Klimaschutz
Emissionshandel am Scheideweg
Dank CDM können Investoren aus Industrieländern im Rahmen des Kyoto-Protokolls Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern auf ihre Pflichten, Treibhausgase zu reduzieren, anrechnen lassen. Damit sich solches Engagement lohnt, wird mit Zertifikaten für eingesparte Emissionen gehandelt. 2007 war die Tonne eingesparter CO2-Emissionen auf diesem Markt zehn Euro wert, in diesem Jahr dürften es im Schnitt 13 Euro sein.
CDM-Projekte sollen Entwicklungsländer voranbringen und zugleich das Engagement der Industriestaaten lukrativer machen. 2007 summierten sich projektbasierte Transaktionen auf 13,9 Milliarden Dollar, fast doppelt so viel wie 2006. Das Ergebnis war die Einsparung von 791 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Zum Vergleich: Das EU-Emissionshandelssystem (ETS) erreichte 2007 einen Marktwert von 50 Milliarden Dollar. Hier brachte das Zertifikat für eine eingesparte Emissionstonne bereits rund 23 Euro.
Rund siebzig CDM-Projekte wurden auf der Carbon Expo, einer internationalen Messe, die dieses Jahr in Köln stattfand, angeboten – abgeschlossen wurde keines. Die Nachfrage stockt, denn die Marktteilnehmer sind unsicher, ob der fragile CDM-Mechanismus nach 2012 Bestand hat. Bei der Klimakonferenz in Bali gehörte der CDM zur Verhandlungsmasse, und bis zur Folgekonferenz in Kopenhagen Ende 2009 herrscht nun Unsicherheit. Zum Vergleich: Die EU-Kommission lässt keinen Zweifel daran, dass sie ihre Zertfikatszuteilungen auch in Zukunft verknappen und somit das ETS auch unabhängig vom Handeln anderer Staaten stärken will.
Die Europäer hoffen, dass der CDM und gemeinsam von reichen und armen Ländern implementierter Klimaschutz weiter geht. Sollten aber die Schwellen- und Entwicklungsländer erkennbar nicht mehr mitziehen, will die EU Projekte nicht mehr finanziell unterstützen. Aus Sicht der Weltbank wäre das ein Eigentor. Die Drohung der EU verschärft nämlich die Verunsicherung der Investoren.
Gewissermaßen rechtfertigt die EU so ungewollt die Zurückhaltung der großen Energieunternehmen wie EON oder Vattenfall, die am CDM bislang kaum Interesse zeigen, und bestraft andere wie etwa RWE, die sich seit 2005 vor allem in Indien und China engagieren. Zusammen mit OSRAM lässt RWE beispielsweise im Rahmen eines Energieeffizienzprojekts in der indischen Region Vishakhapatnam Energiesparlampen verteilen – mit dem Einspareffekt von 400 000 Tonnen CO2 jährlich. Die ausrangierten Glühbirnen werden fachgerecht recycelt. Finanziert wird dieses Projekt ausschließlich über international handelbare CDM-Zertifikate. Insgesamt hat RWE bisher 150 Millionen Euro bereitgestellt.
Die komplizierten CDM-Regeln machen Investoren den Technologie- und Know-how-Transfer ohnehin nicht leicht. Von der Idee bis zur Genehmigung können bis zu zwei Jahre vergehen. Hierzulande ist die Deutsche Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt zuständig. Laut RWE belaufen sich die Kosten pro Antrag durchschnittlich auf 50 000 Euro. Partnerstaaten müssen unter anderem die Einrichtung eines computerbasierten nationalen Emissionsregisters nachweisen, jährliche Inventare einreichen und weitere Berichtspflichten erfüllen.
Ein weiteres Problem ist die globale Asymmetrie: 2007 wurden drei von vier CDM-Projekten in China realisiert, Afrika bekam nur fünf Prozent vom Kuchen ab, Indien und Brasilien je sechs Prozent. Die Weltbank erklärt dies mit dem wachsenden Interesse internationaler Unternehmen an China als Zukunftsmarkt. Unternehmen
testen demnach ihren Markteinstieg in Schwellenländern mit günstigen CDM-Projekten, und das Interesse an der Volksrepublik sei besonders groß. Diesen Effekt hätten die Architekten des Kyoto-Protokolls übersehen; nun müsse gegengesteuert werden.
Der CDM befinde sich am Scheideweg, urteilt die Weltbank in ihrem Bericht. Die Herausforderung sei nun, „wissenschaftlich fundierte Minderungsziele und eine Perspektive zu bieten, diese kosteneffizient zu realisieren“.
Marcel Seyppel