiken. Afrikanische Regierungen verstehen solche Dinge, und das wirkt sich auf nationale Anpassungspläne aus. Naturnahe Lösungen sind meist am besten, weil sie vergleichsweise wenig kosten, aber sowohl für Klimaanpassung als auch für Klimaschutz gut sind.

Bitte erklären Sie das genauer?
Wie gut örtliche Gemeinschaften mit Notlagen zurechtkommen, hängt von der Widerstandskraft der Ökosysteme ab, auf die sie angewiesen sind. Grundsätzlich geht es also darum, den menschlichen Lebenswandel mit nachhaltiger Landnutzung in Einklang zu bringen, anstatt um jeden Preis die Produktivität durch den Einsatz vermeintlich moderner Technik zu steigern (siehe Susanne Neubert auf www.dandc.eu). Sehr vielversprechend finde ich in Uganda das Wetlands Restoration Project des Adaptation Fund, das von unserem Wasser- und Umweltministerium umgesetzt wird. Die Menschen vor Ort nehmen daran teil, und weil sie die Bedeutung ökologischer Ressourcen kennen, legen sie großen Wert auf Erfolg. Wälder und Savannen brauchen natürlich ebenso Aufmerksamkeit wie Feuchtgebiete.

Welche internationale Unterstützung brauchen Sie? Länder mit hohen Einkommen haben riesige Konjunkturprogramme aufgelegt, aber Länder mit niedrigen Einkommen können sich das nicht leisten. 
Wir brauchen auf jeden Fall Geld. Ob Sie das Klimafinanzierung, Entwicklungshilfe (ODA – official development assistance) oder Schuldenerlass nennen, ist zweitrangig. Geld ist aber nicht alles. Die Qualität der Regierungsführung ist ebenfalls wichtig. Staatliche Stellen müssen dafür sorgen, dass die Mittel dahin fließen, wo sie gebraucht werden – und zwar besonders zu örtlichen Gemeinschaften. Internationale Partner sollten deshalb nicht nur mit unseren Regierungen sprechen. Sie müssen auch auf Graswurzel-Initiativen hören. Die Leute an der Basis wissen, welche Art von Infrastruktur, Gesundheitswesen, öffentlichen Dienstleistungen und so weiter sie brauchen. Unsere nationalen Regierungen verstehen auch, dass internationale Unterstützung auf dieser Ebene wirken kann. Diesem Zweck dient die LDC Initiative for Effective Adaptation and Resilience (LIFE-AR), die einige Regierungen gestartet haben. Das Ziel ist, die Leistungsfähigkeit von Kommunen mit wirkungsvollen Systemen und Finanzmechanismen zu stärken.

Bilaterale und multilaterale Akteure kommen am Zentralstaat nicht vorbei, wenn sie örtliche Gemeinschaften unterstützen wollen. Es gibt auch nicht überall starke subnationale Institutionen, wie das in Kenia zum Beispiel die Counties sind. 
Das stimmt, Dezentralisierung ist wichtig – und Geberinstitutionen können sie mit technischer Zusammenarbeit fördern. Andererseits müssen wir auch grenzüberschreitend handeln. Afrikanische Bevölkerungsgruppen nehmen nämlich wenig Rücksicht auf nationale Grenzen, die das Gebiet, in dem sie traditionell leben, durchschneiden. Nomaden ziehen weiträumig umher, und in Krisenzeiten begeben sich Menschen zu Verwandten in einem anderen Staat. In solchen Fällen sollte eine Bevölkerungsgruppe Unterstützung nicht nur in einem Land finden. Ganz grundsätzlich muss die Politik über nationale Belange hinaus denken, weil wir mit globalen Probleme ringen, für die wir internationale Lösungen brauchen.  


Link
Informationen zu LDC LIFE-AR:
https://www.iied.org/supporting-ldc-initiative-for-effective-adaptation-resilience-life-ar


David Mfitumukiza ist Senior Lecturer an der Fakultät für Geographie, Geoinformatik und Klimaforschung der Makerere Universität in Ugandas Hauptstadt Kampala.
dmfitumukiza@gmail.com