Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Grün und sozial

Unter Experten herrscht Konsens, dass Entwicklungspfade nicht wie ­bisher beschritten werden können: Nachhaltige Entwicklung muss die Grenzen des Planeten berücksich­tigen, und Armutsreduzierung darf niemanden ausschließen. Es ist umstritten, ob das erreicht werden kann.
Windkraftpark in Marokko: Nordafrika hat ein großes Potenzial für erneuerbare Energien. photothek.net/KfW-Bildarchiv Windkraftpark in Marokko: Nordafrika hat ein großes Potenzial für erneuerbare Energien.

Ein vieldiskutiertes Schlagwort für nachhaltige Entwicklung und Armutsreduzierung ist „grünes Wachstum". Die Befürworter betonen gern die Synergien und Win-win-Situationen, die durch den Einsatz von Umwelttechniken entstehen. Mögliche Nachteile werden jedoch gern vernachlässigt (siehe Christoplos, E+Z/D+C 2014/03, S. 121 ff.). Das UN-Umweltprogramm (UNEP), die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Weltbank und andere Institutionen suchen nach Lösungen.

Die Weltbank bereitet einen Bericht über Armut und Klimawandel vor, der Mitte 2015 erscheinen soll. Die zuständige Weltbank-Expertin Marianne Fay sagt, Armut sei weiterhin eine riesige Herausforderung und werde durch den Klimawandel verstärkt. Arme seien bekanntlich am meisten von Naturkatastrophen betroffen. Viele leben in Dürre- oder Flutregionen, hängen von der Natur ab und haben keine Rücklagen.

Aus Fays Sicht muss bis 2030 klar sein, wie Armutsbekämpfung und Umweltschutz zusammen erreicht werden. „Dies ist von heute an das beste Zeitfenster, in dem wir die Anpassung an den Klimawandel und die Armutsbekämpfung in den Griff bekommen können." Was für arme Menschen gilt, gelte auch für arme Länder, so die Expertin. Re­levante Fragen sind laut Fay, wie Regierungen mit begrenztem Geld Armutsbekämpfung, soziale Sicherungssysteme und Katastrophenschutz etablieren können.

Ernst Ulrich von Weizsäcker, Co-Chair des International Resource Panel des UNEP, ist überzeugt, dass es großer Veränderungen und eines „Systems von Innovationen" bedarf, um die Probleme der Menschheit zu lösen. Die Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) hätten zu kurz gegriffen und ökologische Nachhaltigkeit kaum berücksichtigt. Seiner Meinung nach sind nicht nur die MDGs ökologisch blind, sondern auch die Regierungen. Wachstum sei immer die einzige Strategie zur Armutsbekämpfung gewesen. Sie könne zum Erfolg führen, wenn sie nicht durch Umweltschäden die Lebensgrundlage von Menschen zerstöre.

Bei der Umsetzung der MDGs sei es im ökologischen Bereich zu vielen Zugeständnissen gekommen, kritisiert von Weizsäcker. Die Herausforderung sei, Synergien zwischen Entwicklung und Ökologie zu nutzen. Von Weizsäcker fordert, Wachstum vom Ressourcenverbrauch abzukoppeln. Das könne erreicht werden, wenn Industrie- und Schwellenländer ihren Energieverbrauch um 80 Prozent, also den Faktor fünf, reduzieren. Dazu müssten sie Ressourcen viel effektiver als bisher nutzen. Energieeffizienz müsse profitabel werden, lautet von Weizsäckers Forderung, die er in seinem Buch „Faktor Fünf" mit Beispielen konkretisiert. Dafür sei stringente Politik nötig.

Auch Leisa Perch vom World Centre for Sustainable Development des UNDP warnt, die Annahme sei falsch, dass grünes Wachstum zu Armutsreduzierung und mehr Gerechtigkeit führe. Dafür bedürfe es sozialer Nachhaltigkeitsprinzipien wie eines bevorzugten Zugangs der Armen zu neuen Jobs, grüner Mikrofinanzierung sowie eines rechtlichen Konzepts, das strukturelle Ungleichheit angeht. Zudem ist laut Perch soziale Sicherung nötig, um die Folgen von
Naturkatastrophen und Armutsrisiken abzufedern.

 

Anreize zum Umweltschutz

Michael P. Canares von der Holy Name University in der philippinischen Stadt Tagbilaran forscht an einem Conditional Cash Program, das in seinem Land Armut bekämpfen soll. Bedürftige Haushalte bekommen vom Staat Bargeld für Arztbesuche, Medikamente und Bildungsangebote. Internationale Agencies haben angeregt, das Programm könne auch Anreize zum Umweltschutz bieten. Canares erkennt aber eine Reihe konzeptioneller und praktischer Probleme. Zum einen gebe es keine überzeugende Rechtfertigung, einen Umweltaspekt in das Programm einzubinden, das individueller und kurzfristiger Armutsbekämpfung diene. Zum anderen sei Umweltschutz eine kollektive Aufgabe und keine individuelle. Dennoch sieht Canares die Möglichkeit, unter bestimmten Umständen Umweltschutzaspekte wie Erziehung zu ökologischem Bewusstsein in das Programm zu integrieren.

Georgeta Vidican vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) forscht über die Nutzung erneuerbarer Energien in Nordafrika und Nahost (MENA-Länder). Dort gibt es in einigen Ländern politische Bestrebungen, vor allem Solar- und Wind­energieprojekte voranzutreiben. Ein besonders hoffnungsvoller Markt entwickelt sich laut Vidican in Marokko, wo bereits viel internationales und privates Geld investiert wird. Die Regierung strebt danach, einen lokalen erneuerbaren Energiesektor aufzubauen, in den einheimische Unternehmen eingebunden sind. Dazu hat sie die gesetzlichen Grundlagen geschaffen und verschiedene Behörden wie die Maroccan Agency for Solar Energy (MASEN) ins Leben gerufen. Die Regierung fördert technisches Wissen durch Bildungs- und Trainingsmaßnahmen und die Entwicklung neuer Energietechniken.

Dennoch gibt es laut der Wissenschaftlerin in Marokko noch viele Probleme wie geringe Wettbewerbsfähigkeit und hohe Arbeitslosigkeit. Zu deren Lösung könne ein neuer Energiesektor beitragen, wenn er Arbeitsplätze schaffe. Eine ähnlich positive Prognose stellt auch Julian Blohmke von der Universität Maastricht für Ägypten. Er verfasste zusammen mit Forschungskollegen des International Food Policy Research Institute (IFPRI) und des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) eine Arbeit über „erneuerbare Energien und wirtschaftliche Entwicklung in Ägypten". Das nordafrikanische Land verfüge über die Fähigkeit, selbst Windenergieanlagen und elektrische Komponenten zu bauen. Also würde die Verlagerung auf Windenergie Kapazitäten vor Ort aufbauen und neue Jobs schaffen und somit zu lokaler Wirtschaftsentwicklung beitragen.

DIE-Direktor Dirk Messner bringt in die Debatte um grünes Wachstum einen anderen Aspekt ein: „Die, die den Klimawandel am wenigsten verursacht haben, leiden am meisten an seinen Folgen." Für ihn folgt daraus, dass die reiche Welt ihr Konsumverhalten ändern muss. Das DIE hat zusammen mit PEGNet, dem Poverty Reduction, Equity and Growth Network, Mitte März in Bonn einen internationalen Workshop mit dem Titel „Green and ­Social" veranstaltet.

Sabine Balk