Mangelernährung

Strategien gegen versteckten Hunger

Eine Studie von Welthungerhilfe und terre des hommes untersucht, ob die Anreicherung von Nahrungsmitteln den weitverbreiteten Mikronährstoffmangel in Entwicklungsländern beseitigen kann. Die Ergebnisse sind gemischt.
Abwechslungsreiche Ernährung ist das beste Mittel gegen Mikronährstoffmangel: Gemüsehändler auf Sansibar. Dembowski Abwechslungsreiche Ernährung ist das beste Mittel gegen Mikronährstoffmangel: Gemüsehändler auf Sansibar.

Etwa 2 Milliarden Menschen weltweit nehmen laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, FAO, nicht genügend Mikronährstoffe zu sich. Sie werden zwar satt, doch ihnen fehlen gesundheitsrelevante Vitamine und Mineralstoffe. Dies wird als „versteckter Hunger“ bezeichnet. Auch Übergewicht kann eine Folge von Mangelernährung sein.

Nach Erkenntnissen von Welthungerhilfe und terre des hommes haben zehn Prozent aller Krankheiten weltweit ihre Ursache in Mikronährstoffmangel. Besonders weit verbreitet ist der Studie zufolge der Mangel an Eisen, Vitamin A und Jod – mit direkten Gesundheitsfolgen. Wegen Mangels an Vitamin A und Zink sterben demnach jährlich knapp 300 000 Kinder unter fünf Jahren, und 18 Millionen Kinder kommen wegen Jodmangels mit geistigen Behinderungen zur Welt.

Mikronährstoffmangel ist auch in Industrienationen verbreitet, tritt aber am häufigsten in Entwicklungsländern auf. Schwangere und stillende Frauen sowie kleine Kinder leiden am meisten darunter – vor allem, weil sie mehr Vitamine und Mineralstoffe benötigen und anfälliger sind für die negativen Folgen von Nährstoffmangel. Eine weitere Risikogruppe sind Menschen, die ihre Ernten oder andere Lebensgrundlagen durch humanitäre Katastrophen verlieren.

Um den versteckten Hunger zu bekämpfen, setzen die FAO und die Weltgesundheitsorganisation WHO auf vier Strategien:

  • Verbesserung der Nahrungszufuhr durch verbesserte Produktion, Konservierung und Vermarktung von mikronährstoffreichen Nahrungsmitteln, in Kombination mit Aufklärungsmaßnahmen über gesunde Ernährung,
  • Nahrungsmittelanreicherung,
  • Nahrungsergänzung und
  • Maßnahmen für die öffentliche Gesundheit und Krankheitsbekämpfung.


Wenn Grundnahrungs- und Würzmittel wie Mehl, Speiseöl und Salz mit fehlenden Mikronährstoffen angereichert werden, erreicht man große Bevölkerungsgruppen, ohne dass diese ihre Ernährungsgewohnheiten ändern müssen. Laut der Studie von Welthungerhilfe und terre des hommes ist empirisch belegt, dass dies auf kosteneffiziente Weise zur Behandlung und Vorbeugung von verstecktem Hunger beiträgt.


Universelle Salzjodierung

Als Beispiel nennen die Autoren die universelle Salzjodierung, die Anreicherung von jeglichem Salz für menschlichen und tierischen Verbrauch mit Jod. Dadurch ging die Zahl der Länder, in denen Jodmangelerkrankungen ein ernstes Problem darstellen, von 130 im Jahr 1990 auf 32 im Jahr 2011 zurück.

Dennoch ist die Nahrungsmittelan­reicherung umstritten. Kritiker weisen darauf hin, dass sie bei schwerem Mikronährstoffmangel nicht helfe – nicht zuletzt, weil wegen der Kosten oder lokaler Gegebenheiten die Menschen, die besonders betroffen seien, vom Zugang zu den angereicherten Produkten ausgeschlossen blieben. Als Einzelintervention beseitige Nahrungsmittelanreicherung weder die Symptome noch die Ursachen von Vitamin- und Mineralstoffmangel.

Die Studie der beiden zivilgesellschaftlichen Organisationen bestätigt, dass isolierte Anreicherungsinitiativen komplexe und meist chronische Probleme der Ernährungsunsicherheit nicht lösen können. Die Grundursache des versteckten Hungers bleibe die Armut. Als bester Ansatz, ihn zu bekämpfen, gilt die Diversifizierung der Ernährung. Das zu erreichen, ist jedoch langwieriger als Nahrungsmittelanreicherung.

Die Studie von Welthungerhilfe und terre des hommes kommt zu dem Ergebnis, dass Nahrungsmittelanreicherung einen relevanten Beitrag zur Ernährungssicherheit leisten kann, aber kein Allheilmittel gegen Mikronährstoffmangel ist. Die Autoren empfehlen, bei der Anwendung mögliche Risiken zu berücksichtigen und sie mit Interventionen zu kombinieren, die auf die Ursachen von Mikronährstoffmangel zielen. Nötig sind demnach unter anderem die Schaffung von Arbeitsplätzen und diversifizierte Ernährung. Finanzhilfen seien nötig, um allen Bedürftigen Zugang zu Nahrungsmitteln zu verschaffen. Wichtig sei auch die Aufklärung der Verbraucher über eine ausgewogene und nährstoffreiche Ernährung sowie eine umfassende und effiziente einschlägige Gesetzgebung.

Katja Dombrowski

Link:
Welthungerhilfe, terre des hommes: Anreicherung von Lebensmitteln: „Techno-Fix“ oder nachhaltige Lösung für versteckten Hunger?
http://www.welthungerhilfe.de/fileadmin/user_upload/Mediathek/Fachpapiere/Studie_Anreicherung_Nahrungsmittel_tdh_welthungerhilfe_Zukunft_der_globalen_Beziehungen_2014.pdf