Sexuelle Gewalt

Zu Hause nicht willkommen

Seit 2012 hat die Terrorgruppe Boko Haram über 2000 Frauen und Schulmädchen aus Dörfern im nördlichen Nigeria entführt. Ihr Schicksal ist düster, selbst wenn sie befreit werden.
Junge Mutter in Nord-Nigeria. Osodi Emmanuel/Lineair Junge Mutter in Nord-Nigeria.

Der Terror der Boko-Haram-Islamisten hat in Nordnigeria eine humanitäre Krise ausgelöst. Die Miliz will vor allem die Bildung von Mädchen beenden. Seit 2012 hat Boko Haram über 2000 Frauen und Schulmädchen aus Dörfern im nördlichen Nigeria entführt.

Die verschleppten Frauen und Mädchen werden zu Arbeit oder Heirat gezwungen, versklavt, sexuell missbraucht und vergewaltigt, oft von verschiedenen Männern über Monate und Jahre hinweg. Nur wenigen der Gefangenen gelingt die Flucht.

Dank einer kontinuierlichen Offensive gewinnt die nigerianische Armee nun an Boden, und mehr Frauen und Mädchen können befreit werden. Aber ihre Misere ist damit nicht vorbei. Familien und Nachbarn sind oft misstrauisch gegenüber den befreiten Frauen. Sie bekommen nicht die Unterstützung, die sie bräuchten, um ihre traumatischen Erfahrungen zu überwinden. Hinzu kommt, dass manche der ehemaligen Gefangenen schwanger oder mit Babys zurückkehren.

Laut UN mussten mehr als 2,5 Millionen Nigerianer vor den islamistischen Terroristen aus ihren Wohnorten fliehen. Die meisten sind heute intern Vertriebene (internally displaced persons – IDPs). International Alert und UNICEF (Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen) haben im Bundesstaat Borno in Nordostnigeria, wo ungefähr 95 % der IDPs leben, eine Studie darüber durchgeführt, wie Behörden und Gemeinschaften mit Ex­gefangenen und deren Kindern umgehen. Im jüngst veröffentlichten Bericht steht: „Viele werden marginalisiert, diskriminiert und aufgrund sozialer und kultureller Normen bezüglich sexueller Gewalt von Familie und Gemeinschaft verstoßen.“

Vor allem Kinder, die das Resultat einer Vergewaltigung sind, werden verachtet. Es heißt, sie seien vom „schlechten Blut“ ihrer militanten Väter verseucht. Hinzu kommt die Angst vor Hexerei. Laut Studie glauben viele Menschen, dass diese Kinder die nächste Generation von Kämpfern bilden werden, „weil sie die Gewaltbereitschaft ihrer biologischen Vätern geerbt“ hätten.

Manche Leute befürchten auch, Frauen und Mädchen hätten sich „in der Gefangenschaft radikalisiert“. Die Autoren weisen darauf hin, dass die Exklusion dieser Frauen und Mädchen sowie ihrer Kinder und ungeborenen Babys „im Kontext der fortlaufenden Kämpfe“ steht.

Einzelne Familien handeln hingegen mit mehr Verständnis. Viele Ehemänner nehmen ihre Frauen wieder auf – vor allem wenn sie vor der Entführung schon Kinder mit ihnen gehabt haben. Dann werden oft sogar Kinder akzeptiert, die Frucht einer Vergewaltigung sind. Die Fälle von jungen Mädchen sind komplizierter, da eine Schwangerschaft ihre Chancen auf Heirat mindert und sie zu einer finanziellen Last für die Familien macht. Die Mehrheit der Frauen und Mädchen, die für diesen Bericht interviewt wurden, wollte ihre Kinder behalten. Verantwortliche im Dorf äußerten dagegen Furcht vor der Spaltung der Gemeinschaft.

UNICEF und International Alert weisen darauf hin, dass die befreiten Frauen und Mädchen höchst verwundbar sind. Sie benötigen bessere Unterstützung seitens der nigerianischen Regierung und zivilgesellschaftlicher Organisationen. Der Report benennt eine „große Schutz- und Versorgungslücke für diese Frauen und Kinder“.

Manche staatlichen Maßnahmen wurden 2015 beendet. Das galt unter anderem für eine Rehabilitationsklinik mit medizinischer und psychologischer Behandlung für posttraumatische Belastungsstörung sowie für die Förderung von „De-Radikalisierung“, Bildung und Unterhalt.

Bisher ist nur eine Minderheit der Entführten freigekommen. Die Probleme werden wachsen, wenn mehr von ihnen heimkehren. Um die Risiken der Zurückweisung, Stigmatisierung und Gewalt ihnen gegenüber zu minimieren, fordern UNICEF und International Alert internationale Organisationen und die nigerianische Regierung auf, „die Rückkehr der Überlebenden in ihre Dörfer“ vorzube­reiten.

Sheila Mysorekar
 

Link:
UNICEF Report: ‘Bad Blood’: Perceptions of children born of conflict-related sexual violence and women and girls associated with Boko Haram in northeast Nigeria.
http://www.international-alert.org/sites/default/files/Nigeria_BadBlood_EN_2016.pdf

 

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