Journalismus

Richtig über Traumatisierte berichten

Um über traumatisierende Ereignisse zu schreiben, Dokumentationen und Reportagen zu drehen oder Podcasts zu fertigen, bedarf es eines konstruktiven, konfliktsensiblen Journalismus.
Medienschaffende sollten sensibel mit Betroffenen umgehen. Medienschaffende sollten sensibel mit Betroffenen umgehen.

Das bedeutet für Medienschaffende, sich nicht nur über lokale oder globale Kontexte eines Konflikts und seine Geschichte zu informieren, sondern auch die eigene Haltung zu den Ereignissen zu reflektieren und sich bewusst zu machen, in welchen Machtstrukturen sie selbst agieren. Sie sollten Interviews mit Opfern und Überlebenden sensibel führen. Vor laufender Kamera über die Ermordung des eigenen Kindes zu berichten birgt etwa die Gefahr schwerer Retraumatisierung in sich. Die Mühen psychosozialer Arbeit mit Traumata werden so konterkariert. Zudem können journalistische Praktiken – bewusst oder unbewusst – so zur Anwendung kommen, dass einzelnen Überlebenden in me­diatisierten Öffentlichkeiten die Kontrolle über das persönliche Narrativ genommen wird, was retraumatisierend auf Betroffene zurückwirken kann.

Fortbildungen zu Traumata

Um solche Fehler zu vermeiden, sollten Medienschaffende sich fortwährend darüber informieren und dazu weiterbilden, wie Traumata entstehen und welche Konzepte es für den Umgang mit ihnen gibt. Menschen, die Folter, sexuelle Gewalt, Verfolgung oder Flucht hinter sich haben, sollten beispielsweise nicht primär die erlittene Gewalt ständig und wiederholt schildern. Ihnen sollte stattdessen vermittelt werden, dass sie stark sind: Sie haben die traumatisierenden Ereignisse überlebt. Hier gilt es – auch medial und journalistisch – anzusetzen.

Für konfliktsensiblen Journalismus werden im Rahmen mancher Peacebuilding-Prozesse Schulungen und Trainings angeboten. Um die Rolle von Medienschaffenden bei der Bearbeitung kollektiver Traumata zu stärken, sollten daran allerdings nicht nur jene teilnehmen, die die Berichterstattung vor Ort leisten, sondern auch Chefredaktionen und Geschäftsführung. Die Verantwortlichen müssen für die Finanzierung solcher Fortbildungen sorgen, Zeit dafür einräumen und so ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu motivieren, diese Angebote wahrzunehmen.

Damit sind nicht nur jene gemeint, die in großen Redaktionen und internationalen Medienunternehmen (hoffentlich) ständig thematische und methodische Weiterbildungen zur Verfügung gestellt bekommen, sondern vor allem auch Journalistinnen und Journalisten in lokalen Medien, die, oft auf sich allein gestellt, in abgelegenen Regionen arbeiten. Häufig kommen sie am ehesten in Kontakt mit Überlebenden, denn sie sind nahe dran an jenen betroffenen Gemeinden, in denen massive Gewalttaten stattfanden. Dort also, wo im Nachhinein eine Form gefunden werden muss, mit den kollektiven Traumata gesamtgesellschaftlich umzugehen.

Rousbeh Legatis ist Friedens- und Konfliktforscher. Er berät Organisation zu Friedensprozessen, insbesondere in Lateinamerika.
rousbeh@gmail.com

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