Kommentar
Klimawandel braucht höchste Aufmerksamkeit
Die US-Raumfahrtbehörde hat noch einen weiteren traurigen Rekord parat: In fünf der ersten sechs Monate des Jahres war das arktische Meereis bezogen auf den jeweiligen Monat so klein wie nie, seit es systematische Satellitenaufzeichnungen gibt. Das ist seit 1979.
Mehrere Weltregionen, die so weit voneinander entfernt liegen wie Südostasien und das südliche Afrika, litten in diesem Jahr unter der schlimmsten Dürre seit Jahrzehnten. Nach Angaben der UN führte der Mekong so wenig Wasser wie nie seit Beginn der Aufzeichnungen vor fast 100 Jahren. Sein Pegelstand war nur halb so hoch wie vor Beginn der Regenzeit üblich. Das Wasser fehlte Menschen, Tieren und Feldern. Südostasiens größter Fluss ist die Lebensader für 60 Millionen Menschen. Viele von ihnen litten stark unter den Folgen, wobei Hunger und fehlendes sauberes Trinkwasser keine Ausnahmen waren.
Große Teile Asiens verzeichneten Hitzerekorde, und die Regenzeit setzte mit gehöriger Verspätung ein. Der gesamte landwirtschaftliche Zyklus hängt vom Regen ab. Die diesjährige Reisernte fiel erbärmlich aus, was einen Anstieg des Weltmarktpreises für das Grundnahrungsmittel der Region zur Folge hat. Das wird besonders die Armen treffen, inklusive der Bauern, die ihre Ernte verloren haben.
Im südlichen Afrika waren laut der Hilfsorganisation Care 40 Millionen Menschen von der Dürre betroffen. Im April riefen die Regierungen von Mosambik, Malawi und Simbabwe den Notstand aus. Im Juli erklärte die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (Southern African Development Community – SADC) eine regionale Katastrophe und rief zu Hilfszahlungen in Höhe von 2,4 Milliarden Dollar auf, um den Millionen Betroffenen – rund 14 Prozent der gesamten SADC-Bevölkerung – zu helfen. Laut einer Mitteilung der SADC war die große Mehrheit der betroffenen Mitgliedstaaten mit der Dürre überfordert.
Dieses Jahr ist außergewöhnlich, weil Folgen des Klimawandels, die bereits zur Normalität geworden sind, von El Niño verstärkt wurden. Das Wetterphänomen, das alle paar Jahre auftritt und mit ungewöhnlich warmem Oberflächenwasser in Teilen des Pazifiks daherkommt, bringt Temperaturen und Niederschläge weltweit durcheinander.
Wie so oft, leiden Menschen in Entwicklungsländern am meisten unter den Folgen: Menschen, die von Landwirtschaft und Fischerei leben, Menschen, die in Hütten wohnen, Menschen, die keine Ersparnisse, keine Jobmöglichkeiten und generell keine Alternativen haben. Doch auch reiche Weltregionen wie Nordamerika und Australien blieben nicht verschont.
El Niño ist jetzt vorbei. Wir warten auf La Niña, das gegenteilige Phänomen mit ungewöhnlich kaltem Pazifikwasser, das häufig auf El Niño folgt. Es führt typischerweise zu Tropenstürmen und Hurrikanen in Asien und Nordamerika sowie Dürren in Teilen Südamerikas und des äquatorialen Ostafrikas.
Die gute Nachricht ist, dass El Niño und La Niña nächstes Jahr nicht wiederkommen werden. Die schlechte besteht darin, dass der Klimawandel weitergeht. Die Temperaturen steigen weiter, und auf gewohnte Wetterbedingungen ist immer weniger Verlass – wenn wir nicht einschreiten. Doch der Klimawandel ist kein unabwendbares Schicksal, er ist menschgemacht. Gemeinsam können wir ihn aufhalten. Im übrigen gibt es einen weltweiten Vertrag, das zu tun. Er heißt Pariser Klimavertrag und braucht höchste Aufmerksamkeit und eine schnelle, umfassende Umsetzung.
Dass die beiden größten CO₂-Emittenten der Welt, die USA und China, den Vertrag Anfang September beim G20-Gipfel im chinesischen Hangzhou ratifiziert haben, ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Immerhin stoßen sie zusammen fast 40 Prozent der globalen Treibhausgase aus. Folgen müssen nun andere Länder – und vor allem konkrete Taten.