WBGU-Gutachten
Digitalisierte Zukunft
Für den WBGU steht fest, dass Digitalisierung so gestaltet werden muss, dass sie als „Hebel und Unterstützung“ für eine „große Transformation zur Nachhaltigkeit“ dient. Diese Transformation umfasst tiefgreifende Veränderungen der gesamtem Lebens- und Arbeitswelt in Infrastrukturen, Produktionsprozessen, Investitionen, Regulierungsprozessen und Lebensstilen. Sie erfordert ein neues Zusammenspiel von Politik, Gesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und Individuen, schreiben die Autoren.
Die Notwendigkeit einer Transformation in Richtung Nachhaltigkeit ist unbestritten, und es existieren Vereinbarungen, die diese ausgestalten, wie die Agenda 2030 mit den 17 Nachhaltigkeits-Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals – SDGs), dem Pariser Klimaabkommen sowie den sogenannten Aichi-Zielen, die 2010 zur Umsetzung der UN-Konvention zur Biodiversität formuliert wurden.
Digitalisierung, so der WBGU, hat massive Auswirkung auf alle 17 SDGs. Das heißt, sie können nicht ohne Einbeziehung der Potenziale und Risiken der Digitalisierung umgesetzt werden. Der WBGU macht deutlich, dass angesichts der Dringlichkeit der Probleme schnell gehandelt werden muss. Die Umsteuerung erfolge bislang viel langsamer, als nötig wäre, um die Erde noch zu retten. Die Digitalisierung könne dabei helfen, versichern die Experten: Dekarbonisierung, Kreislaufwirtschaft, umweltschonende Landwirtschaft, Ressourceneffizienz, Emissionsreduktion und Schutz der Ökosysteme können durch „digitale Innovation leichter und schneller erreicht werden“.
Die Digitalisierung birgt aber Risiken, wie zum Beispiel:
- Überschreitung planetarischer Grenzen durch digital getriebenes Wachstum,
- Entmachtung des Individuums durch digitale autoritäre Herrschaft,
- Unterminierung der Demokratie durch automatisierte Entscheidungsprozesse,
- Dominanz von Unternehmen, die sich staatlicher Kontrolle entziehen,
- Verlust von Arbeitsplätzen,
- Vertiefte Spaltung der Weltgesellschaft durch ungleichen Zugang zu digitalen Innovationen.
Regierungen kommt die Großaufgabe zu, einerseits die enormen Potenziale der neuartigen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) zu erschließen und andererseits Risiken und Missbrauch vorzubeugen. Um die Gesellschaft für die Digitalisierung fit zu machen, schlägt das Experten-Gremium zahlreiche Maßnahmen vor (siehe Kasten nächste Seite). Entscheidend sei, dass Menschen befähigt werden, die anstehenden Umbrüche zu verstehen und mitzugestalten.
Umfassende Bildung sei der Schlüssel hierzu. Laut WBGU kommt der Wissenschaft die Aufgabe zu, „Zukunftswissen zur Gestaltung digitalisierter Nachhaltigkeit und nachhaltiger Digitalisierung“ zu erarbeiten. Auch Staaten müssten selbst digitales Wissen und Kompetenz aufbauen, um fähig sein, die Digitalisierung zu gestalten. Der WBGU betont außerdem, dass sich die Chancen von Entwicklungs- und Schwellenländern durch die Digitalisierung verändern werden. Dies sollte die internationale Entwicklungspolitik positiv fördern.
Zusammenfassend formuliert das Gremium „Dynamiken“ des digitalen Zeitalters:
- Digitalisierung soll im Sinne der SDGs genutzt werden, um das Erdsystem zu schützen und soziale Kohäsion zu sichern.
- Digitalisierung soll einen neuen Humanismus verwirklichen und digitalen Totalitarismus verhindern; der digitale Wandel löst einen fundamentalen gesellschaftlichen Umbruch aus, dieser sollte in menschenfreundlicher Weise gestaltet werden
Dies kann nur durch eine starke Global Governance umgesetzt werden: Die Weltgemeinschaft muss sich auf gemeinsame Konzepte und Regeln einigen. Der WBGU fordert, dass die EU dabei eine Vorreiterrolle einnimmt: Sie sollte ein eigenes nachhaltiges, digital unterstütztes Zukunftsmodell entwerfen, das sich von den existierenden Modellen in China und den USA unterscheidet.
Link
WBGU, 2019: Unsere gemeinsame digitale Zukunft (Zusammenfassung).
https://www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/unsere-gemeinsame-digitale-zukunft#sektion-downloads