Global Governance

Zusammenarbeit zugunsten der Entwicklungsländer

Ländern mit niedrigem Einkommensniveau könnte es nützen, wenn China und westliche Demokratien Wege fänden, in ihrem Interesse zu kooperieren. Ob dies zulasten der weltweiten Demokratieförderung geht, ist Gegenstand der wissenschaftlichen Debatte.
Ein chinesischer Ausbilder und sein Lehrling inspizieren in Nairobi einen Zug an der Bahnstrecke Mombasa–Nairobi, einem Vorzeigeprojekt der Kooperation zwischen China und Afrika. picture-alliance/Xinhua News Agency/Wang Guansen Ein chinesischer Ausbilder und sein Lehrling inspizieren in Nairobi einen Zug an der Bahnstrecke Mombasa–Nairobi, einem Vorzeigeprojekt der Kooperation zwischen China und Afrika.

China hat im Rahmen seiner neuen Seidenstraße (Belt and Road Initiative – BRI) im vergangenen Jahrzehnt zahlreiche aufwendige Infrastrukturprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern finanziert und auch selbst errichtet. Die Volksrepublik sorge so für zusätzlichen Wettbewerb auf dem „globalen Markt für Entwicklung“ und verbessere die Verhandlungsposition der Empfängerländer, meint Pascal Abb von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (Peace Research Institute Frankfurt – PRIF). Aus westlicher Perspektive ist laut Abb jedoch zu befürchten, dass Chinas Engagement Demokratieförderung untergräbt. Im Gegensatz zur westlichen Entwicklungspolitik verzichte Peking nämlich auf Forderungen nach guter Regierungsführung, wozu auch die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards gehörten.

Versucht China aktiv, demokratische Strukturen in Partnerländern zu unterhöhlen? Dafür fehle es an empirischen Beweisen, so die Einschätzung von Fachleuten verschiedener Disziplinen auf einer PRIF-Fachtagung im Oktober in Frankfurt am Main. BRI-Kredite haben zwar in Entwicklungsländern zu aktuellen Überschuldungsproblemen beigetragen, und China zeigt sich zu Umstrukturierungen kaum bereit. Dennoch lehnten Teilnehmende an der Konferenz den verbreiteten Vorwurf, China habe Schuldenfallen aufgestellt, ab – auch dafür mangele es an Beweisen.

Auf der anderen Seite steht der Vorwurf gegen westliche Regierungen im Raum, ihre Ideale allzu schnell über Bord zu werfen, wenn sie es realpolitisch oder geostrategisch als nötig erachten. So würden Kooperationen mit Autokratien „depolitisiert“, wenn sie in kritischen Bereichen wie Sicherheit oder Energie stattfinden, sagt Hannes Warnecke-Berger vom Fachgebiet Internationale und intergesellschaftliche Beziehungen der Universität Kassel. Forderungen nach Demokratie und Menschenrechten würden zurückgestellt, um die Beziehungen zu autokratisch regierten Ländern nicht zu verschlechtern.

Europäische Inkohärenz

Die Diskrepanz zwischen Rhetorik und tatsächlichem Handeln in der westlichen Politik beschäftigt auch Richard Youngs vom Thinktank Carnegie Europe. Er bemerkt, dass EU-Spitzenpolitiker*innen zwar gern vom Konflikt zwischen Demokratien und Autokratien sprächen. Tatsächlich mache aber die Zusammenarbeit mit nichtdemokratischen Regimen seit Jahren einen Großteil der Kooperationen der EU aus, etwa in den Bereichen Entwicklungshilfe, Energie, Klima, Sicherheit und Migration.

Wie Youngs betont, sind Autokratien heute weniger auf Kooperation mit Demokratien angewiesen als noch vor wenigen Jahren. Entsprechend würden sie noch zurückhaltender auf Forderungen nach Demokratie reagieren. Demokratieförderung richte sich deshalb vermehrt auf Graswurzelbewegungen aus und fördere, sofern möglich, demokratische Gruppen innerhalb autoritär geführter Staaten. Allerdings erführen viele dieser prodemokratischen zivilgesellschaftlichen Organisationen nicht viel Unterstützung in der Bevölkerung.

Auf der PRIF-Tagung diskutierten die Teilnehmenden auch über das Risiko, dass Entwicklungsländer unter dem Systemkampf zwischen dem Westen und China leiden könnten. Laut der Sinologin Marina Rudyak von der Universität Heidelberg geht es hiesigen Politiker*innen manchmal mehr darum, „unser China-Problem zu lösen“, als gemeinsame Entwicklungsaufgaben anzugehen. Stattdessen müssten sie Wege finden, im Interesse benachteiligter Länder pragmatisch zusammenzuarbeiten.

Rudyak zufolge werden China und westliche Staaten im globalen Süden ohnehin nicht als Systemkonkurrenten wahrgenommen. Beide Seiten böten unterschiedliche Dinge an. Während China sich eher auf harte Infrastruktur wie Straßen oder Häfen fokussiere, sei der Westen vor allem für den Aufbau sozialer Infrastruktur, zum Beispiel Krankenhäuser, attraktiv. Beides werde gleichermaßen benötigt.

Link
PRIF-Jahreskonferenz 2023: 
https://www.prif.org/veranstaltungen/jahreskonferenz/jahreskonferenz-2023

Isah Shafiq studiert Politikwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt. Er hat diesen Text im Rahmen seines Praktikums bei E+Z/D+C verfasst.
euz.editor@dandc.eu