Entwicklung und
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Staaten

Die Staatsverschuldung in Entwicklungsländern ist kritisch

Die Covid-19-Krise und der Krieg in der Ukraine haben die weltweit ohnehin kritische Verschuldungslage weiter verschlechtert. Es ist dringend nötig, dass die internationale Gemeinschaft Schulden umwandelt oder erlässt und die betroffenen Länder mehr Steuereinnahmen generieren.
Straßenhändlerinnen in Sambia: Das Land versucht mit Hilfe der G20 und des IWF aus der Überschuldung zu kommen. Straßenhändlerinnen in Sambia: Das Land versucht mit Hilfe der G20 und des IWF aus der Überschuldung zu kommen.

Während der Pandemie erreichte die weltweite Gesamtverschuldung laut der Weltbank im Jahr 2020 mit 263 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) den höchsten Stand seit einem halben Jahrhundert. Die staatlichen und privaten Schulden in Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern sind in der Zeit rasant gewachsen wie auch die Auslands- und Inlandsverschuldung (siehe dazu Roli Mahajan auf www.dandc.eu). 2022 waren laut Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) 60 Prozent der Niedrigeinkommensländer bereits hoch verschuldet, 2015 waren es noch rund 30 Prozent.

Brisant ist auch, dass die Schuldendienste vieler Länder gemessen an den Exporten erheblich gestiegen sind. In Subsahara-Afrika, beispielsweise, gingen diese von 16 Prozent im Jahr 2019 auf 22 Prozent im Folgejahr. Das heißt, dass immer mehr Einnahmen aus Exporterlösen für den Schuldendienst verwandt werden müssen. Damit fehlt das Geld für notwendige Investitionen zur Erreichung nachhaltiger Ziele.

Hohe Haushaltsdefizite

In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern sind die Staatsdefizite in die Höhe geschossen. In Subsahara-Afrika ist laut IWF-Schätzungen das Haushaltdefizit gemessen am BIP von -3,9 Prozent im Jahr 2019 auf -6,4 Prozent im folgenden Jahr gestiegen. Dabei hatten ölimportierende Länder ein deutlich größeres Haushaltsdefizite in diesem Zeitraum (von -4,3 auf -7,3 Prozent) als ölexportierende Länder (von -3,3 auf -4,6 Prozent).

Krieg in der Ukraine

Zur weltweiten Pandemie kam im Februar dieses Jahres die russische Invasion in der Ukraine hinzu, was die Verschuldung und Inflation anheizte. Vor allem der Anstieg der Energie- und Lebensmittelpreise belastet Staatshaushalte und Außenhandelsbilanzen. Dabei sind rohstoffimportierende Länder besonders hart getroffen.

Die restriktive Geldpolitik vieler Industrieländer führt zu steigenden Zinsen auf den internationalen Finanzmärkten, was den Schuldendienst noch teurer macht. Die hohe Verschuldung erschwert Entwicklungsländern die Erholung nach der Pandemie und zieht längerfristige wirtschaftliche und soziale Folgen nach sich. Zu befürchten ist auch, dass Investitionen zur Bekämpfung des Klimawandels zurückgehen werden.

Wege aus der Verschuldung

Zur Bewältigung der Schuldenkrise sind sowohl Reformen in den Ländern selbst notwendig als auch externe Unterstützung, da die Entwicklungsländer selbst über zu wenig Finanzmittel verfügen. Dafür hat die internationale Gemeinschaft infolge der Pandemie neue Instrumente geschaffen, die sie nun auch umsetzen sollte. Die Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) hat für Entwicklungsländer zwei wichtige Instrumente eingeführt:

  • Die Initiative zur Aussetzung des Schuldendienstes (Debt Service Suspension Initiative – DSSI) ist ein Schuldenmoratorium für Länder mit niedrigen Einkommen, um kurzfristige Liquiditätsprobleme zu lösen. 48 von 73 berechtigten Länder haben davon von Mai 2020 bis Dezember 2021 Gebrauch gemacht.
  • Der Gemeinsame Rahmen für die Behandlung von Schulden über die DSSI hinaus (Common Framework for Debt Treatment beyond DSSI) soll Schulden umstrukturieren und, wenn es nötig ist, auch Schuldenerlasse gewähren. Dieses Instrument soll Zahlungsunfähigkeit der Länder verhindern und langwierige Zahlungsschwierigkeiten beseitigen. Seit Einführung dieses Rahmenwerks haben aber nur drei Länder daran teilgenommen: Tschad, Sambia und Äthiopien (siehe hierzu meinen Beitrag auf www.dandc.eu).

Die Umsetzung hat sich vor allem wegen Koordinationsschwierigkeiten der Gläubiger hinausgezögert (Georgieva/ Pazarbasioglu 2021). Abhilfe könnte die Einbeziehung aller öffentlichen und privaten Gläubiger bringen sowie eine Transparenz von Schuldverträgen, die für eine Gleichheit zwischen den Gläubigern sorgt. Darüber hinaus sollte das Common Framework nicht nur Ländern mit niedrigem, sondern auch Ländern mit mittlerem Einkommen zur Verfügung stehen. Notwendig ist des Weiteren ein Insolvenzverfahren für souveräne Staaten.

Zudem sollte die internationale Gemeinschaft Codes of conduct zur Förderung einer verantwortungsvollen Kreditvergabe und -aufnahme unterstützen und umsetzen. Einige Akteure wie die G20, die UN, das Institute of International Finance und die OECD haben solche Verhaltensregeln erstellt und teilweise umgesetzt. Damit es nicht zu unterschiedlichen Regeln kommt, sollten diese international anerkannt und einheitlich gestaltet werden (Berensmann 2022).

