Ampelkoalition

Viele gute Grundlagen

Deutschland hat eine neue Bundesregierung mit Olaf Scholz an der Spitze. Die Sozialdemokratin Svenja Schulze ist die neue Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die beiden Spitzenfrauen des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) haben in einer Pressekonferenz die Perspektiven bewertet.
Als Bundesumweltministerin vertrat Svenja Schulze Deutschland beim Klimagipfel in Glasgow. picture-alliance Als Bundesumweltministerin vertrat Svenja Schulze Deutschland beim Klimagipfel in Glasgow.

DIE-Direktorin Anna-Katharina Hornidge hält Schulze für eine gute Wahl, weil sie internationale Erfahrung und Verständnis von Nachhaltigkeitsfragen mitbringe. Als Bundesumweltministerin vertrat sie Deutschland unter anderem beim Klimagipfel in Glasgow. Positiv findet die Wissenschaftlerin zudem, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) eigenständig bleibt und nicht – wie zeitweilig vorgeschlagen – mit Auswärtigen Amt oder Verteidigungsministerium zusammengelegt wird. Die Orientierung an globaler Solidarität werde also nicht mit diplomatischen oder Sicherheitserwägungen vermengt.

In verschiedener Hinsicht sieht Hornidge im Koalitionsvertrag gute Politikgrundlagen. Beispielsweise stehe Nachhaltigkeit in der Überschrift. Sie lautet: „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Solidarität und Nachhaltigkeit“. Das Thema Klima durchdringe den ganzen Vertrag, sagt die DIE-Chefin. Das sei ein guter Anfang, auch wenn andere Aspekte von Nachhaltigkeit weniger stark betont würden.

Wertebasierter Multilateralismus

Die Entwicklungssoziologin hält es für richtig, dass die Ampelkoalition eine wertebasierte Außenpolitik mit starker multilateraler Orientierung verspricht. Grundsätze wie Demokratie, Menschenrechte und Diversität prägten den Koalitionsvertrag, der sowohl die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung als auch die Pariser Klimaziele als Orientierungswerte zitiere. Was das für die konkrete Politik bedeuten werde, bleibe jedoch abzuwarten. Das DIE spricht sich seit langem für nachhaltige Entwicklung und multilaterale Strategien aus (siehe zum Beispiel Hans Dembowski auf unserer E+Z/D+C-Plattform).

Dem Koalitionsvertrag zufolge wird Deutschland künftig mindestens 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für Entwicklungspolitik (ODA – official development assistance) aufwenden, wobei 0,2 Prozent für geringstentwickelte Länder vorgesehen sind. Daraus folgert Hornidge, dass bessergestellte Länder entweder weniger Unterstützung bekommen werden oder die ODA-Quote steigen muss. Der Koalitionsvertrag verspreche zudem Klimafinanzierung zusätzlich zu ODA. Was das in der Praxis bedeuten werde, sei noch nicht klar.

Das DIE ist ein staatlicher Thinktank, aber als Professorin der Universität Bonn genießt Hornidge akademische Unabhängigkeit. Ihre Stellvertreterin Imme Scholz wird demnächst als Vorstandsmitglied zur Heinrich-Böll-Stiftung wechseln. (In eigener Sache: Sie ist auch Mitglied im Beirat von E+Z/D+C).

Internationale Zusammenarbeit

Scholz rät der neuen Regierung zu einer ressortübergreifenden außenpolitischen Strategie, um Politikkohärenz sicherzustellen. Das wäre auch für die Abstimmung innerhalb der EU und die Entwicklungszusammenarbeit nützlich. So seien etwa Klimapartnerschaften mit Entwicklungsländern sinnvoll, wobei der European Green Deal eine Rolle spielen könne.

Die Entwicklungsforscherin weist darauf hin, dass alle Bundesministerien mittlerweile auf irgendeiner Weise international Kooperation betrieben, aber nur das AA und das BMZ über echte Länderexpertise verfügten. In internationalen Beziehungen sei aber großes Fingerspitzengefühl nötig. Denn einerseits dürfe Kooperation mit Blick auf Klima oder Artenvielfalt nicht gefährdet werden, andererseits müssten aber autoritäre Potentaten klare Botschaften hören, was Demokratie und Menschenrechte angeht.

Scholz lobt das evidenzbasierte Denken der neuen Bundesregierung, die nicht nur Entwicklungspolitik, sondern auch Militäreinsätze evaluieren will. Wichtige Versprechen seien zudem Geschlechtergerechtigkeit, der internationale Kampf gegen Steuerflucht oder Unterstützung für ein neu zu schaffendes internationales Staatsinsolvenzrecht.

DIE-Direktorin Hornidge hofft, Nachhaltigkeit werde zum zentralen Thema der neuen Regierung. Weil Wissenschaft eine gute Grundlage für multilaterale Entscheidungsfindung biete, sei es sinnvoll, den Auf- und Ausbau von akademischen Kapazitäten in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen zu unterstützen. Zudem korreliere Orientierung an Fakten mit demokratischem Denken.


Hans Dembowski ist Chefredakteur von E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit /D+C Development and Cooperation.
euz.editor@dandc.eu

Governance

Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.