Global Governance
SDGs sind ebenso wichtig wie Unterstützung der Ukraine
- Wegen des Vetos eines permanenten Mitglieds bleibt der Weltsicherheitsrat angesichts brutaler Kriegsführung, die nur selten europäisches Territorium erfasst, oft ohnmächtig. Für solche Blockaden haben Russland und China, aber auch die USA in der jüngeren Vergangenheit gesorgt.
- Die universelle Erklärung der Menschenrechte wird nicht überall eingehalten. Es gibt kein Instrument für ihre Durchsetzung.
- Bisher erfüllen UN-Konventionen zu Klima, Artenvielfalt und Wüstenbildung ihren Zweck noch nicht. Das globale Ökosystem kollabiert zusehends.
- In den vergangenen 20 Jahren gaben EU und USA statt der Doha-Entwicklungsrunde der WTO bilateralen Verträgen Vorrang. Die Doha-Runde griff nämlich Themen wie Investorenrechte, die ihnen wichtig war, nicht auf.
- Obwohl die Überschuldung von Staaten seit Jahrzehnten immer wieder Krisen auslöst, gibt es immer noch kein Regelwerk für eine schnelle und wirksame Lösung.
Wegen solcher Dinge warf Martin Wolf westlichen Mächten in der Financial Times vom 12. Juli Heuchelei vor. Eine Folge ist, dass westliche Regierungen für Russlandsanktionen weniger Unterstützung als erhofft finden. Es gibt zwar rudimentäre Grundlagen für Global Governance, aber sie lassen viele Menschen im Stich. Es bleibt noch viel zu tun.
Wichtiges Spitzentreffen
Deshalb war der Gipfel zur Entwicklungs- und Klimafinanzierung, den Frankreich im Juni in Paris veranstaltete, wichtig. Er hat weitreichende Entscheidungen vorbereitet. Manche radikalen Ideen, wie etwa globale Steuern zu erheben, sind – zumindest kurzfristig – unrealistisch. Zu den pragmatischeren Vorschlägen gehörten unter anderen:
- Reiche Länder sollten Sonderziehungsrechte (eine Art interner IWF-Währung) im Wert vieler Milliarden Dollar für die Klimapolitik ärmerer Partnerländer bereitstellen.
- Internationale Finanzinstitutionen sollten bei wichtigen Investitionen in Entwicklungsländern Wechselkursrisiken auffangen.
- Der Common Framework on Debt Treatment der G20 sollte auf Länder mit mittleren Einkommen ausgeweitet werden.
In Paris einigten sich Gläubigerregierungen zudem auf eine Schuldenumstrukturierung für Sambia. Diese vertagt Zahlungspflichten und reduziert Zinsen, erlässt aber keine Schulden, wie westliche und sambische Diplomaten forderten. China war dazu nicht bereit. Ob Sambias Wirtschaft jetzt den nötigen neuen Schwung bekommt, bleibt abzuwarten.
In Zeiten wachsender Polarisierung ist Einigung mit China schwierig. Dennoch müssen westliche Regierungen proaktiv für dauerhafte Lösungen sorgen. Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika sehen, wie großzügig und schnell der Westen die Ukraine unterstützt – und zwar ohne die Zustimmung von China, Russland und diverser anderer Länder.
Die Ukraine verdient diese Unterstützung. Wenn imperialistische Übergriffe russischer Art geduldet werden, kann es keine regelbasierte Weltordnung geben. Allerdings ist das Engagement gegen Armut und globale Umweltkrisen ebenso wichtig. Einschlägige westliche Initiativen dürfen nicht davon abhängen, ob China mitmacht, zumal vielen Menschen in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen die neuen Seidenstraßenprojekte der Volksrepublik lange großzügiger erschienen als das, was der Westen anbot. Angesichts eskalierender Schuldenkrisen steht China jetzt in schlechterem Licht da. Der Westen sollte jetzt sein Image mit Investitionen in Nachhaltigkeit und die Einhaltung aller Versprechen aufpolieren. Das müsste den Finanzministern reicher Nationen eigentlich einleuchten.
Kein Luxus
Die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs – Sustainable Development Goals) sind kein Luxusprojekt. Wir müssen Armut und globale Umweltzerstörung in den Griff bekommen, damit es nicht noch mehr Not, Verzweiflung und Zerstörung gibt. Denn dann würden die Suche nach Sündenböcken und identitätspolitischer Hass eskalieren. Das Leben würde überall sehr viel ungemütlicher.
Scheitern bei den SDGs kommt also nicht in Frage. Erfolg – und in reichen Nationen besonders bei Öko-Zielen – würde dagegen große Schritte in Richtung einer Weltordnung, die allen dient, mit sich bringen. Wenn Länder mit hohen Einkommen nicht vorangehen, geben sie implizit ihre Führungsansprüche auf.
Hans Dembowski ist Chefredakteur von E+Z/D+C.
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