Build back better

Die Pandemie hat die Anfälligkeit unserer Gesellschaften für Schocks deutlich gemacht, bietet aber auch die Möglichkeit des „build back better“, also die Ausgangslage beim Wiederaufbau zu verbessern. Daher sollten diese Krisen als Gelegenheit dienen, um die Umschuldungsprozesse mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung zu verbinden (Volz et al. 2021).

Das Common Framework sollte mit Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels verknüpft werden. Schuldenerlass oder -umstrukturierung sollten an Investitionen und Reformen im Sinne der UN-Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens gebunden werden. Gleichermaßen sollten die multilateralen Entwicklungsbanken die Ziele für nachhaltige Entwicklung besser in ihre Finanzierungsinstrumente aufnehmen (Berensmann et al. 2022).

Da die Erderhitzung finanzielle Schäden nach sich zieht, sollten Analysen der Schuldentragfähigkeit von Ländern Klimarisiken berücksichtigen. Auch Investitionen in Klimaanpassung müssen miteingerechnet werden, da diese Klimarisiken reduzieren. Der IWF arbeitet derzeit an Vorschlägen zur Einbeziehung des Klimawandels in die Finanzpolitik (Massetti/Bellon 2022).

Steuerreformen

Auch die Partnerländer müssen aktiv werden und interne Einnahmen mobilisieren, damit sie weniger Auslandsschulden aufnehmen müssen. Dazu gehört vor allem die Erhöhung der Steuereinnahmen. Durch Reformen sollten vor allem die Steuerverwaltung und die Steuerpolitik verbessert werden. Die Steuerbasis sollte durch mehr Transparenz, Effizienz und Effektivität des Steuersystems verbreitert werden, und der informelle Sektor sollte einbezogen werden. Insbesondere bei der Digitalisierung von Steuerbehörden könnte die technische Unterstützung der Geber helfen.

Auch das internationale Steuersystem muss verbessert werden, um illegale Finanzströme, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung einzudämmen. Nach Schätzungen der Afrikanischen Union (AU) gehen Afrika durch illegale Finanzströme jährlich 50 bis 80 Milliarden US-Dollar verloren (AU 2019). Auch wenn Schätzungen von illegalen Finanzströmen per definitionem schwierig sind, ist dies eine enorme Summe.

Zwei wichtige Initiativen sind:

  • die Einrichtung des Globalen Forums für Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke und
  • das OECD/G20-Inclusive Framework on Base Erosion and Profit Shifting – BEPS (Inklusives Rahmenwerk zur Bekämpfung von Erosion der Steuerbasen und Gewinnverlagerung).

Das Globale Forum stellt die bedeutendste internationale Institution zur Bekämpfung von Steuerflucht und Steuervermeidung dar und erhöht die Transparenz im internationalen Steuersystem. Ihr Sekretariat ist an der OECD angesiedelt und hat derzeit 165 Mitglieder. Das Inclusive Framework on BEPS (ebenfalls angesiedelt bei der OECD) setzt sich zum Ziel, Steuervermeidung zu bekämpfen, die Kohärenz der internationaler Steuervorschriften zu verbessern und die digitale Wirtschaft stärker zu besteuern (von Haldenwang/Laudage 2019). Die Geber sollten dafür ihre technische Unterstützung für Entwicklungsländer verstärken.

Aufgabe der Partnerländer ist es zudem, ihr Schuldenmanagement zu verbessern, um die Finanzmittel effizienter einzusetzen. Dazu gehört vor allem, Schulden in inländischer und ausländischer Währung, die Laufzeit und die Zinsstruktur angemessen zu gewichten. Weiterhin erhöht ein gutes Management die Transparenz über die Schulden und trägt zum Aufbau und zur Weiterentwicklung inländischer Anleihemärkte bei. Diese können Entwicklungsländern eine gute Einnahmequelle bieten.


Literatur

African Union Commission, 2019: Domestic resource mobilization: Fighting against corruption and illicit financial flows. AUC Publishing, Addis Ababa.

Berensmann, K., Ekeruche, M. A. , Heitzig, C., Ordu, A., Senbet, L. W., 2022: Resolving debt crises in developing countries: how can the G20 contribute to operationalising the common framework? T20 policy brief, Jakarta.

Berensmann, K., 2022: How could a new universal code of conduct prevent and resolve sovereign debt crises? Proposals for design and implementation. Journal of Economic Surveys, Wiley.

Georgieva, K., Pazarbasioglu, C., 2021: The G20 Common Framework for Debt Treatments must be stepped up. IMF Blog, 2 December 2021.

Von Haldenwang, C., Laudage, S., 2019: Financing for development and domestic revenue mobilisation: more international reforms are needed. Briefing Paper 13/2019, Bonn, German Development Institute (DIE).

Massetti, E., Bellon, M., 2022: Planning and mainstreaming adaptation to climate change in fiscal policy. IMF staff Climate note, 23 March, Washington D.C.

Volz, U., Akthar, S., Gallagher, K., Griffith-Jones, S., Haas, J., 2021: Debt relief for a green and inclusive recovery: Securing private-sector participation and creating policy space for sustainable development. Berlin, Heinrich Böll Stiftung.


Kathrin Berensmann ist Senior Researcher und Projektleiterin beim German Institute of Development and Sustainability (IDOS). Die Autorin dankt Sabine Laudage für wertvolle Kommentare.
kathrin.berensmann@idos-research.de

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